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Kieler Landeskriminalamt soll entlastende Aussage unterdrückt und gewissenhafte Kriminalbeamte geschasst haben [ergänzt am 31.08.2022]

Anfragen Freiheit, Demokratie und Transparenz Landtag

Zur neuesten Entwicklung…

silence photoKriminalbeamte erheben schwere Vorwürfe gegen das Schleswig-Holsteinische Landeskriminalamt. Dies ergibt sich aus Unterlagen, die dem Landtagsabgeordneten Patrick Breyer (Piratenpartei) zugespielt worden sind.

Das Landeskriminalamt soll im Jahr 2010 eine entlastende Aussage zugunsten zwei Beschuldigter teilweise unterdrückt und die ermittelnden Beamte mit allen Mitteln daran gehindert haben, diese in der Verfahrensakte vollständig zu protokollieren und vor Gericht zu bezeugen. Der Leiter des Rechtsreferats der Polizeiabteilung des Innenministeriums soll das Strafgericht in die Irre geführt haben. Die hochverdienten Kriminalbeamte, die das nicht hinnehmen wollten, sind massiv unter Druck gesetzt und schließlich gegen ihren Willen umgesetzt worden. Einer von ihnen erstattete Strafanzeige und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Verantwortlichen – erfolglos. Der heutige Landespolizeidirektor Ralf Höhs, der selbst Gegenstand der Vorwürfe war, versuchte einen der Ermittler für psychisch dienstunfähig erklären zu lassen.

Dieser Vorgang erschüttert das Vertrauen in eine gerechte und rechtsstaatliche Polizei“, erklärt Breyer schockiert. “Das Vorgehen des Landeskriminalamts grenzt an eine Verfolgung Unschuldiger und wirft die Frage auf: Werden auch in anderen Fällen zum Schutz eigener Quellen entlastende Erkenntnisse unzulässigerweise unterdrückt? Und welche Mittel werden eingesetzt, um kritische Beamte zum Schweigen zu bringen?

Nach den Vorfällen an der Polizeischule Eutin lässt dieser Fall erneut in Abgründe blicken, was die Methoden der Polizeiführung in Schleswig Holstein und des Innenministeriums im Umgang mit interner Kritik angeht. Da wird ein mutmaßlicher Missstand gedeckt und gewissenhafte hochverdiente Beamte, die dagegen aufbegehren, mit allen Mitteln kalt gestellt. Alle Eingaben auf dem Dienstweg werden eingestellt, auch der Arbeitskreis Mobbing bietet keinen Schutz.

Bis heute erreichen mich aus Polizeikreisen Klagen über ein Arbeitsklima, das von dem Prinzip ‘Führen durch Erschrecken’ geprägt sei. Solche Fälle haben Signalwirkung: Wer bei Rechtsverstößen wegsieht und mitmacht, wird befördert, wer dagegen aufbegehrt, wird abgestraft. Wir brauchen endlich eine Fehlerkultur in der Polizeiführung, die offen mit Fehlern umgeht, die nötigen Konsequenzen zieht und Hinweisgeber auf Missstände vor Repressalien und Mobbing schützt. Interne Ermittlungen gegen Beamte müssen dringend an eine externen Stelle außerhalb des Innenministeriums übertragen werden!”

Von Breyer mit den Vorwürfen konfrontiert, bestreiten Justiz- und Innenministerium ein Fehlverhalten. “Mit irreführenden Antworten versucht die Landesregierung, mutmaßliches Fehlverhalten zu verschleiern und zu vertuschen”, erklärt Breyer. “Da meine Fragen im Kern nicht beantwortet wurden, werde ich beantragen den Innenminister in den Innen- und Rechtsausschuss zu zitieren. Wenigstens für die Zukunft muss klar gestellt werden, dass keine falschen Informationen in Strafverfahren einfließen dürfen und dass befangene Beamte von der weiteren Bearbeitung von Beschwerden ausgeschlossen werden.”

Der Vorfall im Einzelnen

1. Im Januar 2010 überfallen Mitglieder der Rockergruppe “Bandidos” mit Schlagstöcken und Messern “Red Devils” in einem Schnellrestaurant in Neumünster, eine Person wird lebensgefährlich verletzt. Zwei erfahrene und überdurchschnittlich gut beurteilte Beamte im Kieler LKA (Rohs und Hilker) führen die Ermittlungen.

Am 29.04.2010 werden mit Verfügung des Innenministeriums vom 21.04.2010 die Bandidos Neumünster verboten.

2. Der V-Mann-Führer (VP-Führer) Schaeller im LKA teilt den Ermittlungsführern am 9.6.2010 mit, ihm habe ein langjähriger Informant gesagt, ein in Untersuchungshaft befindlicher Beschuldigter habe sich zur Tatzeit nicht am Tatort aufgehalten (der Beschuldigte wurden letztlich auch tatsächlich freigesprochen). Diese Aussage solle jedoch nicht in der Ermittlungsakte dokumentiert werden, er habe dies dem Informanten versprochen.

Die Ermittlungsbeamte halten dies für rechtswidrig, voraussichtlich sogar strafbar: Dem Informanten sei keine förmliche Vertraulichkeit zugesichert worden (kein VP-Status) und man hätte dies nach den einschlägigen Richtlinien auch nicht gedurft, da der Informant selbst tatverdächtig gewesen sei. Die Ermittler wollen die Identität des Informanten in Erfahrung bringen, weil dieser die tatsächlichen Täter benennen könnte.

Gleichwohl stellten sich die Vorgesetzten der Ermittler trotz Remonstration auf die Seite des V-Mann-Führers und untersagten die Dokumentation der entlastenden Aussage in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft, Begründung: Schutz des Informanten. Dieser wiege “schwerer als der Erkenntnisgewinn für das Gerichtsverfahren”. Das Vorgehen sei angeblich mit der Staatsanwaltschaft abgestimmt; der Staatsanwalt soll jedoch später erklärt haben, nicht vollständig ins Bild gesetzt worden zu sein.

Bereits zuvor soll der VP-Führer berichtet haben, ein weiterer Beschuldigter in dem Strafverfahren (der später zu einer Haftstrafe verurteilt wurde) sei zwar vor Ort gewesen, habe aber nicht zugestochen. Die Vorgesetzten sollen auch die Aufnahme dieses Hinweises in die Verfahrensakte verhindert haben.

3. Am 11.6.2010 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage vor dem Landgericht Kiel und stellt das Verfahren gegen andere Beschuldigte ein. Der Haftbefehl gegen den in Untersuchungshaft befindlichen Angeschuldigten wird am 18.6.2010 aus anderen Gründen als der entlastenden Aussage unter Auflagen außer Vollzug gesetzt, besteht aber fort.

4. Nach langen und erfolglosen Bemühungen auf dem Dienstweg, die entlastende Aussage dokumentieren zu dürfen, übergibt der unmittelbar Dienstvorgesetze des Ermittlungsbeamten Rohs am 8.7.2010 dem zuständigen Staatsanwalt im Beisein des Rohs einen auf den 14.06.2010 datierten kurzen Vermerk von diesem über die Aussage des Informanten. In dem Vermerk heißt es, eine Überprüfung des Wahrheitsgehalts sei ohne Offenlegung der Quelle nicht möglich. Mündlich wird dem Staatsanwalt der Inhalt der Aussage detaillierter beschrieben.

Dies hat Folgen: Rohs wird am 9.7.2010 durch den leitenden Kriminaldirektor Höhs die Sachbearbeitung entzogen und Umsetzung angekündigt. Würde er sich nicht freiwillig versetzen lassen, werde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Die Umsetzung erfolgt am 26.7.2010 gegen Rohs Willen in eine andere Abteilung – und zwar genau in den Bereich, den er als einzigen als unerwünscht angegeben hatte. Dabei wird dem Kriminalbeamten später (am 14.10.2010) vom LKA-Direktor bestätigt, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er mit seinem Vorgehen Dienstpflichten verletzt habe. Der dem Staatsanwalt übergebene Vermerk soll keinen Eingang in die Ermittlungsakte gefunden haben, berichtet ein Verteidiger.

5. Nun fertigt der V-Mann-Führer endlich einen eigenen Vermerk über die Aussage bezüglich des ehemaligen Untersuchungshäftlings, der zur Akte genommen wird (datiert auf den 19.07.2010). Doch dieser ist in zwei Punkten falsch und wahrheitswidrig, beanstanden die Ermittler: Erstens habe der V-Mann-Führer den Hinweis nicht erst am 9.6.2010 erhalten wie vermerkt, sondern schon ca. zwei Wochen vorher anderen Beamten davon erzählt. Zweitens sei dem V-Mann-Führer eine nähere Konkretisierung der nur verkürzt dokumentierten Aussage durchaus möglich gewesen; er hatte den Kollegen deutlich mehr erzählt. Der vollständige Inhalt der Aussage gelangte nie zur Akte.

6. Am 20.7.2010 wird auch dem anderen Ermittler (Hilker) untersagt den Vermerk richtig zu stellen. Daraufhin legt dieser die Sachbearbeitung nieder. Er erhält am 23.11.2010 eine schlechtere Beurteilung als zuvor und wird zum 1.11.2010 in eine andere Abteilung umgesetzt. Auch Ermittler Rohs erhält eine teilweise negative Beurteilung.

7. Um die Ermittler daran zu hindern, die vollständige entlastende Aussage vor Gericht offenzulegen, erhalten sie keine Aussagegenehmigung diesbezüglich (nur der V-Mann-Führer, der den falschen Vermerk geschrieben hat, darf dazu aussagen). Ihre Remonstration dagegen verwirft der leitende Kriminaldirektor Ralf Höhs. Das Gericht fordert einen der Ermittler auf eine Aussagegenehmigung beizubringen. Am 10.12.2010 schreibt daraufhin der Leiter des Rechtsreferats der Polizeiabteilung des Innenministeriums dem Gericht eine Sperrerklärung für „die in der Verfahrensakte anonyme Quelle“. Den Ermittlern zufolge führte diese Formulierung das Gericht in die Irre, denn sie erweckte den Eindruck, in dem Ermittlungsverfahren gebe es nur eine anonyme Quelle. Tatsächlich gab es eine V-Person im Rechtssinne, von der andere Informationen stammten, die aber nicht identisch mit dem hier in Rede stehenden Informanten war, bei dem die Voraussetzungen für Vertraulichkeit und Sperrerklärung nicht vorlagen. Nach Erhalt der Sperrerklärung fragt das Gericht nicht weiter nach. Am 15.04.2011 fällt es sein Urteil.


8. Anfang 2011 fragt der grüne Landtagsabgeordnete Fürther beim Innenministerium an, ob es zutreffe, dass zwei Ermittlungsbeamte die Ermittlungsgruppe verlassen mussten und ob dies „in einem Zusammenhang mit Ermittlungshandlungen der Beamten in diesem Verfahren“ stehe. Das Innenministerium verweigert eine Antwort (Drs. 17/1162). Innenminister ist Klaus Schlie (CDU) – heute im Kompetenzteam des Albig-Herausforderers Günther (CDU) wieder als künftiger Innenminister vorgesehen. Eine weitere Frage (Drs. 17/1259) zieht Fürther aus unbekannten Gründen zurück.

9. Am 13.1.2011 begibt sich der Kriminalbeamte Hilker wegen der Sache in ärztliche Behandlung und meldet sich krank. Am 28.2.2011 übergibt Hilker dem Arbeitskreis Mobbing der Landespolizei eine Akte über den Vorgang und schreibt, er hoffe, dass er durch Einschaltung dieses Gremiums „den Glauben an eine gerechte und rechtsstaatliche Polizei wiedererlange“. Er beschwert sich u.a. massiv über die Vorgehensweise des damaligen leitenden Kriminaldirektors im LKA Ralf Höhs (heute Landespolizeidirektor) im Umgang mit der Kritik der Ermittler. Am 28.4.2011 kündigt Höhs als Dienstvorgesetzter von Hilker an, er werde die Überprüfung dessen Dienstfähigkeit beantragen, und tut dies tatsächlich. Der Antrag wird vom Landespolizeiamt allerdings ausgesetzt, wo kritisiert wird, dass Höhs den Antrag stellt, obwohl er selbst Gegenstand der Mobbingvorwürfe des Hilker ist. Am 27.5.2011 legt Höhs nach und schreibt dem Landespolizeiamt nun, eine akute Eigengefährdung des Hilker sei nicht auszuschließen (Suizidgefahr). Am 7.6.2011 erklärt ein Betriebsarzt nach Untersuchung jedoch, er sehe keine Selbst- oder Fremdgefährdung durch Hilker. Später verlässt Hilker das LKA und wechselt zur Polizeidirektion Kiel.

10. Ermittler Hilker lässt am 2.5.2011 Strafanzeige und Dienstaufsichtsbeschwerde gegen seine damaligen Vorgesetzten wegen der Unterdrückung der entlastenden Aussage erstatten. Er beauftragt mit Prof. Dr. Michael Gubitz einen Kieler Rechtsanwalt, der in anderen Verfahren Rocker verteidigte. Das LKA befürchtet wegen Weitergabe eines vertraulichen Vermerks in diesem Kontext eine Gefahr für den Informanten, sichtet in Abwesenheit der Ermittler deren Büros und befragt Kollegen über sie. Es verweigert Rohs später Einsicht in den Vorgang, jedoch bekommt er über das Datenschutzzentrum rudimentäre Informationen. Eine Klage auf Akteneinsicht (Az. 3 A 49/13) bleibt erfolglos.

11. Am 16.9.2011 verfügt der LKA-Direktor Rogge nach Rücksprache mit den Leiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums, Herrn Muhlack, Verwaltungsermittlungen gegen die Vorgesetzten wegen der Dienstaufsichtsbeschwerde des Hilker und beauftragt Beamte aus Mecklenburg-Vorpommern damit. Diese finden jedoch “keine Anhaltspunkte für Dienstvergehen”. Die Begründung wird geheim gehalten. Auch die Strafanzeige führt zu nichts. Die Staatsanwaltschaft verweigert eine Einsichtnahme in ihre Akte. Heute soll sie bereits geschreddert worden sein.

12. Der von Ermittler Hilker angerufene Mobbingausschuss bleibt lange untätig und begründet dies mit der laufenden straf- und dienstrechtlichen Prüfung. In einem Bericht von Beauftragten des Mobbing-Ausschusses vom 22. Januar 2013 heißt es dann aber: “Die dem Gremium zugänglichen Informationen aus der Akte ,Mobbingverdachtsfall H.’ und den durchgeführten Gesprächen stimmten in vielen Teilen überein, so dass ein Fehlverhalten der beschuldigten Personen (PR E. und KD Höhs) möglich erscheint. Einige der geschilderten Handlungen wären, für sich betrachtet, durchaus als Mobbing zu bewerten.” Das Gremium regte in seiner Beurteilung an, “auf geeigneter Ebene eine dienstrechtliche Untersuchung des Führungsverhaltens, insbesondere in Bezug auf den Mobbingverdacht, auch im Interesse der Beschuldigten durchzuführen.” Da einer der Beschuldigten LKA-Vize sei, gemeint war Höhs, sei eine “Überprüfung auf höherer Ebene (Innenministerium) sinnvoll”.

Mitte 2013 dann fertigen die Beauftragten des Mobbing-Ausschusses (darunter eine Psychologin und eine Polizeiseelsorgerin) einen dreiseitigen Vermerk, der dem Innenministerium vorliegen soll. [Laut Staatssekretärin übersandte der Arbeitskreisvorsitzende und Landespolizeidirektor Hamm im April 2013 eine Zusammenfassung von Gesprächen und Eindrücken einzelner Mitglieder des AK Mobbing an den Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium Muhlack. Es soll sich um einen einen Zwischenbericht, einen Extrakt und die Ankündigung eines Ergebnisberichtes gehandelt haben.] Mehrere Kollegen von Rohs und Hilker erklärten danach anonym, sie spielten mit dem Gedanken Höhs zu erschießen; sie verstünden jetzt die Mechanismen des Dritten Reiches; sie seien ebenfalls gemobbt und von ihren Arbeitsbereichen entfernt worden.

13. Nach Vorlage dieses Berichts wird der Fall im Oktober 2013 seitens des Innenministeriums dem Mobbing-Ausschuss entzogen. Zur Begründung wird die Klage des Rohs auf Akteneinsicht in das “Gefahrermittlungsverfahren” genannt. Nach Erhebung einer Klage seien “verwaltungsinterne Verfahren und Gremien nicht mehr zugänglich”. Zuvor hatte ein Gespräch des Leiters der Polizeiabteilung im Innenministerium Muhlack mit dem Arbeitskreis Mobbing sowie den Leitungen des Landeskriminalamtes und des Landespolizeiamtes stattgefunden, auf dem sich der damalige LKA-Vize Höhs ausführlich gerechtfertigt haben soll.

14. Ermittler Roos verklagt das Land wegen Mobbing, jedoch erfolglos. Die Klage wird vom Leiter des Rechtsreferats der Polizeiabteilung des Innenministeriums bearbeitet, obwohl diesem selbst das Verfassen einer irreführenden Sperrerklärung vorgeworfen wird.

15. Eine Klage des Hilker auf Schadenersatz wegen einer bislang nicht erfolgten Beförderung zum Kriminalhauptkommissar bleibt ohne Erfolg.

16. Herr Höhs wird vom SPD-Innenminister Breitner Ende 2013 an die Spitze des Landespolizeiamts befördert, obwohl das Innenministerium die Vorwürfe seiner Beamte gegen ihn kennt. Breitner sagt öffentlich, Herr Höhs gehöre zu den herausragenden Führungspersönlichkeiten innerhalb der Landespolizei, habe sich „in zahlreichen Leitungsfunktionen umfassend bewährt“ und „sein ständiger Einsatz gelte einer modernen und qualitätsorientierten Polizeiarbeit“.

17. Die neu bestellte Polizeibeauftragte des Landes El Samadoni (SPD) prüft den Sachverhalt gegenwärtig.

Breyer zur Bewertung des Vorgangs

“In dem Ermittlungsverfahren dürften tatsächlich entlastende Erkenntnisse zugunsten zweier Beschuldigter vorsätzlich unterdrückt worden sein, um eine unzulässige Verschwiegenheitszusage gegenüber einem mutmaßlichen Straftäter einzuhalten. Das dürfte illegal und rechtsstaatswidrig gewesen sein. Selbst wenn sich der Informant mit seiner Aussage gefährdete, hätte diese in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren zum Schutz Unschuldiger vollständig aufgenommen werden müssen.

Die Sperrerklärung aus dem Innenministerium dürfte das Gericht in die Irre geführt haben. Die vollständige Aussage des Informanten wurde dem Strafgericht so nie bekannt.

Wenngleich die Beschuldigten letztlich auch ohne die volle entlastende Aussage aus der U-Haft entlassen und freigesprochen worden sind, grenzt das Vorgehen des LKA an eine Verfolgung Unschuldiger. Möglicherweise wäre in Kenntnis der vollen Aussage ein Haftbefehl schneller und vollständig aufgehoben (statt nur unter Auflagen ausgesetzt) worden.

Vor allem lässt diese Vorgehensweise für andere Verfahren befürchten, dass zum Schutz eigener Quellen entlastende Erkenntnisse unzulässigerweise unterdrückt werden könnten, selbst wenn es sich bei den Quellen um rechtlich nicht geschützte mutmaßliche Straftäter handelt. Dies erschüttert in der Tat das Vertrauen in eine ‘gerechte und rechtsstaatliche Polizei’.

Eines muss ganz klar sein: Wer selbst dienstrechtlichen Vorwürfen eines Beamten ausgesetzt ist, darf bis zur Klärung außerdem nicht gegen diesen tätig werden und muss die Sache seinem Vertreter überlassen. Wenn sich das nicht schon aus dem Gesetz ergibt, müsste es zumindest durch Verwaltungsanweisung so geregelt werden, denn hier ist Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung angezeigt.”

Auszüge aus bisher unveröffentlichten Gerichtsurteilen

“Der Kläger trägt vor, in dem entsprechenden Ermittlungsverfahren seien entlastende Erkenntnisse zugunsten eines damals in Untersuchungshaft sitzenden Beschuldigten vorsätzlich unterdrückt worden. Er, der Kläger, sowie sein Kollege seien angehalten worden, wahrheitswidrige Vermerke anzufertigen. Es sei auf ihn als verantwortlichen Ermittler massiver Druck ausgeübt worden. Ein wahrheitsgemäßer Aktenvermerk über die Entlastung des damals in Untersuchungshaft sitzenden Beschuldigten sei nach einem vierstündigen Gespräch aus den Akten entfernt worden.”

“Der Kläger und Herr H. vertraten den Standpunkt, dass bestimmte Informationen für einen in Untersuchungshaft sitzenden Beschuldigten entlastend sein könnten und in die Akte aufgenommen werden müssten. Die mit der Problematik befassten Vorgesetzten hielten die Informationen für vertraulich und entschieden anders, als dies der Kläger und sein Kollege H. für richtig hielten. Eine Remonstration führte nicht weiter.”

“Der in der Anlage K 5 enthaltene Gesprächsvermerk des KHK S. vom 17.07.2010 mache deutlich, dass der Hinweisgeber im sogenannten keine Vertrauensperson der Polizei, sondern ein Tatbeteiligter gewesen sei.”

Dokumente

Anfragen des Abg. Fürther von 2011:
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/drucks/1100/drucksache-17-1162.pdf
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/drucks/1200/drucksache-17-1259.pdf

Urteil des Verwaltungsgerichts von 2013 und Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts von 2014

Urteil des Verwaltungsgerichts von 2014

Anfragen des Abg. Breyer von 2017 [1, 2]:
http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2017/06/drucksache-18-5410.pdf
http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2017/06/drucksache-18-5411.pdf

Grafik von RebeccaBarray, Lizenz: Attribution-NonCommercial-ShareAlike License

Ergänzung vom 05.05.2017:

Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag berichtet heute: “Rechtsanwalt Michael Gubitz, der einen der Kriminalbeamten vertritt, bestätigte gestern auf Nachfrage die Vorwürfe, die Breyer öffentlich gemacht hat.”

Ergänzung vom 07.05.2017:

Ich habe heute eine Sondersitzung des Innenausschusses zur Aufklärung des Vorfalls beantragt.

http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2017/05/Patrick-Breyer_Berichtsantrag-LKA.pdf

Ergänzung vom 12.05.2017:

Den Bericht des Vorfalls oben habe ich um einige Details präzisiert.

Die Polizeibeauftragte des Landes bestätigt heute die Beschwerden von zwei Kriminalbeamten und fordert eine Stellungnahme des Innenministeriums.

Die Kieler Nachrichten berichten heute ausführlich.

Die Vorsitzenden des Whistleblower-Netzwerk e.V., Annegret Falter, hat folgende Bewertung abgegeben:

Wenn zwei erfahrene Polizeibeamte eine andere Rechtsauffassung vertreten als ihre Vorgesetzten und aus Gewissensgründen auf ihr beharren, so darf dies nicht zu disziplinarischen Maßnahmen oder gar zum Versuch ihrer Psychiatrisierung führen. Das ist ein Relikt verhängnisvollen obrigkeitsstaatlichen Denkens in deutschen Amtsstuben.
Und wenn massive Mobbingvorwürfe gegen Vorgesetzte beim LKA vom Innenministerium unter den Teppich gekehrt werden, spricht das dem Gedanken der Mobbing-Prävention und -Intervention in Behörden Hohn.

Weiter offen ist, ob eine andere Fraktion den Antrag der PIRATEN auf eine Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses des Landtags unterstützt. Eine Sondersitzung kann nur von mindestens zwei Fraktionen verlangt werden.

Ergänzung vom 17.05.2017:

Rechtsanwalt Marquort, der einen Angeklagten im Subway-Verfahren vertreten hatte, hat sich ausführlich zu den von mir veröffentlichten Vorwürfen geäußert und veröffentlicht neue Belege.

Auf der Internetseite der Kieler Nachrichten heißt es heute:

“Abschließend bleibt wiedermal die Frage, welche Rolle spielen eigentlich die Grauen Eminenzen in der Polizeiabteilung des Innenministeriums.

Eine Gute Frage, vermutlich wird die aber dieses Mal beantwortet werden können. Und zwar durch die noch nicht manipulierten und geschredderten Beweismittel. Dies gilt sowohl für die Sachverhalte in der PD AFB, als auch für die Vorfälle im LKA, bzw. LPA.

Es bleibt also spannend im echten Norden, den diese Beweismittel werden nicht mehr lange auf sich warten lassen.”

Einordnen kann ich die Aussage nicht, aber ich bin gespannt.

Ergänzung vom 18.05.2017:

Sachverhaltsdarstellung oben überarbeitet.

Ergänzung vom 23.05.2017:

Die Kieler Nachrichten berichten über einen Gesprächsvermerk, der den Vorwurf der gezielten Aktenmanipulation stützt (nähere Informationen in der Printausgabe von heute).

Dazu die Pressemitteilung “Vorwurf der Beweismittelunterdrückung durch das LKA endlich aufklären!“.

In die Sachverhaltsschilderung oben habe ich von Rechtsanwalt Marquort veröffentlichte Dokumente eingebunden.

Ergänzung vom 24.05.2017:

Gestern abend zeigte das Schleswig-Holstein Magazin einen ausführlichen Beitrag mit O-Tönen.

Heute berichtet die Printausgabe der Kieler Nachrichten ausführlich, die Onlineausgabe kurz: Nach Informationen der Kieler Nachrichten sei am Dienstag bei der Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig Strafanzeige gegen den Landespolizeidirektor Ralf Höhs gestellt worden. Justizkreisen zufolge werde geprüft, ob ein Anfangsverdacht besteht. SPD, FDP und Grüne fordern “unverzügliche Aufklärung”, unterstützen bislang aber nicht den Antrag der Piraten auf eine Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses. Ex-Innenminister Schlie fordert das Innenministerium zur Aufklärung auf. Für heute kündigte das Ministerium eine Stellungnahme an.

Rechtsanwalt Marquort bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft den ihr übergebenen Vermerk des Ermittlers zur Akte genommen hat. Dieser ist jedoch ebenso kurz und wenig aussagekräftig wie der Vermerk des VP-Führers; die Details der Aussage wurden unter Verschluss gehalten.

Die Kieler Nachrichten berichten am Abend über eine nichtssagende Stellungnahme des Innenministeriums und den Inhalt der Strafanzeige.

Ergänzung vom 26.05.2017:

Die Kieler Nachrichten berichten heute online kurz und in Print ausführlich, die Landespolizei habe eigene Beamte der Soko Rocker auf der Suche nach einer undichten Stelle überwacht und abgehört (jetzt auch online ausführlich).

Dazu meine Stellungnahme: Führung durch Erschrecken in der Landespolizei? Schweigen jetzt brechen

Der Generalstaatsanwalt hat die Strafanzeige gegen Höhs und andere wegen des Verdachts der Beweismittelunterdrückung an die Lübecker Staatsanwaltschaft abgegeben.

Ergänzung vom 27.05.2017:

Die Kieler Nachrichten berichten, nach dem Willen der übrigen Fraktionen solle sich der Innen- und Rechtsausschuss am Mittwoch, den 7. Juni mit den Vorwürfen befassen – die frühestmögliche Sitzung ohne uns PIRATEN. Damit wird die Aufklärung seit Bekanntwerden über einen Monat lang verschleppt.

Ergänzung vom 30.05.2017:

Erstmals äußern sich die Polizeigewerkschaften, u.a. der Bund der Kriminalbeamte, die GdP. Der DPolG-Vorsitzende sagte den Kieler Nachrichten, falls sich die Vorwürfe gegen Höhs bestätigten, sei er als Landespolizeidirektor nicht haltbar.

NDR Info zitiert aus den Abschlussberichten der disziplinarischen und strafrechtlichen Untersuchungen.

Der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium Jörg Muhlack weist die Vorwürfe schriftlich zurück und behauptet im NDR Fernsehen wahrheitswidrig, alle bekannten Informationen seien ohne Zeitverzug in das Strafverfahren eingebracht worden.

Mein Kommentar: “Untersuchungsergebnisse müssen jetzt auf den Tisch!”

Treffender Kommentar der Kieler Nachrichten

Ergänzung vom 01.06.2017:

Nach den Rechtfertigungsversuchen des Leiters der Polizeiabteilung im Innenministerium per Pressemitteilung und Landeszeitung bleiben folgende offene Fragen und Ungereimtheiten bezüglich der Vorwürfe von Aussageunterdrückung und Mobbing in der „Soko Rocker“:

1. Stimmt die Darstellung der geschassten Ermittler, der Quelle des entlastenden Hinweises bezüglich des Untersuchungsgefangenen sei nie Vertraulichkeit zugesichert worden und es habe sich nicht um eine Vertrauensperson der Polizei gehandelt? (Die Identität von Informanten darf in Strafverfahren nur geheim gehalten werden, wenn ihnen Vertraulichkeit zugesichert worden ist. Es gab dazu eine eindeutige Richtlinie, nämlich der Gemeinsame Erlass des Ministeriums für Justiz, Arbeit und Europa und des Innenministeriums vom 19. September 2008. Wegen der Geheimhaltung seiner Identität konnte der Hinweisgeber nicht weiter vernommen werden.)

2. Herr Muhlack behauptet: „Alle Erkenntnisse sind direkt an die Staatsanwaltschaft gegangen. Das soll mündlich erfolgt sein – und der Staatsanwalt reagierte sofort. Er soll das Gericht angeschrieben und eine Haftverschonung angeregt haben.“

a) Wann soll Haftverschonung angeregt worden sein und mit welcher Begründung? (Nach meinen Informationen soll Haftverschonung aus ganz anderen Gründen – nämlich auf Verlangen des Verteidigers wegen Nichtgewährung von Akteneinsicht – gewährt worden und der Haftrichter nicht über die vollständige entlastende Aussage in Kenntnis gesetzt worden sein.)

b) Stimmt die Darstellung der geschassten Ermittler, die entlastende Aussage sei Kollegen schon mindestens zwei Wochen zuvor bekannt gewesen, als sie davon erfuhren und eine Information der Staatsanwaltschaft erreichten? (wochenlange Zurückhaltung des Hinweises)

c) Ist eine nur mündliche Information der Staatsanwaltschaft rechtmäßig, obwohl nur eine Verschriftlichung der vollständigen Aussage gewährleistet, dass der Haftrichter, das Strafgericht und die Verteidigung davon vollständige Kenntnis bekommen und ihr nachgehen können?

3. Die beiden Ermittlungsführer sollen laut Muhlack entgegen einer Weisung ihrer Vorgesetzten dem bereits informierten Staatsanwalt einen schriftlichen Vermerk über die Aussage übergeben haben. (Den Ermittlern zufolge habe ihr Vorgesetzter gemeinsam mit einem von ihnen am 8.7.2010 den Vermerk übergeben und die Auffassung vertreten, der Hinweis müsse schriftlich dokumentiert werden.)

Stimmt die Darstellung der geschassten Ermittler, der Staatsanwalt habe bei dieser Gelegenheit zu verstehen gegeben, er sei über die genauen Hintergründe und Inhalte des Hinweises nicht vollständig und wahrheitsgemäß unterrichtet gewesen?

4. Stimmt die Darstellung der geschassten Ermittlungsführer, der VP-Führer habe mit Datum vom 19.07.2010 einen in zwei Punkten wahrheitswidrigen Vermerk über den Hinweis zur Akte gegeben und die Vorgesetzten hätten ihnen eine Richtigstellung verboten? Der Hinweis soll Zeugen zufolge mindestens zwei Wochen früher als vermerkt gegeben worden sein. Und auch die Angabe, eine weitere Konkretisierung der Aussage sei nicht möglich, soll nicht der Wahrheit entsprechen. (Der Schutz etwaiger Vertrauenspersonen rechtfertigt in keinem Fall die Dokumentation von Falschinformationen.)

5. Wurde die entlastende Aussage, ein anderer Beschuldigter als der Untersuchungsgefangene – der später verurteilte Peter B. – habe nicht zugestochen, in der Akte vermerkt? (Nach Darstellung der Ermittlungsführer soll auch B. durch einen Hinweis entlastet worden sein, ihnen jedoch verboten worden sein dies festzuhalten.)

6. Stimmt die Darstellung der Ermittlungsführer, die Sperrerklärung des Innenministeriums für „die in der Verfahrensakte anonyme Quelle“ habe das Strafgericht in die Irre geführt, weil es mehrere anonyme Quellen gegeben habe und die oben genannte keinen VP-Status gehabt und deswegen auch keine Sperrung gerechtfertigt habe?

7. Warum wird der interne Untersuchungsbericht des LKA Mecklenburg-Vorpommern, der auf die Beschwerde eines Ermittlungsführers gegen seine Vorgesetzten angefertigt wurde, den Ermittlern, dem Parlament, der Polizeibeauftragten und der Mobbingkommission vorenthalten, während NDR Info daraus zitiert?

8. Hat das LKA ein hochrangiges Mitglied der Bandidos Neumünster als V-Mann geführt, obwohl dies das angestrebte Verbot dieser Organisation von Rechts wegen ausschloss?

9. Welche Gegenleistung an V-Leute aus Rocker- oder rechtsextremen Kreise ist geflossen? Informationen? Geld in welcher Höhe?

10. Welcher der Ermittlungsführer soll die Soko Rocker „freiwillig“ verlassen haben? (Nach Darstellung der Ermittlungsführer hat keiner von ihnen einer Umsetzung zugestimmt.)

11. Warum wird der dreiseitige Zwischenbericht der Unterarbeitsgruppe Mobbing von 2013, demzufolge auch mehrere Kollegen der Ermittlungsführer Mobbing und die Entfernung aus ihren Arbeitsbereichen durch Herrn Höhs beklagten und dessen Führungsstil mit „Mechanismen des Dritten Reiches“ verglichen haben sollen, den Ermittlern, dem Parlament, der Polizeibeauftragten und der Mobbingkommission vorenthalten?

12. Warum wird die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft Kiel, die keinen Verdacht einer Straftat gesehen hat, dem Anzeigeerstatter, dem Parlament, der Polizeibeauftragten und der Mobbingkommission vorenthalten, während NDR Info daraus zitiert?

Weitere Vorwürfe stehen bisher unwidersprochen im Raum:

  • Das Innenministerium habe dem Mobbingausschuss den Fall nach der Strafanzeige eines Ermittlers und einer Klage auf Informationszugang entzogen, obwohl in der einschlägigen Dienstvereinbarung keine Rede davon ist, dass dies die Zuständigkeit des Ausschusses ausschließt. 2014 wurde dann der Mobbingausschuss insgesamt aufgelöst.
  • Herr Höhs soll hartnäckig die Überprüfung der Dienstfähigkeit eines der Ermittler wegen “Eigen- und Fremdgefährdung” betrieben haben, ohne dass dazu Veranlassung bestanden habe und obwohl er selbst Gegenstand von Mobbingvorwürfen des Betroffenen gewesen sei.
  • Herr Höhs soll sowohl im oben genannten Fall als auch auf der Suche nach einer vermeintlichen undichten Stelle zu Unrecht beschuldigte Beamte unter dem Deckmantel der „Fürsorge“ aus ihren Arbeitsbereichen entfernt und sinngemäß Aussagen getätigt haben wie „Ich bestimme Lebensläufe“ oder „Egal, was dabei heraus kommt, wird diese Person hier keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen“.
  • Vor der Ernennung von Herrn Höhs zum Landespolizeidirektor sei der damalige Innenminister Breitner vom Leiter der Polizeiabteilung Herrn Muhlack nicht über die Mobbingvorwürfe gegen Herrn Höhs informiert worden.

Ergänzung vom 06.06.2017:

Über einen Monat nach unserer Enthüllung muss die Landesregierung morgen ab 14 Uhr vor dem Innen- und Rechtsausschuss Stellung nehmen. Berichten werden Vertreter von Innenministerium, Justizministerium und die Polizeibeauftragte. Die Sitzung kann auch per Stream mitgehört werden. Ich werde als Zuhörer teilnehmen.

Ergänzung vom 07.06.2017:

Die Kieler Nachrichten berichten, dass das LKA auch eine Aussage zugunsten eines weiteren Beschuldigten – des später verurteilten Peter B. – unterdrückt haben soll (siehe oben, Kurzbericht online). Der Staatsanwalt habe vor Gericht “schwere Ermittlungsfehler” gerügt; wichtige Hinweise seien von der Polizei nicht hinreichend dokumentiert worden.

Außerdem ist ein Erlass des Innenministeriums vom 01.06.2017 bekannt geworden, der die Aufklärungsmöglichkeiten der Polizeibeauftragten massiv einschränkt. Mein Kommentar in der Pressemitteilung LKA-Affäre: Regierung täuscht und behindert Aufklärung.

Ergänzung vom 08.06.2017:

Aufzeichnung der gestrigen Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses siehe unten (Beginn aus technischen Gründen abgeschnitten), Wortprotokoll hier. In der Sitzung wurden bisher nicht veröffentlichte Dokumente angesprochen: eine “Qualitätsrichtlinie” zu Aussagen von V-Personen, ein Grunderlass von Justiz- und Innenministerium zu V-Personen und zwei Richtlinien/Grundsätze dazu. Die Innenstaatssekretärin meinte, “nicht jedes Detail der verdeckten Informationserhebung” habe Ermittlern und Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden müssen. Es gelte der Grundsatz: “So viel Information wie nötig, so wenig Information wie möglich.” Es gebe “keine Defizite in Zusammen-
arbeit, Führungsverhalten oder Arbeitsklima in diesem Bereich”. Der Leiter der Polizeiabteilung behauptete: “Die Hinweise, die wir aus dem verdeckten Bereich hatten und die gekommen sind, sind in unmittelbarer und aus meiner Sicht vollständiger Art und Weise mit der Staatsanwaltschaft ausgetauscht worden.”

Hintergrundbeitrag des NDR-Fernsehens (Schleswig-Holstein Magazin): Nach einem Polizeidokument sei der Informant selbst beschuldigt worden, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Das Bekanntwerden eines Informanten in der Spitze der Bandidos hätte das vom Innenministerium verhängte und angefochtene Vereinsverbot gefährdet.

Kieler Nachrichten: Aussage zu Neonazi wurde nie geprüft

SHZ: Ministerium weist Vorwürfe zurück

SPD: Akteneinsicht soll Klarheit bringen

Mein Statement zur gestrigen Ausschusssitzung: “Das Innenministerium versucht weiter die Öffentlichkeit zu täuschen und die massiven Vorwürfe wegzureden, ohne zu ihnen Stellung zu beziehen. Es schweigt zum Kernvorwurf der geschassten Ermittler, die entlastenden Aussagen hätten nicht geheim halten werden dürfen, weil der Informant keinen V-Person-Status gehabt habe und selbst tatverdächtig gewesen sei. Es zitiert aus internen Untersuchungsberichten, deren Vorlage es aber beharrlich verweigert. Es behindert nach Kräften unabhängige Untersuchungen des Sachverhalts durch Arbeitskreis Mobbing und Polizeibeauftragte. Heute wurde deutlich: Polizeiführung und Innenministerium werden das Problem nicht aufarbeiten, sie sind das Problem und zutiefst in den Fall verstrickt.”

Ergänzung vom 09.06.2017:

Die Dienstvereinbarung Mobbing wurde 2014 aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt, nach der es keinen Arbeitskreis Mobbing mehr gibt.

Ergänzung vom 13.06.2017:

Die Kieler Nachrichten berichten: SPD will vertrauliche Akten einsehen. Mit einem sogenannten Aktenvorlagebegehren des Parlaments soll die Polizeiabteilung des Innenministeriums und das Landespolizeiamt verpflichtet werden, den Mitgliedern des Innen- und Rechtsausschusses Einblick in eine Reihe bisher vom Innenministerium geheim gehaltener Dokumente zu geben, darunter interne Untersuchungsberichte, brisante Papiere des Arbeitskreises Mobbing und Unterlagen zum fraglichen VP-Status des Informanten.

Die Printausgabe berichtet, die Lübecker Staatsanwaltschaft habe im Zuge ihrer Prüfung “sämtliche Akten” angefordert. Dies sei untypisch in einem Vorprüfungsverfahren.

Die Polizeibeauftragte befasst sich mit weiteren Vorwürfen gegen das LKA.

Nach Recherchen der Kieler Nachrichten wurden die Ermittlungen gegen den damaligen Präsidenten der Bandidos Neumünster eingestellt, obwohl Mobilfunk-Daten ihn genauso belasteten wie die später angeklagten Rocker.

Ergänzung vom 15.06.2017:

Zu der gestrigen Pressemitteilung von Burkhard Peters (Grüne) zum Polizeibeauftragten-Erlass des Innenministeriums hatte ich mich bereits geäußert.

Zu der gestrigen Berichterstattung der Kieler Nachrichten, die Ermittlungen gegen den damaligen Präsidenten der Bandidos Neumünster seien trotz belastender Mobilfunk-Daten eingestellt worden, meine ich: Diese Entscheidung dürfte nachvollziehbar sein, weil die Position seines Handys für sich alleine für eine Anklage nicht ausreichte.

In seiner heutigen Pressemitteilung erklärt Dr. Kai Dolgner (SPD), sollte Ralf B. nicht der Informant gewesen sein, ließen sich die Fragen “schnell und gut erledigen.” Ich bin anderer Meinung: Die erste Frage, ob Aussagen einer Nicht-Vertrauensperson illegal zurückgehalten wurden, stellt sich auch, wenn ein anderer als Ralf B. Informant war. Und auch die Frage nach der Gefährdung des Verbotsverfahrens stellt sich ebenso, wenn Informant ein anderes hochrangiges Bandidos-Mitglied als Ralf B. gewesen sein sollte. Auch Dolgners These, dass Innenministerium und LKA die Diskussion durch eine Erklärung “beenden” könnten, teile ich nicht: Wenn der Rechtsverstoß eingestanden wird, müssen umfangreiche strukturelle und personelle Konsequenzen folgen und die geschassten Ermittlungsführer rehabilitiert werden.

Ergänzung vom 16.06.2017:

Die Kieler Nachrichten berichten: Seit Anfang April werde aufgrund eines Erlasses die Internetnutzung von Polizeibeschäftigten verdachtslos protokolliert und drei Monate lang aufbewahrt – auch die erlaubte private Internetnutzung (siehe dagegen die geltende Richtlinie zur Nutzung von Internet und E-Mail). Auch seien mehrfach Büros in Augenschein genommen und Verbindungsdaten abgeglichen worden, um Beamte mit Kontakten zur Presse und zu Abgeordneten (von der LKA-Führung “singende Ratten” genannt) zu identifizieren. Ihnen wird die Verletzung von Dienstgeheimnissen vorgeworfen.

Aus Seite 11 ist ein hochbrisanter Hintergrundbericht über “Das Netzwerk der Polizeiführer veröffentlicht. Der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium Muhlack (“Es ist mir egal, wer unter mir Innenminister ist”), Landespolizeidirektor Höhs und LKA-Leiter Kramer seien persönlich langjährig miteinander befreundet. Muhlack (laut KN die “Schlüsselfigur” mit einer “dominanten Stellung”) habe Höhs und Kramer 2013 ins Amt gebracht und entscheide gern selbst, welche Informantionen er nach oben weiter gebe und welche nicht. Der Führungswechsel 2013 habe zu einem “Kahlschlag” auch in der zweiten und dritten Reihe geführt, um Getreue zu installieren. Dazu habe LKA-Leiter Kramer Mobbingvorwürfe gegen tadellose und tüchtige Beamte konstruiert. Gedeckt habe dies als Personalrat LKA-Vize Nietz (“gilt als Vertrauter der Führungsriege”), der auch BDK-Chef ist und die Polizeiführung in dieser Funktion vor einigen Tagen in Schutz genommen hat. Das Trio Muhlack-Höhs-Kramer habe ein Netzwerk aus Vertrauten und “Zuträgern” installiert. Gesprochen werde von einem “System Höhs” und einem “Klima der Angst” wegen ständiger Suche nach “singenden Ratten” in den eigenen Reihen. Ein Beamter schildert, Kritik führe zunächst zu Informationsentzug, dann zur “Wegbeförderung” oder gar dem Versuch der Erklärung als dienstunfähig unter dem Deckmantel der “Fürsorge”.

Zu allem meine Pressemitteilung “Auswüchse eines Machtsystems des Führens durch Erschrecken“.

Wortprotokoll des Berichts der Landesregierung zum LKA-Skandal vom 08.06.2017

Ergänzung vom 22.06.2017:

Gestern hat der Innen- und Rechtsausschuss ein Aktenvorlagebegehren der SPD zu den Vorwürfen für geheim erklärt und beschlossen (Protokoll). Die Landesregierung ist nun verpflichtet, die Abgeordneten Akten einsehen zu lassen. Aufzeichnung der Sitzung siehe unten. Mein Kommentar: Eine solche Nulltransparenz ist mir in fünf Jahren Mitgliedschaft im Innen- und Rechtsausschuss nicht bekannt geworden, offen gelegt wurde ein Vorlagebegehren z.B. hier. An der Bezeichnung der Akten, die angefordert werden sollen, ist nichts Vertrauliches. Die SPD hat offensichtlich ihre eigenen Gründe dafür, keine öffentliche Rechenschaft ablegen zu wollen. Ohne öffentliche Kontrolle ist eine vollständige Aufklärung der Vorwürfe in meinen Augen nicht gewährleistet. Meine Forderung daher: Das Aktenvorlagebegehren muss offengelegt werden. Und die vorgelegten Akten selbst dürfen nur insoweit für vertraulich erklärt werden wie es sich rechtmäßigerweise um Verschlusssachen handelt, nicht zum Schutz von Funktionsträgern vor berechtigter Kritik.

Die Kieler Staatsanwaltschaft verweigert unterdessen die Herausgabe des Urteils im sogenannten Subway-Strafverfahren, das im Mittelpunkt des aktuellen Skandals um Vorwürfe von Aussageunterdrückung und Mobbing im Landeskriminalamt steht. In ihrem abschlägigen Bescheid stellt sie sich auf den Standpunkt, ein berechtigtes Interesse an einer anonymisierten Urteilsabschrift sei “weder vorgetragen noch ersichtlich”. Mein Kommentar: Der von uns PIRATEN aufgedeckte LKA-Skandal erschüttert das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Landespolizei – und die Kieler Staatsanwaltschaft will kein berechtigtes Interesse an dem Urteil und der dort aufgeführten Beweislage erkennen? Ich werde notfalls vor Gericht ziehen, um eine anonymisierte Urteilsabschrift veröffentlichen zu können, denn nur Transparenz schafft Vertrauen. Die Gerichte haben längst klargestellt, dass Entscheidungen in anonymisierter Form der Öffentlichkeit ohne weiteres zur Verfügung zu stellen sind. Daran ist auch die Kieler Staatsanwaltschaft gebunden.

Ergänzung vom 03.07.2017:

Der neue Innenminister Grote (CDU) bezeichnet die Vorwürfe der Aktenmanipulation und des Mobbings beim Landeskriminalamt als Priorität Nummer 1.

In Reaktion auf den Erlass des Innenministeriums hat die Polizeibeauftragte eigene Verfahrenshinweise veröffentlicht, die die Vertraulichkeit von Hinweisen betonen. Wenn sie auf eigene Initiative tätig wird, könne sie auch Vorfälle aufgreifen, die länger als ein Jahr zurückliegen.

Ergänzung vom 16.07.2017:

Journalisten der Kieler Nachrichten, die über den von den PIRATEN aufgedeckten Skandal um Vorwürfe von Aussageunterdrückung und Mobbing im Landeskriminalamt berichteten, melden Hinweise auf einen Peilsender an ihrem Dienstwagen und ein versuchtes Eindringen in ein E-Mail-Konto.[1] [2] Dazu auch die Berichte “Ein Funksignal wirft viele Fragen auf“, “SPD warnt vor Rechtsmissbrauch” und “Ein schwerer Verdacht“. Gegenüber den Lübecker Nachrichten nennt ein Sprecher der Landespolizei den Verdacht “Schwachsinn“.

Meine Pressemitteilung zum LKA-Skandal: PIRATEN begrüßen Erlass-Rücknahme und fordern Aufklärung des Verdachts der Journalistenüberwachung

Ergänzung vom 17.07.2017:

Innenminister und Polizeiführung haben heute den Verdacht der Überwachung von Journalisten, die im LKA-Skandal recherchieren, in einer Pressekonferenz zurückgewiesen.

Mein Kommentar: “Soll das selektive Zurückweisen nur einzelner Vorwürfe vom Kern der Sache ablenken?

Bezüglich der Journalisten wurde zwar der Verdacht einer polizeilichen Ortung oder des Eindringens in ein E-Mail-Konto zurückgewiesen. Aber ob in der Vergangenheit auf der Suche nach Whistleblowern in den eigenen Reihen zumindest als ‘Beifang’ auch Kommunikation mit Journalisten überwacht wurde oder Verbindungen zu ihnen überprüft worden sind, bleibt unbeantwortet.

Bezüglich der eigentlichen Vorwürfe von Aussageunterdrückung und Mobbing im Landeskriminalamt wird lediglich eine erneute Untersuchung angekündigt. Wenngleich das überfällig ist: Bevor neue Untersuchungen eingeleitet werden, sollten doch die Ergebnisse der bisherigen auf den Tisch. Was steht wirklich in den Berichten von Mobbing-Ermittlern, Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern? Das Innenministerium muss seinen Giftschrank öffnen und zu den unzähligen Ungereimtheiten Stellung beziehen! Unglaublich, dass der neue Innenminister der Polizeiführung in dieser Situation sein ‘vollstes Vertrauen’ ausspricht. An den strukturellen und personellen Ursachen des Führens durch Erschrecken vermag ein Herumdoktern an Symptomen ohnehin nichts zu ändern.”

Ergänzung vom 18.07.2017:

Die vom Innen- und Rechtsausschuss beantragte Akteneinsicht soll erst Ende August gewährt werden, schreibt das Innenministerium.

Ergänzung vom 19.07.2017:

Die Lübecker Staatsanwaltschaft hat sich gestern zum Stand ihrer Ermittlungen geäußert. Aus dem Fragenkatalog der Kieler Nachrichten an das Innenministerium, den Ex-Innenminister Studt (SPD) absurderweise zur strafrechtlichen Prüfung übersandt hatte, ergebe sich kein Verdacht einer Straftat. Wegen des Verdachts einer Peilung des Fahrzeugs des Chefredakteurs und eines Eindringens in einen E-Mail-Account eines Journalisten der Kieler Nachrichten hat die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Zum Stand der Prüfung der Strafanzeige wegen des Vorwurfs der Aussageunterdrückung äußert sich die Staatsanwaltschaft nicht.

Der ehemalige Präsident der Bandidos Neumünster, Ralf B., bestreitet gestern im SHZ-Interview Meldungen von Kieler Nachrichten und NDR, er sei der Informant des Landeskriminalamts gewesen.

Die Kieler Nachrichten melden heute, dass mehrere Personen das Unabhängige Landesdatenschutzzentrum gebeten hätten, datenschutzrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Abhöraktionen und Überwachung der Polizei zu prüfen und zu bewerten. Auch die Polizeibeauftragte ermittele wegen des Verdachts von Beamten, von der eigenen Behörde abgehört worden zu sein.

Bereits am 10. Juli hat der NDR weitere Ungereimtheiten im LKA-Skandal aufgezeigt:

  • Im Anschluss an die Bluttat im Schnellrestaurant Subway sei die Wohnung des Präsidenten der Bandidos Neumünster Ralf B., die im Untergeschoss auch als Vereinsheim genutzt wurde, durchsucht worden. Auf dessen Wunsch habe man die Durchsuchung jedoch im Obergeschoss begonnen, damit seine schwer kranke Lebensgefährtin “zur Ruhe kommen” könne. Mit Rücksicht auf den weißen Teppich habe man sogar die Schuhe ausgezogen.
  • Die mit einer Digitalkamera aufgenommenen Fotos und Videos, die die Ermittler im Haus des Rocker-Chefs machten, seien nach der Hausdurchsuchung wieder gelöscht worden. Aktenkundig wird dies erst ein halbes Jahr nach der Durchsuchung: Alle Bilder und Videos seien zu dunkel geworden und deshalb nach der Durchsuchung gelöscht worden. Im Ermittlungsverfahren gegen Ralf B. wegen des Verdachts der Hehlerei wären die Bilder interessant gewesen. Der Kriminologe Prof. Feltes fordert ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterdrückung oder Vernichtung von Beweismitteln.
  • Trotz widersprüchlicher Zeugenaussagen zur Messerstecherei habe es keine konfrontative Befragung gegeben, um diesen Gegensatz aufzulösen.

In dem Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommern soll es heißen: “Der Hinweisgeber stand im Zentrum der vereinsrechtlichen Maßnahmen.” Das Innenministerium erklärt: Eine “strukturierte Zusammenarbeit” mit “Bandidos” habe es zum Zeitpunkt des Verbots nicht gegeben – was auch immer das heißt.

Hier der Videobeitrag im NDR Fernsehen

Ergänzung vom 21.07.2017:

Unter anderem die Lübecker Nachrichten veröffentlichen eine Zusammenfassung der Affäre (mit Statements von mir): “Belauscht die Polizei die Presse?

Ergänzung vom 28.07.2017:

In einem offenen Leserbrief, der von BDK und GdP veröffentlicht wurde, werfen Polizeibeamte den Kieler Nachrichten die Verbreitung von “fake news” vor, insbesondere bezüglich des Verdachts der Journalistenüberwachung. Auf den eigentlichen Vorwurf der Aussageunterdrückung und des Mobbings geht der Brief nicht ein. Bei den Unterzeichnern soll es sich überwiegend um Führungskräfte des Landeskriminalamtes und um Mitarbeiter der betroffenen Abteilungen 2 und 5 handeln. Initiator des Schreibens ist laut Kieler Nachrichten Rainer Bretsch, Leiter des auch für Rockerkriminalität zuständigen LKA-Dezernats Organisierte Kriminalität. Als Kriminaldirektor zähle er zum Führungskreis um LKA-Chef Thorsten Kramer und dessen Vize, Stephan Nietz.

Innenminister Grote (CDU) hat Ex-Innenminister und Rechtsanwalt Buß (SPD) als Sonderermittler mit der Aufklärung des LKA-Skandals beauftragt. Mit dem Abschlussbericht rechnet er in sechs Monaten. Buß wird mit den Worten zitiert: “Wir zwei Sozis tun es aber für das Land und für die Polizei.” Die Kieler Nachrichten vermuten, der SPD dürfte es jetzt schwerer fallen einen parlamentarischen (und öffentlichen) Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Meine Meinung: Vor der Einsetzung eines Sonderermittlers hätten erst einmal die Ergebnisse der bisherigen Ermittlungen von Mobbingkommission, Staatsanwaltschaft Kiel und Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern offengelegt werden sollen. Ob ein SPD-Mann und Ex-Innenminister als unabhängiger Aufklärer geeignet ist, ist fraglich. Vor allem ist die Transparenz dieser Aufklärung nicht gewährleistet: Die Veröffentlichung des Abschlussberichts und von Zwischenständen wurde nicht angekündigt. Der Sonderermittler mag dem Innenminister helfen sich einen Überblick zu verschaffen. Er gewährleistet aber keine öffentlich nachvollziehbare Aufklärung. Er ersetzt auch nicht die erforderlichen personellen und strukturellen Konsequenzen.

Ich habe dem Innenminister eine lange Liste der aus meiner Sicht offenen Fragen geschickt:

1. In dem Strafverfahren 593 Js 3921/10 wegen eines Überfalls von Rockern auf eine andere Rockergruppierung in einem Schnellrestaurant in Neumünster im Jahr 2010 erhielt das Landeskriminalamt den Hinweis, ein in Untersuchungshaft Beschuldigter habe sich zur Tatzeit nicht am Tatort aufgehalten und auch ein anderer Beschuldigter (Peter B.) sei zwar am Tatort gewesen, habe aber nicht zugestochen.

1.1 Stammte dieser Hinweis von einem Informanten oder einer V-Person, der Vertraulichkeit im Sinne der Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister zugesichert worden war?

1.2 Wenn ja, wer hatte wann diese Entscheidung getroffen und worauf bezog sie sich?

1.3 Ist die Zusicherung rechtmäßig erfolgt?

1.4 Ist es richtig, dass der VP-Führer dem Informanten Vertraulichkeit zugesagt habe, die dafür zuständigen Stellen (Abteilungsleiter usw.) dies aber ablehnten?

1.4.1 Wenn ja, war die Zusage der Vertraulichkeit gleichwohl wirksam?

1.4.2 Hätte sie widerrufen/zurückgenommen werden können und warum ist dies ggf. nicht geschehen?

1.4.3 Warum wurde der Schutz des Informanten nicht durch Aufnahme in ein Zeugenschutzprogramm gewährt?

1.4.4 Warum hatte das Handeln des VP-Führers keine dienstrechtlichen Konsequenzen?

1.5 Lag eine strafbare Tatbeteiligung des Informanten vor?

1.6 Wann, mit welchem genauen Inhalt und von wem ist die Aussage, der Untersuchungshäftling Nils H. sei erst nach der Tat am Tatort eingetroffen, der Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden? Wie viel Zeit verstrich seit Eingang des Hinweises, warum entstand dieser Verzug und wer war dafür verantwortlich?

1.6.1 Ist eine nur mündliche Information der Staatsanwaltschaft rechtmäßig, obwohl nur eine Verschriftlichung der vollständigen Aussage gewährleistet, dass der Haftrichter, das Strafgericht und die Verteidigung davon vollständige Kenntnis bekommen und ihr nachgehen können?

1.6.2 Wann hat die Staatsanwaltschaft Haftverschonung angeregt und mit welcher Begründung?

1.6.3 Ist dem Haftrichter die entlastende Aussage mitgeteilt worden?

1.7.1 Rechtfertigt es die Zusicherung der Vertraulichkeit wahrheitswidrige Informationen über den Sachverhalt in ein Strafverfahren einfließen zu lassen?

1.7.2 Entspricht der in der Verfahrensakte vermerkte Zeitpunkt, zu dem das Landeskriminalamt den Hinweis von der Quelle erhalten haben soll, der Wahrheit? (Laut Ermittlungsführern nein.)

1.7.3 Entspricht der Vermerk in der Akte, eine Konkretisierung des Hinweises sei nicht möglich gewesen, der Wahrheit oder waren tatsächlich nähere Angaben gemacht worden (z.B. wer in wessen Fahrzeug zum Tatort gefahren und von dort weggefahren sein soll)?

1.8.1 Warum wurde die entlastende Aussage, ein anderer Beschuldigter (Peter B.) sei zwar am Tatort gewesen, habe aber nicht zugestochen, nicht in der Akte vermerkt?

1.8.2 Ist diese Aussage der Staatsanwaltschaft mitgeteilt worden? Wann und von wem?

2.1 Bezog sich die später gegenüber dem zuständigen Strafgericht abgegebene Sperrerklärung des Innenministeriums für „die in der Verfahrensakte anonyme Quelle“ auf die oben genannte Quelle oder auf eine andere in der Verfahrensakte genannte anonyme Quelle?

2.2 Trifft es zu, dass es verschiedene in der Verfahrensakte genannte und nicht namentlich identifizierte Quellen gab?

2.3 Warum differenzierte die Sperrerklärung nicht zwischen den verschiedenen Quellen der Strafverfolgungsbehörden?

2.4 Kann die Landesregierung ausschließen, dass das Gericht oder Verfahrensbeteiligte durch die Formulierung der Sperrerklärung in die Irre geführt wurden?

3. Hatte die Polizei ein führendes Mitglied der Bandidos Neumünster als Informanten oder V-Mann?

3.1 Wer wusste davon (insbesondere: das Innenministerium?)?

3.2 War das Verbot der Organisation deswegen rechtswidrig?

3.3 Welche Gegenleistung an Informanten oder V-Leute aus Rockerkreisen ist geflossen? Informationen? Geld in welcher Höhe?

4. Gibt es eine „Qualitätsrichtlinie“ zu Aussagen von V-Personen? Warum werden die Regeln zum Umgang mit V-Personen nicht aus rechtsstaatlichen Gründen offengelegt?

5. Ein damals verantwortlicher Ermittlungsbeamter, der anders als seine Vorgesetzten die vollständige Aufnahme des entlastenden Hinweises in die Ermittlungsakte für geboten hielt, beklagte in der Folge gemobbt worden zu sein und schaltete den Mobbing-Ausschuss ein.

Ist es richtig, dass drei vom Mobbingausschuss beauftragte Personen („Unterarbeitsgruppe Mobbing“) Mitte 2013 einen dreiseitigen Bericht vorgelegt haben sollen, demzufolge mehrere Beamte Mobbing und die Entfernung aus ihren Arbeitsbereichen durch den damaligen leitenden Kriminaldirektor im LKA beklagten und dessen Führungsstil mit „Mechanismen des Dritten Reiches“ verglichen haben sollen?

Anmerkung: Wenn Vorwürfe gegen Vorgesetzte auf strukturelle Mängel hinweisen und das Argument widerlegen, es handele sich um Einzelfälle von persönlich „schwierigen“ Beamten, vermag der „Persönlichkeitsschutz“ der Vorgesetzten eine Geheimhaltung nicht zu rechtfertigen. Jedenfalls müsste eine Beantwortung ohne Benennung der Position und Person der Vorgesetzten möglich sein.

6. Mit welcher Begründung hat die Staatsanwaltschaft Kiel keine strafrechtlichen Ermittlungen aufgenommen? Mit welcher Begründung hat das LKA Mecklenburg-Vorpommern keine dienstrechtlichen Verfehlungen erkennen können? Warum werden die Erkenntnisse von Mitgliedern des Mobbingausschusses, die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft und der Abschlussbericht des LKA Mecklenburg-Vorpommern in Gänze dem damaligen Ermittlungsführer als Anzeigeerstatter, der Polizeibeauftragten, dem Parlament und der Öffentlichkeit vorenthalten, während Medien daraus zitieren?

Anmerkung: Die Identität des Informanten kann zu dessen Schutz geschwärzt werden. Ob überhaupt ein Informant in den Reihen der Bandidos geführt wurde, ist aber eine Frage, hinsichtlich derer das öffentliche Aufklärungsinteresse überwiegt (und ohnehin schon Gegenstand von Presseberichten).

7. Der damalige leitende Kriminaldirektor im LKA, dem der untergeordnete Ermittlungsbeamte Mobbing und Rechtsverstöße vorgeworfen hatte, ließ die psychische Dienstfähigkeit des erkrankten Ermittlungsbeamten überprüfen statt diese Entscheidung einer nicht involvierten Person (z.B. seinem Stellvertreter oder der höheren Ebene) zu überlassen.

Wird auch in anderen Bundesländern in persönlicher Betroffenheit kein Ausschlussgrund für Vorgesetzte gesehen?

8. Im Anschluss an die Bluttat im Schnellrestaurant Subway soll die Wohnung des Präsidenten der Bandidos Neumünster Ralf B., die im Untergeschoss auch als Vereinsheim genutzt wurde, durchsucht worden sein. Auf dessen Wunsch habe man die Durchsuchung jedoch im Obergeschoss begonnen, damit seine schwer kranke Lebensgefährtin “zur Ruhe kommen” könne. Mit Rücksicht auf den weißen Teppich habe man sogar die Schuhe ausgezogen.

Wie ist diese ungewöhnliche Rücksichtnahme zu erklären und können dadurch Beweismittel im Untergeschoss vernichtet worden sein?

9. Die mit einer Digitalkamera aufgenommenen Fotos und Videos, die die Ermittler im Haus des Rocker-Chefs machten, sollen nach der Hausdurchsuchung wieder gelöscht worden sein. Aktenkundig soll dies erst ein halbes Jahr nach der Durchsuchung gemacht worden sein: Alle Bilder und Videos seien zu dunkel geworden und deshalb nach der Durchsuchung gelöscht worden. Im Ermittlungsverfahren gegen Ralf B. wegen des Verdachts der Hehlerei wären die Bilder interessant gewesen.

Ist dem naheliegenden Verdacht nachgegangen worden, die angeblich schlechte Bildqualität könne eine Schutzbehauptung darstellen und es könnten in Wahrheit Beweismittel unterdrückt oder vernichtet worden sein? Wenn nein, warum nicht?

10.1 Hat es andere Fälle gegeben, in denen das Landeskriminalamt – insbesondere die Soko Rocker – entlastende Aussagen/Hinweise/Beweise (z.B. Hinweise auf angeblich andere Tathergänge oder andere Tatverdächtige) nicht in der Verfahrensakte dokumentiert oder nicht an die Staatsanwaltschaft weiter gegeben haben?

10.2 Gibt es eine eindeutige Regelung zur Dokumentation und Weitergabe von Aussagen/Hinweisen/Beweisen an die sachleitende Staatsanwaltschaft?

11. Sind im Zuge der Telekommunikationsüberwachung einer in der Soko Rocker tätigen Kollegin Privatgeheimnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen weiter erzählt und Beamte über laufende Maßnahmen gegen sie informiert worden? Hatte dies Konsequenzen? Wenn nein, warum nicht?

12. Trifft es zu, dass vor der Ernennung von Herrn Höhs zum Landespolizeidirektor der damalige Innenminister Breitner vom Leiter der Polizeiabteilung Herrn Muhlack nicht über die Mobbingvorwürfe gegen Herrn Höhs informiert worden sei?

13. Trifft es zu, dass wegen des Verdachts der Verletzung von Dienstgeheimnissen mehrfach Verbindungsdaten abgeglichen wurden, um Beamte mit Kontakten zur Presse und zu Abgeordneten zu identifizieren? Zu welchen Presseorganen und Abgeordneten wurden Kontakte festgestellt und wie wurde mit den Erkenntnissen verfahren? Erfolgte eine Benachrichtigung?

14. Sind seit 2010 strafprozessuale oder gefahrenabwehrrechtliche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gegen Abgeordnete, Journalisten oder Verteidiger erfolgt oder erfolgen solche gegenwärtig? Sind seit 2010 strafprozessuale oder gefahrenabwehrrechtliche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gegen andere Personen erfolgt, von denen Abgeordnete, Journalisten oder Verteidiger betroffen waren?

Wenn ja: Nach welcher Rechtsgrundlage und aus welchem Grund?

Erfolgte eine Benachrichtigung der betroffenen Berufsgeheimnisträger? Wenn nein, warum nicht?

15. Hat es System, dass gewissenhafte Beamte, die Vorgesetzten nicht bedingungslos gehorchen sondern Fragen stellen und Fehler ansprechen, von ihren Arbeitsbereichen entfernt oder sonst „kalt gestellt“ werden? Wie viele Beamte betrachten sich als betroffen, wie viele halten Arbeitskollegen für davon betroffen? (ggf. Umfrage durchführen)

Wie das Innenministerium auf Anfrage mitteilt, wurden noch nie so viele LKA- und LPA-Beamte wegen Krankheit auf andere Dienstposten oder als dauerhaft dienstunfähig in den vorzeitigen Ruhestand versetzt oder haben den Polizeidienst infolge gesundheitlicher Gründe auf andere Weise verlassen als im letzten Jahr. Hintergrund: Der Polizeiführung wird vorgeworfen, unter anderem auf diesem Wege gegen Kritiker vorzugehen.

Ergänzung vom 02.08.2017:

Wegen der Vorwürfe wird ein Untersuchungsausschuss des Landtags eingesetzt, wie die SPD gestern ankündigte, voraussichtlich im Oktober oder November (siehe NDR und Lübecker Nachrichten). Deren Innenexperte argumentiert, nur so ließen sich Widersprüche in den Akten aufklären. Widersprüchlich sind die beiden Vermerke zur entlastenden Aussage eines Informanten, von denen einer nähere Aufklärung fordert während der andere behauptet, nähere Angaben seien nicht zu erlangen.

Die Printausgabe der Kieler Nachrichten berichtet heute ausführlich über die vielen offenen Fragen im LKA-Skandal (jetzt auch online). Mein Kommentar: PIRATEN begrüßen Untersuchungsausschuss

Ergänzung vom 15.08.2017:

Im Interview mit den Kieler Nachrichten erklärt der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt, man könne “fast meinen, dass die Gewerkschaft der Polizei und der Bund Deutscher Kriminalbeamter in Schleswig-Holstein Bestandteil des Establishments und mit den in Frage stehenden Instanzen zu eng verbandelt sind”. Die LKA-Affäre sei “eine Chance für die Landespolizei, eine neue und gute Fehlerkultur zu etablieren”. Es gehe nicht um eine Kampagne gegen die Polizei, um das mögliche Fehlverhalten einzelner Personen.

Ergänzung vom 21.08.2017:

Der zwischenzeitlich aufgehobene Erlass des Innenministeriums zur Zusammenarbeit mit der Polizeibeauftragten im Volltext

Ergänzung vom 22.08.2017:

Das Innenministerium dementiert Telekommunikationsüberwachung oder Verkehrsdatenabgleich ohne richterliche Anordnung.

Ergänzung vom 24.08.2017:

Liste der Verfahren, in denen die Polizeiabteilung des Innenministeriums Sperrerklärungen abgegeben hat

Ergänzung vom 21.09.2017:

Das Innenministerium hat nun die Übergabe bisher geheimer Akten an den Landtag angekündigt. Doch im Gegenzug fordert es von den Volksvertretern ein Schweigegelübde.

Mit der Aktenanforderung will der Landtag unter anderem aufklären, was wirklich in den Berichten von Mobbing-Ermittlern, Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern zu den Vorwürfen von Aussageunterdrückung und Mobbing im Kieler LKA steht.

Doch nach dem Willen des Innenministeriums sollen sich die Abgeordneten mit wenigen Ausnahmen zur Geheimhaltung der Akteninhalte verpflichten und selbst für den eigenen Gebrauch keine Kopien machen dürfen.

Mit dieser Blankoknebelung droht die dringend nötige Aufklärung der schweren Vorwürfe ad absurdum geführt zu werden. Selbst schwere Missstände und Rechtsbrüche wären geheimzuhalten, sollte der Landtag dieser Forderung nach Nulltransparenz nachgeben.

Ohne öffentlichen Druck und öffentliche Kontrolle wird das Parlament seinem Kontrollauftrag nicht nachkommen können. Die Akten sollten deshalb nur insoweit für vertraulich erklärt werden wie es sich rechtmäßigerweise um Verschlusssachen handelt, nicht zum Schutz von Funktionsträgern vor Kritik. Jetzt ist das Selbstbewusstsein des Parlaments gefragt.

Der Innen- und Rechtsausschuss entscheidet nächste Woche. Nicht zuversichtlich stimmt, dass der Ausschuss bisher sogar die Bezeichnung der angeforderten Akten für geheim erklärt hat – einstimmig.

Ergänzung vom 29.09.2017:

Innenministerium übersendet Akten zum Thema „Rocker“ an Innen- und Rechtsausschuss

Die Kieler Nachrichten berichten, der Innen- und Rechtsausschuss habe einer Pauschaleinstufung als geheim zugestimmt. In einigen Punkten könne die Geheimhaltung nach Absprache eventuell aufgehoben werden. Grundsätzlich müsse der Ausschuss aber hinter verschlossenen Türen beraten. Die SPD kündigte an, einen Untersuchungsausschuss erst im Dezember beantragen zu können.

Ergänzung vom 08.10.2017:

Nachdem der Landtag bereits die Geheimhaltung brisanter Unterlagen zum LKA-Skandal vor der Öffentlichkeit beschlossen hat, sollen nun auch Fraktionsmitarbeiter vom Zugang ausgeschlossen werden. Die SPD beantragt deshalb nun eine Sondersitzung des Innen- und Rechtsausschusses und übt Kritik.

Meine Meinung: Abgeordneten muss zur wirksamen Ausübung ihrer Kontrollfunktion erlaubt werden, fachkundige Hilfskräfte zur Akteneinsicht hinzuzuziehen.

In Berlin mussten wir PIRATEN bis vor das Landesverfassungsgericht ziehen, um durchzusetzen, dass Mitarbeiter bei der Akteneinsicht hinzugezogen werden dürfen.

Ergänzung vom 14.10.2017:

Es wurde nun entschieden, dass Abgeordnete einen Mitarbeiter zur Begleitung mitbringen dürfen, jedoch dürfen Mitarbeiter die Akten nicht alleine durcharbeiten/sichten. Ursprünglich war die Diskussion noch anders verlaufen: Im Hinblick auf die enorme Aktenmenge sollten Mitarbeiter auch alleine sichten dürfen. Aus dem Protokoll vom 27. September geht auch hervor, dass die Geheimhaltungsentscheidung selbst für den geplanten Untersuchungsausschuss gilt. Auch dieser wird über die als geheim eingestuften Akten nicht offen berichten und Zeugen dazu nicht öffentlich befragen dürfen.

Die Zeitschrift “Bikers News” hat einen ausführlichen Hintergrundbericht über den LKA-Skandal und ein Interview mit mir veröffentlicht. Neu ist etwa die Information, der frühere Chef der Bandidos habe nach einem Zeitungsinterview die Gruppierung inzwischen verlassen.

Ergänzung vom 15.10.2017:

Die Deutsche Polizeigewerkschaft berichtet: “In die Reihe der Pannen und Merkwürdigkeiten in dieser Hinsicht passt auch, dass der von Innenminister Grote als “unabhängiger Sonderermittler” benannte Klaus Buß sich ausgerechnet einen LKA-Beamten aus der Soko Rocker ins Team holte, der zu allem Überfluss auch noch zu den Unterzeichnern des sogenannten ‘Offenen Briefs’ aus dem LKA zählte, in dem die mediale Berichterstattung über die Rockeraffäre in die Nähe von ‘Fake News’ gerückt wurde. Der Mitarbeiter des Sondermittlers musste nach Aufdeckung dieser Hintergründe bereits seinen Hut im Team von Klaus Buß nehmen. Die Frage, ob der Sonderermittler wirklich noch unvoreingenommen und unabhängig oder seine Reputation bereits beschädigt ist, muss als naheliegend bezeichnet werden.”

Ergänzung vom 21.10.2017:

Die Kieler Nachrichten berichten: Innenminister Grote (CDU) hat alle an dem Fall beteiligten Mitarbeiter des Innenministeriums und der Landespolizei zu “uneingeschränkter Kooperation auf allen Ebenen” mit dem von ihm eingesetzten Sonderermittler Buß (SPD) angewiesen und von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit. Buß darf auch schriftliche dienstliche Erklärungen von Beamten einholen. Außerdem sind ihm auf Verlangen alle Unterlagen zugänglich zu machen. Wer fürchtet, durch seine Aussage das Wohl des Landes oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich zu gefährden, soll seine Vorbehalte beim Büroleiter des Innenministers vortragen – damit ist der selbst involvierte Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium Muhlack außen vor. Mein Kommentar: Der Schritt ist konsequent, allerdings hätten die Befugnisse des internen Ermittlers von Anfang an geklärt sein sollen.

Ergänzung vom 03.11.2017:

Die dpa meldet: Landespolizeidirektor Ralf Höhs und Jörg Muhlack, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, sollen ihren Job aufgeben. LKA-Direktor Kramer geht Mitte 2018 in Ruhestand.

Herr Höhs hat ein persönliches Statement abgegeben: https://www.youtube.com/watch?v=S8UyyB9cRuQ

Mein Kommentar:

Die von uns PIRATEN im Mai enthüllten Vorwürfe von Aussageunterdrückung und Mobbing im Landeskriminalamt sowie der verschleiernde Umgang damit belasten die Polizeiführer schwer. Der öffentliche Druck macht nun personelle und strukturelle Konsequenzen unausweichlich. Die überfällige Ablösung macht den Weg frei für einen personellen Neuanfang auf Führungsebene und eine neue Führungs- und Fehlerkultur in der Polizeiführung, die offen mit Fehlern umgeht, die nötigen Konsequenzen zieht und Hinweisgeber auf Missstände vor Repressalien und Mobbing schützt. Es muss Schluss sein mit einem Klima der Angst und einer Führung durch Erschrecken in der Landespolizei, bei der offenbar bedingungsloser Gehorsam belohnt und kritische Fragen gnadenlos abgestraft werden.

Eines muss allerdings klar sein: Der personelle Neuanfang ist kein Ersatz für die Aufklärung der Vorwürfe gegen das Landeskriminalamt und die Offenlegung der geheim gehaltenen Dossiers darüber.

Erklärung des Innenministers im Wortlaut

Beitrag des Schleswig-Holstein-Magazins vom 02.11.2017

Ein NDR-Journalist meint in NDR aktuell, Ziel der Personalmaßnahme sei es, einen Untersuchungsausschuss zu verhindern und den Ex-Innenminister Klaus Schlie aus der Schusslinie zu nehmen. Schlie erklärt aber am nächsten Tag persönlich, dass er einen Untersuchungsausschuss befürworte, weil alle korrekt gehandelt hätten.

Protokoll über die Anhörung des Innenministers im Innenausschuss

Ergänzung vom 04.11.2017:

Im Schleswig-Holstein-Magazin sagt ein Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft, Polizeibeamte auf allen Ebenen sprächen von einem “Klima der Angst” und “Führen durch Erschrecken”.

Ergänzung vom 07.11.2017:

Laut NDR soll der Personalrat angekündigt haben, der Ablösung der Polizeiführer zu widersprechen. Aktuell laufen Gespräche mit ihnen. Erst wenn die anderweitige Verwendung geregelt ist, sollen die Stellen neu ausgeschrieben werden. Einstweilen behalten die Polizeiführer ihre vollen Befugnisse.

Ergänzung vom 08.11.2017:

Nach Presseberichten sollen Abteilungsleiter Muhlack und der Leitende Polizeidirektor Ralf Höhs zum Jahresende von ihren Posten abberufen werden. “Die Polizeiführung erkenne das Primat der Politik offenbar nicht mehr an, so das bittere Fazit in Regierungskreisen. Sie agiere wie ein Staat im Staate.” Minister Grote nannte konkrete Beispiele, in denen die Politik nicht informiert wurde. Außerdem sollen die Herren Muhlack und Höhs de Mitwirkung bei der Aufklärung der Vorwürfe im LKA-Skandal verweigert haben. Sein Entschluss sei seit seiner Amtseinführung gereift, so der Minister. Heute nachmittag informiert der Minister den Innen- und Rechtsausschuss (Livestream verfügbar).

In einem gestern veröffentlichten Gutachten stellt sich der Wissenschaftliche Dienst des Landtags auf den Standpunkt, dass die Landesverfassung geändert werden müsste, um Mitarbeitern von Abgeordneten eine selbständige Akteneinsicht zu ermöglichen. Ansonsten bliebe nur ein Untersuchungsausschuss, um eine Einsichtnahme durch Mitarbeiter zu ermöglichen. Meine Meinung: Ein weiterer Grund für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses.

Ergänzung vom 09.11.2017:

Deutscher Beamtenbund, in dem auch die DPolG Mitglied ist: Ablösung der Polizeispitze politisch nachvollziehbar und beamtenrechtlich legitim

Ergänzung vom 02.01.2018:

Neuer Erlass gibt freie Hand für die Polizeibeauftragte

Ergänzung vom 06.02.2018:

Der Innenminister will im Innenministerium eine neue „Beschwerde- und Beteiligungsstelle“ für die 7700 Beschäftigten der Landespolizei einrichten. So wird ein Ansprechpartner “außerhalb der bestehenden Führungsstrukturen” geschaffen, wenn man sich nicht an den Vorgesetzten wenden will oder kann. „Wir müssen weg davon, dass Beschwerden als Querulanten- oder Denunziantentum angesehen werden,“ erklärte Grothe. Dass sich Polizisten angstfrei äußern können, sei „unverzichtbar“. Die Polizeibeauftragte begrüßte die Pläne.

Kieler Nachrichten: Neue Beschwerdestelle für Polizei

GdP: Zusätzliche Beschwerdestelle für die Beschäftigten der Landespolizei im Innenministerium

Im Internet verweist ein Kommentator auf eine Vereinbarung zur Personalentwicklung und Grundsätze für Zusammenarbeit und Führung, die schon seit 20 Jahren Anforderungen an Führungskräfte im Land beschreiben.

Ergänzung vom 10.02.2018:

Die SPD hat die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Klärung der Vorwürfe beantragt.

Ergänzung vom 12.02.2018:

Die Kieler Nachrichten berichten: Landtag nimmt Polizei unter die Lupe

Aus dem Bericht der Lübecker Nachrichten:

Dolgner geht davon aus, dass der PUA mehr als 100 Auskunftspersonen (Zeugen) befragen könnte und die Aufklärung kaum unter zwei Jahren zu machen ist. Betroffene (vergleichbar mit Angeklagten) hat die SPD nicht benannt. Im Landeshaus wird davon ausgegangen, dass sich insgesamt vier Innenminister unbequeme Fragen gefallen lassen müssen – der heutige Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU), seine Nachfolger Andreas Breitner und Stefan Studt (beide SPD) sowie der amtierende Ressortchef Grote.

Ergänzung vom 20.02.2018:

Pressemitteilung Polizei-Untersuchungsausschuss: Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit und der Konsequenzen!:

Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss wird die 2016 und 2017 von den PIRATEN aufgedeckten Vorwürfe der Unterdrückung entlastender Hinweise und des Mobbings im Kieler Landeskriminalamt („Rocker-Affäre“) sowie der Duldung von Sexismus und Rassismus an der Eutiner „Polizeischule“ FIAF untersuchen.

Einsetzungsantrag der SPD

Geplante Landtagsdebatte am Freitag mit Livestream

Ergänzung vom 22.02.2018:

Ergänzungsfragen von CDU, FDP und Grünen zum Einsetzungsantrag der SPD

Der oben erwähnte interne Zwischenbericht des Unterarbeitskreises Mobbing, den das Innenministerium bisher unter Verschluss hielt, liegt nun dem NDR vor. Der Bericht zeichne ein verheerendes Bild des Arbeitsklimas im LKA. Beamte der SoKo Rocker erklärten, sie hätten große Angst. Gespräche mit Vorgesetzten wie vor allem dem späteren Landespolizeidirektor Höhs seien durch persönliche Angriffe geprägt: “Der Mitarbeiter werde ‘seziert’, auseinander genommen, bloßgestellt und zum Teil über mehrere Stunden ‘gegrillt'”. In Einzelfällen sei es zu Panikattacken und psychologischer Hilfe gekommen. “Wer nicht wie ein Soldat funktionierte, sei bekämpft und ‘weggemacht’ worden”. Die Schilderungen der Befragten insgesamt würden übereinstimmen und glaubwürdig wirken, hielten die beiden AK-Mitglieder fest. Höhs wurde 2014 Landespolizeidirektor – acht Monate, nachdem die genannten Vorwürfe festgehalten worden waren. Zum NDR-Bericht

Zum gleichen Thema die Kieler Nachrichten: Die Ängste in der Soko “Rocker”. Wie oben berichtet äußerte ein Beamter der Soko Rocker, er habe erst begriffen, wie der NS-Staat funktioniert habe, seit er diesen Führungsstil erlebt habe.

Ergänzung vom 06.03.2018:

Der Landtag hat den Untersuchungsausschuss einstimmig eingesetzt. Die lesenswerten Reden der Abgeordneten erklären, um welche Fragen es geht und worum es den einzelnen Fraktionen hauptsächlich geht (als Video ansehen). Zutreffend wurde die mediale Bezeichnung “Rocker-Affäre” kritisiert, da es sich um Vorwürfe gegen das Kieler Landeskriminalamt handelt.

http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2017/05/Plenarprotokoll-Auszug-23.02.2018.pdf

Ergänzung vom 08.04.2018: Journalisten nicht abgehört

Der Untersuchungsausschuss konstituiert sich am 18. April.

Die Staatsanwaltschaft teilt mit, ihre Ermittlungen hätten keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Dienstwagen des Chefredakteurs der Kieler Nachrichten Longardt mit einer Peil- bzw. Sendevorrichtung zur Feststellung des Fahrzeugstandortes versehen gewesen wäre. Sie hat die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Externe Störfaktoren bei der Messung seien nicht auszuschließen. Die Frequenz werde von der Flugsicherung genutzt. Bei dem von der Staatsanwaltschaft beauftragten Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz hätten eine Physikerin und ein Elektroingenieur im Rahmen der Ermittlungen an einem beliebigen Ort in Mainz eine Vergleichsmessung vorgenommen, bei der ebenfalls das Signalspektrum des Sekundärradars gemessen worden sei. Nähere Informationen in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft

Die Prüfungen der Staatsanwaltschaft Lübeck einer Strafanzeige gegen (ehemalige) LKA-Beamte wegen des Verdachts der Verfolgung Unschuldiger, der Freiheitsberaubung und der Strafvereitelung im Amt im Zuge des eigentlichen LKA-Skandals laufen offenbar weiter. Ich hoffe, dass bald ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.

Ergänzung vom 14.04.2018:

Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses stehen fest. Die erste Sitzung am Mittwoch ist nicht-öffentlich – bezeichnend.

Ergänzung vom 15.04.2018:

Die Landesregierung hat noch einmal nachgelegt und dem Landtag im Februar weitere Akten zum LKA-Skandal vorgelegt. Diese bleiben jedoch wie üblich unter Verschluss.

Ergänzungen vom 02.07.2018: Neue Polizeiführung eingesetzt

Pressemitteilung “LKA-Skandal: Verantwortlicher befördert, Hinweisgeber mussten gehen” (16.03.2018)

Eine neue Polizeiführung ist eingesetzt worden, jedoch leider ohne offene Ausschreibung. Ausgerechnet der Leiter der skandalträchtigen Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und Bereitschaftspolizei Wilksen, bisher zuständig für die FIAF (“Polizeischule”), wird neuer Landespolizeidirektor.

Konsolidierte Fassung des Einsetzungsbeschlusses des parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Die erste öffentliche Beweisaufnahme wird am 3. Dezember um 11 Uhr stattfinden, siehe Sitzungskalender. Insgesamt sollen rund 100 Zeugen vernommen werden.

Liste der nicht-öffentlichen Dokumente des Untersuchungsausschusses (chronologisch und thematisch samt Zusammenfassung der Beratungsgegenstände)

Der Untersuchungsausschuss bekommt den Bericht des Sonderermittlers des Innenministers – die Öffentlichkeit nicht.

Ergänzung vom 16.07.2018:

Der vom Innenminister eingesetzte Sonderermittler Buß hat Ergebnisse seiner Prüfung der von uns Piraten im vergangenen Jahr aufgedeckten Vorwürfe vorgestellt. Der Bericht bleibt jedoch unter Verschluss. Hier die bisher herausgegebenen Auszüge (Untersuchungsergebnisse, Handlungsempfehlungen und Stellungnahmen des Innenministers):

http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2017/05/20180706-Medieninformationen-Sonderbeauftragter-zum-LKA-Skandal.pdf

Einige wesentliche Punkte:

  • Die beiden Ermittlungsbeamten, die für die Aufnahme eines Vermerks über die entlastende Aussage eines V-Mannes zu den Akten kämpften, hätten „grundsätzlich richtig“ gehandelt. Auch ihre Vorgesetzten und die Staatsanwaltschaft Kiel hätten darauf drängen müssen.
  • Der schließlich angefertigte Vermerk des V-Mann-Führer sei “inhaltlich falsch beziehungsweise unvollständig” gewesen, obwohl dies nicht zum Schutz des Informanten erforderlich gewesen sei.
  • Die dienstrechtliche Untersuchung der Mobbing-Vorwürfe sei nie abgeschlossen, Minister und Staatssekretäre zu keiner Zeit vollständig informiert worden. Es gebe den Verdacht von Mobbing der beiden Ermittlungsbeamten durch Führungskräfte, aber keine Beweise; eine Aufklärung sei nach so langer Zeit und wegen widersprüchlicher Aussagen nicht mehr möglich. Deshalb könne auch kein Mobbing festgestellt und niemand als Mobbing-Opfer anerkannt werden. Buß empfiehlt Einstellung der Verfahren.
  • Es habe “eklatantes Führungsversagen” gegeben, die Führungskultur sei problematisch.Buß meint aber auch: “Es gab in der Landespolizei keinen Skandal, keine Affären, keine Unterdrückung von entlastendem Beweismaterial zum Nachteil von Beschuldigten, kein Abhören und keine Freiheitsberaubung.” Das Verbotsverfahren gegen die Bandidos sei trotz des fragwürdigen Informanten sauber gewesen. Künftig solle jedoch die Führungskompetenz verbessert werden.
  • Bei der Besetzung von Spitzenpositionen (Abteilungsleiter, Landespolizeidirektor und Leiter des Landeskriminalamtes) solle künftig „sehr sorgfältig darauf geachtet werden, wie die zukünftigen Stelleninhaber zueinander stehen, welche gemeinsame Vergangenheit sie haben, ob sie auf der einen Seite gedeihlich für die Polizei zusammenarbeiten können aber auf der anderen Seite zueinander die nötige – auch kritische – Distanz haben“ (Stichwort Seilschaft/Netzwerk der Polizeiführer).
  • Es gebe mittlerweile eindeutige Handlungsanweisungen, auch über V-Leute-Informationen Vermerke zu den Akten zu geben
  • Der Sonderermittler empfiehlt eine Überarbeitung des Verfahrens für den Umgang mit Beschwerden über Mobbing
  • Der Innenminister will nun mit den beiden Ermittlungsbeamten sprechen, die die Vorwürfe erhoben haben, und “Lösungen suchen”
  • Der Innenminister lässt derzeit unter Hinzuziehung eines externen Rechtsanwalts prüfen, ob gegen den V-Mann-Führer und die damaligen Vorgesetzten der beiden Ermittler noch Disziplinarverfahren eröffnet werden können und müssen. Er werde die Öffentlichkeit sofort unterrichten, wenn es Disziplinarverfahren gegen LKA-Beamte geben sollte. Die Vorwürfe würden auch strafrechtlich geprüft.
  • Der Innenminister will eine unabhängige und zentrale Ansprechstelle für Konflikte im Innenministerium “mit absoluter Vertraulichkeit” einrichten, an die sich Polizeibeamte ohne Einhaltung des Dienstwegs wenden können (neben der Polizeibeauftragten). Diese soll “bei Auffälligkeiten strukturelle Veränderungen möglich” machen.
  • Der Innenminister hat die neue Polizeiführung beauftragt, am Führungsklima zu arbeiten
  • Der Innenminister lässt die Einrichtung einer zentralen Dienststelle für interne Ermittlungen im Innenministerium prüfen
  • Der Innenminister will eine unter Beachtung des Quellen- und Persönlichkeitsrechtsschutzes gefertigte Fassung des Buß-Gutachtens veröffentlichen
  • Dr. Kai Dolgner (SPD) kritisierte bis heute fehlende Konsequenzen für den V-Mann-Führer, während die korrekt handelnden Ermittler Nachteile hatten. Der Innenminister solle offiziell anerkennen, dass die Ermittler richtig gehandelt haben. Die Mängel in der Führungskultur seien nicht nur in Fehlverhalten Einzelner begründet. Die Vertraulichkeitseinstufung des Berichts sei zu hoch.

Presseberichte und Pressemitteilungen:

Im Ergebnis bin ich sehr zufrieden über diesen Durchbruch. Auch wenn fast alle Medien unerwähnt lassen, dass wir Piraten den LKA-Skandal erst aufgedeckt haben, zeigen die gezogenen Konsequenzen, dass Piraten wirken. Viele meiner Forderungen werden nun aufgenommen. Ich werde die Umsetzung und die Arbeit des Untersuchungsausschusses weiter begleiten.

Ergänzung vom 27.08.2018:

Rückschlag für meine Bemühungen um Aufklärung des LKA-Skandals: Um zu überprüfen, ob Fehlverhalten von Kriminalbeamten Einfluss auf das Urteil im Rockerprozess gehabt haben kann, habe ich eine anonymisierte Fassung des Urteils im Subway-Verfahren angefordert. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, die Öffentlichkeit habe keinen Zugang zu anonymisierten Strafurteilen. Ob in meinem Fall anderes gelte, soll nun das Amtsgericht Kiel entscheiden. Mehr in meiner Pressemitteilung:

BGH: Keine anonymisierten Urteile für Verbraucher

Ergänzung vom 12.11.2018:

Der SPD-Innenpolitiker Dr. Dolgner macht sich viele Vorwürfe gegen das LKA zueigen und will ihnen nachgehen: “

Ergänzung vom 28.11.2018:

Am nächsten Montag ab 10 Uhr wird der Untersuchungsausschuss erstmals in öffentlicher Sitzung einen Zeugen vernehmen, und zwar KHK Axel Rohs (siehe Einladung). Eine Übertragung oder Aufzeichnung findet nicht statt.

Näheres im Bericht der Kieler Nachrichten:

Ergänzung vom 29.11.2018:

Die erste Zeugenvernehmung ist auf den 14. Januar 2019 verschoben worden. Der Grund: Der Innenminister hat dem Zeugen kurzfristig eine nur eingeschränkte Aussagegenehmigung erteilt. Der Untersuchungsausschuss will diese Einschränkungen nicht akzeptieren.

Sitzungstermine

Kieler Nachrichten: Eklat in Rocker-Affäre – Innenministerium verhängt Maulkorb für Kronzeugen

Ergänzung vom 15.12.2018:

Die erste Zeugenvernehmung ist auf den 28. Januar verschoben worden. Über die Aussagegenehmigung hat man sich mit dem Innenminister geeinigt.

Ergänzung vom 28.01.2019:

Einer der Ermittler, Axel Rohs, sagt vor dem Untersuchungsausschuss aus, teilweise in öffentlicher Sitzung.

Was ihm rückblickend auffällt am Subway-Verfahren:

  • Er habe sich gewundert, dass Soko-Leiter Engelmann relativ wenig Interesse an dem Verfahren zeigte.

  • Viele Dinge liefen schleppend, z.B. die Berichtsfertigung. Er musste im April selbst versuchen zu rekonstruieren, wer was gemacht hat.

  • Der Tatort wurde gereinigt, bevor die Spurensicherung vor Ort war.

  • Peter B. wurde festgenommen, dazu gab es aber zunächst keine Berichte. Sein Wagen sollte durchsucht werden. Die zwei Kollegen kamen schon nach einer halben Stunde zurück und hatten nur oberflächlich durchsucht, was ihn verärgerte. In der Garage, wo der Wagen stand, war auf einmal ein Kollege aus Abt. 3 (Staatsschutz) am Auto und habe Herrn Roos und Herrn Hilker zugesehen beim Abdiktieren des Wageninhalts.

  • Rohs fand im Wagen von Peter B. Unterlagen aus einem Ermittlungsverfahren einschließlich eines 8-seitigen polizeiinternen Auszugs aus einer Kriminalakte (INPOL), die in keinem Fall in einer Strafakte erscheinen darf, weil sie taktische Hinweise und Lichtbilder zu der Person beinhaltete. Diese Informationen konnten also nicht aus der Akteneinsicht durch einen Strafverteidiger stammen. Auf dem Ausdruck war sichtbar, wer ihn ausgedruckt hatte. Rohs habe Wuttke darauf angesprochen, der daran aber kein Interesse gezeigt habe. Rohs habe nicht weiter nachgebohrt. Letzte Woche habe er nachgefragt, weil sich INPOL-Auszüge nicht in der Akte befänden. Herr Wuttke gabe geantwortet, die Auszüge seien 2016 in Absprache mit OStA Ostrowski vernichtet worden.

  • Bei der Durchsuchung beim damaligem Bandidos-Präsident Ralf B. sei der Durchsuchungsbericht ungewöhnlich gewesen. Durchsuchungen erfolgten in der Regel schlagartig. Es wurde aber auf eine schlagartige Einnahme verzichtet wegen der “Kooperationsbereitschaft” von Ralf B. Geführte Gespräche mit dem Hauptverantwortlichen wurden jedoch nicht dokumentiert, so dass unklar ist, worin die “Kooperationsbereitschaft” bestanden habe. Lichtbilder der anwesenden Personen waren vernichtet worden, obwohl auch ein Videowagen vor Ort gewesen sei.

  • Ende April/Mai sei es “ganz komisch” geworden. Herr Schaeller (VP-Führer im LKA) meldete sich telefonisch und sagte, Peter B. solle nicht zugestochen haben. Das war für Roos überraschend, da Anhaftungen von Blut gefunden worden waren. Roos ging davon aus, Schaeller schreibe einen Aktenvermerk. Auf seine Nachfrage erklärte er jedoch, der Hinweis komme von einer rechtlich ungeschützten Person mit Beschuldigtenstatus. Roos forderte einen Aktenvermerk, weil das eine wichtige Erkenntnis war, die ausermittelt werden musste. Herr Schaeller verweigerte das. Herr Wuttke war informiert, sah aber auch keine Notwendigkeit, das aktenkundig zu machen. Anfang Juni rief Herr Schaeller erneut an und sagte Roos, dass der damals in U-Haft befindliche Niels H. zur Tatzeit nicht am Tatort gewesen sei, sondern erst nach Beendigung der Tat. Ich erklärte: Das muss unbedingt zur Akte. Herr Schaeller sagte, darüber könne man nachdenken. Es handele sich aber um eine ungeschützte Person. Es sei aber eine zuverlässige Quelle, der könne man glauben. Roos bestätigte im Übrigen den Fortgang wie oben geschildert.

Nachdem die Namen der Beteiligten nun öffentlich bekannt worden sind, habe ich diese im Bericht oben nachträglich eingefügt.

Mein Statement: “Die heutige Aussage eines gewissenhaften Kriminalbeamten belegt, dass massives Fehlverhalten maßgeblicher Kieler Kriminalbeamte keine Konsequenzen hatte und auch dem Verdacht eines Durchstechens von Polizeiinterna an Rockerkreise nicht nachgegangen worden ist. Um das für die Zukunft zu ändern, sollten strafrechtliche Ermittlungen gegen Angehörige des öffentlichen Dienstes im Rahmen ihrer Dienstausübung aus dem Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums ausgegliedert und einer beim Justizministerium einzurichtenden eigenständigen Einheit für interne Ermittlungen übertragen werden. Nur eine wirklich eigenständige externe Kontrolle schützt vor Mauschelei und Vertuschung durch Gesetzeshüter.”

Bericht der heutigen Sitzung auf der Landtagsseite

Bericht der Kieler Nachrichten:

NDR: Ex-Fahnder schildert Missstände

Ergänzung vom 27.02.2019:

Der mehrfach vorbestrafte Neonazi Peter B., der wegen der gefährlichen Körperverletzung im Subway zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, hat gegenüber der Presse folgende Stellungnahme abgegeben:

Stellungnahme von Peter B. zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Schleswig-Holstein

Aus Respekt vor den Mitgliedern des Ausschusses, sowie deren Aufklärungsabsichten, habe ich als damaliges Mitglied des zwischenzeitlich verbotenen Bandidos MC Neumünster bislang Abstand davon genommen, die laufenden Sitzungen zu kommentieren. Unterstellungen, die durch Vertreter der Deutschen Polizeigewerkschaft in die Öffentlichkeit lanciert werden, erzwingen jedoch eine Richtigstellung.

Bisher bin ich davon ausgegangen, dass den Forderungen nach Polizeischutz für die „Kronzeugen“ Martin H. und Axel R. polizeiinterne Anfeindungen zu Grunde lagen. Schließlich gilt es einen Skandal innerhalb der Landespolizei aufzuklären. Hiervon betroffen aber sind nicht nur zwei ehemalige Ermittlungsführer der Sonderkommission „Rocker“. Denn ich selbst musste in diesem Kontext eine Haftstrafe von mehr als 4 ½ Jahren verbüßen, obgleich ich stets eine Tatbeteiligung abgestritten habe. Die Chance auf ein faires Verfahren war, nach bisherigen Erkenntnissen, nie gegeben. Ferner diente der Prozess um die Vorfälle im „Subway“ als Kernverfahren für das Verbot des Bandidos MC Neumünster.

Es erscheint daher wenig plausibel, dass gerade diejenigen die Absicht verfolgen könnten, die Hauptbelastungszeugen einschüchtern oder in ihren Aussagen beeinflussen zu wollen, die von der Aufklärung am stärksten profitieren. Im Gegenteil, ich begegne dem Whistleblowing der Ermittler mit Achtung und wundere mich über das Ausmaß der Affäre.

Zur Erinnerung: Nach der Auseinandersetzung zweier rivalisierender MC Gruppierungen in der Subway Filiale Neumünster klagte die Staatsanwaltschaft Kiel vier Beschuldigte an. Nach 31 kontroversen Verhandlungstagen wurde lediglich eine Haftstrafe verhängt.

Was damals außerhalb der Landespolizei niemand ahnte, war, dass es den Strafverfolgungsbehörden damals gelungen ist, einen sogenannten V-Mann an der Spitze der Ortsgruppe des zwischenzeitlich verbotenen Bandidos MC Neumünster zu installieren. Oder genauer gesagt, herauszubrechen. Während die Leitungsebene des Innenministeriums ein Verbotsverfahren vorbereitete, führte die dafür zuständige Abteilung des LKA Kiel offensichtlich einen V-Mann in der Führungsebene des dann verbotenen Vereins. Das dies in einem laufenden Verbotsverfahren nicht nur rechtsstaatlich bedenklich ist, sondern schlichtweg unzulässig, weiß seit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren jedoch jeder Jurastudent im Erstsemester.

Um das Verbotsverfahren zu schützen wurde daher auf höchster polizeilicher Ebene entschieden, dem Gericht und der Verteidigung entlastende Aussagen vorzuenthalten. Wenn Polizeiführer jedoch die Weiterleitung von Zeugenaussagen filtern, kann ein Strafprozess de facto nicht mehr der Rechtsnorm entsprechend geführt werden.

Um die Prozessbeteiligten damals nicht misstrauisch werden zu lassen, mussten Straftaten begangen werden. Zunächst wurden Aktenvermerke gefälscht und im weiteren Verlauf eine Sperrerklärung erlassen. Dies führte dazu, dass der V-Mann Führer Matthias S. während seiner Zeugenvernehmung die Aussagen eines zivilen Zeugen und die des V-Mannes vermengte, um den Anschein zu erwecken, es gäbe nur einen solchen Zeugen. Außerdem wurde vorsätzlich ignoriert, dass der hinweisgebende V-Mann zeitweise selbst tatverdächtig war.

Dass dann der V-Mann selbst es war, der den verbotenen Verein vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig als letzter bekannter Präsident vertreten musste, obwohl dieser zumindest zum Verbotszeitpunkt im Dienste der Behörden stand, dürfte in der bundesdeutschen Justizhistorie ein einmaliger Vorgang gewesen sein. Letztendlich zog er die Rechtsmittel gegen das Urteil auch eigenmächtig zurück.

Das solche Vorgehensweisen im Bezug auf Motorradclubs innerhalb deutscher Polizeibehörden in den letzten 10 Jahren höchstwahrscheinlich systematisch begangen wurden, zeigt nicht nur der hier zur Debatte stehende Fall aus Schleswig-Holstein. Auch das Konzept „Bericht der Bund-Länder-Projektgruppe des UAFEK Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität – Rahmenkonzeption (ein internes aber im Internet zugängliches Polizeidokument vom 07. 10. 2010) sowie die Details, die im kürzlich in Bayern publik gewordenen V-Mann Skandal ans Tageslicht kamen, tragen diesem Verdacht Rechnung.

Man kann nur darüber spekulieren, welcher Methoden sich das LKA im Kampf gegen die sogenannte Rockerkriminalität noch bedient hat und was im Ausschuss unter Ausschluss der Öffentlichkeit darüber kommuniziert wird. Aber wenn selbst der Landesvize der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) anlasslos ein Bedrohungsszenario für seine Beamten herbeizureden versucht, lässt das tief blicken.

Den beiden Ermittlern würde ich für ihren Mut zur Aktenwahrheit wahrscheinlich kein Clubhaus-Asyl in Aussicht stellen. Ein aufmunterndes Dankeschön für den bisher geleisteten Beitrag zur Aufklärung aber sei hiermit ausgesprochen.

Ergänzung vom 17.03.2019:

Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat entschieden, dass sich in der “Rocker-Affäre” um die Unterdrückung entlastender Aussage im Kieler Landeskriminalamt weder die verantwortlichen LKA-Beamte noch der zuständige Staatsanwalt strafbar gemacht haben. Dies geht aus einem 18-seitigen Schreiben an mich hervor. Ich hatte Anzeige gegen die damaligen Vorgesetzten der Ermittlungsführer und den VP-Führer erstattet.

Die Staatsanwaltschaft begründet ihre Entscheidung gegen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens im Wesentlichen damit, dass die unterdrückten Informationen keinen nachweislichen Einfluss auf das Strafverfahren um eine Messerstecherei im “Subway” in Neumünster gehabt hätten:

  • Angesichts der seinerzeit vorliegenden übrigen Beweise gegen Nils H. (u.a. Funkzellendaten) sei nicht anzunehmen, dass eine Weiterleitung der behaupteten Angabe des Informanten, Nils H. sei nicht am Tatort gewesen, zur Aufhebung des gegen Nils H. bestehenden Haftbefehls geführt hätte, zumal der Informant eigenen Angaben zufolge erst nach der Tat in Tatortnähe eingetroffen sein soll und deswegen keine eigenen Wahrnehmungen gemacht haben könne. Gleiches gelte für die Angabe des Informanten, der ebenfalls inhaftierte Peter B. habe nicht zugestochen (wegen zu diesem vorliegender Funkzellendaten, einer Zeugenaussage und festgestellter Blutspur).
  • Eine Weiterleitung der behaupteten Angabe des Informanten, Peter B. habe nicht zugestochen, hätte auch nichts an dessen Verurteilung geändert. Denn ihm sei in dem Urteil nicht zur Last gelegt worden, selbst zugestochen zu haben. Dass er überhaupt tatbeteiligt gewesen sei, habe aufgrund der Aussage einer Zeugin außer Zweifel gestanden, die aussagte, ihn erkannt zu haben.
  • Sollte der VP-Führer einen falschen Vermerk gefertigt haben, sei dies nicht strafbar.
  • Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass der Informant im Fall seiner Identifizierung und Vernehmung “auf eigenen Wahrnehmungen beruhende Angaben zu dem Tatgeschehen und den Tätern der Auseinandersetzung” hätte machen können oder wollen, die zur Überführung weiterer Tatbeteiligter geführt hätten.
  • Es fehle auch an Vorsatz der handelnden Beamte bzw. des Staatsanwalts, weil diese nicht von einer Relevanz ausgegangen seien.

Mein Kommentar:

Es ist gut, dass erstmals von unabhängiger Seite geprüft worden ist, ob die Unterdrückung entlastender Aussagen im Fall Subway zu einer Verfolgung Unschuldiger, einer Freiheitsberaubung oder einer Strafvereitelung geführt hat. Selbst wenn dies in diesem Verfahren nicht der Fall gewesen sein sollte, kann eine Aussageunterdrückung im nächsten Verfahren zur Inhaftierung oder Verurteilung Unschuldiger führen.

Da sich die verantwortlichen Ermittler bis heute im Recht wähnen, sollte die Polizeiführung klare Vorgaben machen, nach denen auch VP-Führer Aussagen von Personen, die keine Vertraulichkeit genießen, vollständig zu dokumentieren und der Justiz mitzuteilen haben. Zum Schutz von Aussagepersonen gibt es andere Mittel als die Inhaftierung oder Verurteilung Unschuldiger zu riskieren.

Ergänzung vom 06.05.2020:

Schleswig-Holsteins Innenminister Grote ist zurückgetreten. Mit Grote wurde ein Innenminister geschasst, der die von mir mehrfach aufgedeckten Missstände in der Landespolizei ernst genommen hat. Weitere Informationen in meiner Pressemitteilung:

Grote-Rücktritt: Breyer geht gegen Sütterlin-Waack vor, sieht Unabhängigkeit der Justiz und Pressefreiheit in Gefahr

Ergänzung vom 27.05.2020:

Das Urteil des Landgerichts Kiel im “Subway”-Verfahren, zu dem mir die Justiz keinen Zugang gewähren will, ist zwischenzeitlich anderweitig veröffentlicht worden. Ich will für die Zukunft nun gerichtlich feststellen lassen, dass der Öffentlichkeit Zugang zu anonymisierten Urteilen zu gewähren ist. Das Verfahren ist beim Landgericht Kiel anhängig.

Ergänzung vom 22.08.2020:

Eine anonyme Veröffentlichung stellt die Frage, warum es im “Subway”-Verfahren trotz belastender Beweise nicht zur Anklage von Bandido und Neonazi Alexander Hardt gekommen ist und ob er als V-Person geschützt werden sollte:

Was macht der Untersuchungsausschuss eigentlich den ganzen Tag? Er sollte dringend mal klären, warum Nazirocker Alexander Hardt im Subway-Verfahren nie ernsthaft ins Visier geriet, obwohl vieles für eine direkte Tatbeteiligung spricht
Unter borchertsnetzwerk.noblogs.org und #opstoolie finden sich Belege, dass Hardt zur Tatzeit am Tatort war und dort erkannt wurde, mit einer Zeugin über die Tat chattete und sie dann später bedrohte, um sie zum Schweigen zu bringen.
Anders als die Mittäter, bei denen weder Tatwaffe noch die geraubten Kutten gefunden wurde, fuhr er nach der Tat als einziger nicht zum “Bandidos”-Clubhaus (das die Polizei natürlich als erstes durchsuchte), sondern in eine andere Richtung. Sein Handy schaltete er aus.
Nach der Tat erhielt er von seinem Club das “Expect No Mercy”-Abzeichen für Mord bzw. das Zufügen schwerer Verletzungen. Trotz alledem wurde er nie von der Polizei verhaftet, sein Laptop lediglich kurz angesehen. Sein Kommentar: “Easy.”
Vieles spricht dafür, dass er ein V-Mann war oder noch ist, und deswegen verschont wurde. Auch seine Morddrohungen, die er per Video verschickte, blieben ungesühnt – angeblich, weil die Geste (Kopf ab) nicht eindeutig sei.
Können sich in Deutschland V-Personen alles erlauben? Die Polizei soll uns vor Verbrechen schützen – aber wer schützt uns vor der verbrecherischen Polizei?

Ergänzung vom 06.01.2020:

Video-Dokumentation von Neumünster-TV mit Statements von mir

Video-Dokumentation von Neumünster-TV mit Statements von mir (englische Fassung)

Ergänzung vom 10.01.2020:

Die Kieler Nachrichten fassen am 12.10.2020 den nicht-öffentlichen Buß-Bericht wie folgt zusammen:

“Nach den durchgeführten Überprüfungen scheint es sicher, dass Muhlack Höhs, mit dem er auch privat Kontakt hatte, unbedingt in die Position des Landespolizeidirektors hieven wollte” , schrieb der Sonderermittler. Laut Buß-Bericht hat Muhlack den damaligen Innenminister Andreas Breitner (SPD) 2013 nur unzureichend über die Mobbingvorwürfe gegen Höhs informiert. Zudem habe Muhlack den Arbeitskreis Mobbing der Polizei nicht nur behindert, sondern unter Vorspiegelung falscher Tatsachen sogar das Ende der Untersuchung im Fall der LKA-Beamten angeordnet. “Ein nicht nachvollziehbares und nicht hinnehmbares Verhalten” , urteilte Buß. Dies sei nur damit zu erklären, dass Muhlack die Vorwürfe gegen Höhs “erledigt haben wollte, damit sie seiner Berufung als Landespolizeidirektor nicht im Wege stehen.” Buß zeichnete in seinem Bericht das Bild einer verschworenen Führungsclique, die “Gefolgschaft im Sinne von Linientreue” einforderte und eine Art “Günstlingswirtschaft” betrieb. Dazu zählte Buß nicht nur Höhs und Muhlack, sondern auch den damaligen Chef des Landeskriminalamtes Thorsten Kramer.

Ergänzung vom 06.05.2020

Grote-Rücktritt: Breyer geht gegen Sütterlin-Waack vor, sieht Unabhängigkeit der Justiz und Pressefreiheit in Gefahr

Ergänzung vom 22.03.2022

“Rocker -Affäre”: Belasteter V-Mann-Führer verklagt Patrick Breyer

Ergänzung vom 29.04.2022

Rocker-Affäre: Geheimdokument enthüllt Schleswig-Holsteins Zusammenarbeit mit verurteiltem Rockerchef

Ergänzung vom 04.05.2022

Wieder Leak in Rocker-Affäre: Regierung verheimlicht und übergeht empfohlene Konsequenzen

Ergänzung vom 25.08.2022

Politisch gefilterter NDR? Europaabgeordneter fordert personelle und strukturelle Neuaufstellung

Ergänzung vom 28.08.2022

Leak zum NDR-Skandal: Kieler Führungspersonal behinderte Aufklärung, Europaabgeordneter fordert Entlassung

Ergänzung vom 29.08.2022

Prozess um Kieler “Rocker -Affäre”: Belasteter V-Mann-Führer darf namentlich genannt werden

Ergänzung vom 30.08.2022

Europaabgeordneter zum NDR-Skandal: Der Intendant muss Konsequenzen ziehen!

Ergänzung vom 31.08.2022

Neues zum NDR-Skandal – wann handelt der Intendant?

Audio-Dokumente

Kommentare

39 Kommentare
  • Mutter

    Das ist kein Einzelfall! Unser Sohn saß 7 Monate unschuldig in U Haft, wurde natürlich im Verfahren freigesprochen. Er war ein
    “Kollateralschaden”, es ging um die Banditos, mit denen er nichts zu tun hat. Aber aus taktischen Gründen, nämlich in seinem Umfeld ermitteln zu können, wurde er beschuldigt. UNGLAUBLUCH… wie in einem schlechten Film. Unser Vertrauen in unseren “Rechtsstaat” wurde nicht nur erschüttert, sondern zerstört. Und die Beamtin vom LKA hat dem Richter ins Gesicht gelogen… eindrucksvoll

  • Mario W

    Sitzt seit fast 7 Jahren unschuldig weil seine V-Mann Führer vom BLKA Falsche Aussagen gemacht haben so Mario W. Man hat Ihn gestützt auf diese Aussagen die laut Mario F. Falschaussagen sind verurteilt. Mario W. wird seine Unschuld beweisen wenn ich draußen ist. Beweise hat das Gericht schon lange und genug aber die Richter glauben immer erst einmal den Beamten und das ist schlecht denn wie man sieht machen diese große GROBE Fehler. Dieser Fall nachzulesen auf http://www.weggesperrt.com

  • Peter von Rüsten

    Moin moin zusammen ,

    ich vermute mal das gut 10 % der Einsitzenden in den Strafanstalten Deutschlands durch mangelhafte Voruntersuchungen

    Unschuldig sind ….

  • Anonym

    Mich würde die Intention der Herren Breyer/Longardt/Modrow interessieren. Wenn ich auf die anderen Medien blicke, die ja auch ihre Hintergrunderkenntnisse haben, dann kommen mir Zweifel an der Überparteilichkeit der drei Herren. Bei Longardt/Modrow könnte es ja der Versuch sein, die Auflage der KN zu retten. Herr Gubitz muss das ja nicht unabhängig sein, der hat ja ein Mandat. Sind die beiden Ermittler wirklich total unschuldig oder gibt es da auch etwas, was an die Öffentlichkeit sollte. Außerdem gilt doch auch in diesem Fall die Unschuldsvermutung oder etwa nicht Herr Breyer. Verurteilungen werden vor Gericht und nicht in der Zeitung vorgenommen oder sehen Sie das anders?
    Dann die Frage nach der Enttarnung von möglichen V-Personen. Warum spekulieren die Medien und irgendwie ja auch Sie über die Identität – könnte das nicht möglicherweise auf Gefahren für die Personen beinhalten?

    • Patrick Breyer

      Welche anderen Medien meinen Sie? Berichtet haben inzwischen auch dpa, taz, NDR, Lübecker Nachrichten und shz.

      • Anonym

        1) Es geht nicht darum ob berichtet wird (das ist völlig ok und wichtig) – es geht um das WIE und da unterscheiden Sie und die Herren Longardt und Modrow sich erheblich von den anderen.
        2) Es würden mich Ihre schriftlichen Antworten auf die enthaltenen fünf Fragen interessieren.

        • Patrick Breyer

          1) Die Unschuldsvermutung gilt ebenso wie die Pflicht dem Verdacht von Straftaten oder Dienstpflichtverletzungen nachzugehen. Dass letzteres mit der gebotenen Sorgfalt geschehen ist, vermag ich nicht zu erkennen. Solange geheim gehalten wird, warum alle Ermittlungen eingestellt wurden, ist die Entscheidung in Anbetracht der Verdachtsmomente nicht nachvollziehbar.

          2) An der Enttarnung möglicher V-Leute habe ich mich nicht beteiligt. Wenn Zeugen allerdings keinen VP-Status haben und dennoch in einem Strafverfahren aussagen, muss die Aussage ans Tageslicht.

  • Anonym

    Wie die Gesellen der Abt. 5 Dezenat 54 arbeiten wissen wir ja schon seit der Geschichte mit dem Kronzeugen Steffen R.
    Der sogenannte V Man Führer des LKA in der neuerlichen Sache ist übrigens KHK […anonymisiert, der Webmaster] und seine Kollegin […anonymisiert, der Webmaster].

    Und hat nicht erst Peter B. die Bandidos hier in Schleswig Holstein aufgebaut und damit kamen erst die Probleme. Also ich sehe da parallelen zu anderen Netzwerken die auch von Polizei oder Verfassungsschutz finanziert wurden (zbsp. in Sachsen und dem NSU Umfeld). Und schliesslich war auch Peter B. irgendwie NPD.
    Man sollte mal in Erfahrung bringen welche finanziellen Mittel Peter B. vom LKA bekam und was damit geschehen ist

    • Patrick Breyer

      Vielen Dank für Ihre Hinweise. Die finanzielle Frage stellt sich in der Tat.
      Ist es möglich, dass wir einmal telefonieren? (siehe http://www.patrick-breyer.de/?page_id=19 )
      Und welche Rolle soll die Kollegin des V-Mann-Führers gespielt haben?

  • men in black

    wer sagt denn dass die 2 angeblich gemobten beamten überhaupt den richtigen durchblick in dem subway-verfahren hatten? immerhin haben die beiden ja 4 unschuldige auf die Anklagebank gesetzt. und jetzt verfolgen sie das Informanten-gespenst. würde mich nicht wundern, wenn sie dort auch der Defizite haben.
    bis heute sind die wahren Täter nicht gefasst worden, aber hier werden Leute bemitleidet die ihren Job total verkackt haben!!

  • Anonym

    Ich glaube inzwischen, dass die beiden Beamten auch merkwürdige Zeitgenossen sind. Sie ließen eine Anmerkung/Frage dazu ja auch unkommentiert. Deutlich scheint aber, dass sowohl die KN, als auch Sie Herr Breyer möglicherweise auch nicht alles wissen. Daher wird natürlich auch von Ihnen beiden viel spekuliert, leider nicht vorurteilsfrei/objektiv, sondern mit einer Vielzahl von nicht belegten Verdächtigungen. Dies ließe sich auf der Basis des Bekannten aber auch komplett andersherum tun. Machen Sie mal, es geht! Das durch Ihr Zutun möglicherweise zur Enttarnung von gefährdeten Personen führen kann finde ich befremdlich. Allein das Spekulieren in der Öffentlichkeit ist ein Skandal, egal ob es nun eine VP ist oder nicht – Hier sollten Sie vielleicht auch mal öffentlich auf die Bremse treten – ich mag nicht daran denken, wenn hier was passiert – Wie wollen Longardt, Modrow und Breyer damit leben? Da hilft auch nicht die o.g. Aussage, sie wären es nicht. Ich sehe das anders, denn indirekt tun sie es sehr wohl, so haben Sie auch alle Artikel hier verlinkt.

  • Fred

    Zum heutigen Bericht über den jubelnden Piratenpolitiker stellen sich folgende Fragen:
    Gibt es eine breite Basis von Polizeifeindlichkeit in der Piratenpartei in Deutschland?
    Warum hat die Partei dieses Problem noch nicht untersucht?
    Ich bitte um Aufklärung

    • Patrick Breyer

      Diese unglaubliche Äußerung eines Kandidaten (nicht Politikers) verstößt zutiefst gegen die Grundwerte der Piratenpartei, in deren Mittelpunkt die Grundrechte und die Würde des Menschen stehen.

      Zu den Konsequenzen lesen Sie bitte

      Distanzierung von Äusserungen eines Mitglieds und

      Piratenpartei Brandenburg zieht Landesliste zurück

      Es heißt dort: “Wir möchten uns für diesen Vorfall bei der verletzten Polizistin, ihrer Familie und Freunden, sowie den vielen Polizisten die jeden Tag für den Dienst an der Gesellschaft eintreten in aller Form entschuldigen und wünschen eine baldige und vollständige Genesung.” und “Wir werden reflektieren, was hier genau geschehen ist und Mechanismen schaffen, dass sich ein solcher Vorgang nicht wiederholt.”

      Nach einem Telefonat des Bundesparteivorsitzenden mit dem Verantwortlichen hat er seine Mitgliedschaft in der Piratenpartei mit sofortiger Wirkung gekündigt.

      Zudem laufen strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Billigung von Straftaten.

  • Küstenkind

    Sehr geehrter Breyer, bitte lassen Sie sich nicht durch meinungskonforme Jasager-Beamte, wie Herrn Anonymus, in der Sache beinflussen. Bleiben Sie weiter investigativ. Die Polizeiführung im IM zerlegt sich ja momentan selber. Der “rechtzeitige” Erlass, zur Einschränkung der Arbeitsfähigkeit unserer Polizeibeauftragten, spricht eine deutliche Sprache. Für wie blöd halten die uns eigentlich? Wie es mit der Meinungsfreiheit ggü. dem Führungspersonal der Landespolizei bestellt ist mag man u. a. auch daran erkennen, dass sich niemand traut in den sozialen Medien eine Äußerung abzugeben. Die Bestrafung würde unweigerlich auf dem Fuße folgen.

  • Küstenbruder

    Herr Breyer, danke für Ihre Arbeit … Sie mögen auch ganz eigene Motive haben, aber Sie unterstützen die Polizei und die Polizisten, die überzeugt ihren Dienst tun. Das Problem ist eine Führung, die eigennützig Macht und Druck ausübt und jetzt versucht, um die Reihen zu schließen und die Solidarität der Mitarbeiter zu bekommen, Ihre Vorwürfe als Angriff auf DIE Polizei darzustellen.
    Und eine Gewerkschaft GdP und ihre Personalvertreter machen das Spiel mit und positionieren sich gegen eine Polizeibeauftragte, die als letzte verbliebene Instanz Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte unterstützt (mehr als 70 von insgesamt 110 Fällen betreffen polizeiinterne Probleme).
    Der Erlass des Innenministers zur Zusammenarbeit mit der Polizeibeauftragten ist ein Skandal und stärkt das Prinzip “Deckel drauf halten”. Wann positionieren sich endlich unsere Vertreter des Volkes gegen diese Entwicklungen und sehen mal hinter die Kulissen.

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