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Breyers Netzwelt Warum Video-Lügendetektoren pseudowissenschaftlicher Sicherheits-Hokuspokus sind

Von Patrick Breyer | 30.01.2019, 14:42 Uhr

Ein Video-Verdächtigungssystem kann schnell zum Alptraum werden, schreibt unser Kolumnist.

Werden Behörden und Unternehmen uns künftig einem Lügendetektor-Test unterziehen, ohne dass wir es merken? Die EU fördert die Entwicklung genau dieser Technologie zur Überprüfung Einreisewilliger. Mithilfe eines Internet-Videochats sollen unbewusste Gesichtsausdrücke des einreisewilligen Bürgers schon im heimischen Wohnzimmer vollautomatisch analysiert werden. Je nach Ergebnis kann dies zu einer verschärften Befragung oder gar zur Einreiseverweigerung führen.

Meine Meinung: Mit diesem pseudowissenschaftlichen Sicherheits-Hokuspokus findet man keine Terroristen. Lügendetektoren sind hierzulande vor Gericht gerade deshalb nicht als Beweismittel zugelassen, weil sie nicht funktionieren. Für gestresste, nervöse, auffällig angezogene oder müde Menschen kann ein solches Video-Verdächtigungssystem schnell zum Alptraum werden.

Mit Projekten wie diesem beutet ein in den letzten Jahren gewachsener polizeilich-industrieller Komplex nicht nur unsere Ängste aus, sondern schürt zusätzliche Verunsicherung unter den so Kontrollierten. Systeme zur Erkennung auffälligen Verhaltens erzeugen schrittweise eine gleichförmige Gesellschaft passiver Menschen, die um keinen Preis auffallen wollen. Eine solche tote Überwachungsgesellschaft ist für mich keine lebenswerte Zukunft.

Die wahre Motivation dieser Orwell‘schen Verdächtigungsmaschine liegt für die Industrie in der Spekulation auf Millardengewinne und für die beteiligten Regierungen im Wunsch nach Personaleinsparung an der Grenze. Das würde aber weniger Sicherheit für uns bedeuten.

Nach dem berüchtigten INDECT-Forschungsprojekt zur Überwachung des öffentlichen Raums bestätigt das neue iBorderCtrl-Projekt, dass die EU-Sicherheitsforschung dringend demokratisiert und ethisch eingegrenzt werden muss. Der Überwachungswahn der letzten Jahre hat lediglich bewirkt, dass sich die Bürger trotz sinkender Kriminalität immer unsicherer fühlen.

Patrick Breyer ist Sprecher für Datenschutz bei der Piratenpartei.

TEASER-FOTO: imago/HärtelPRESS