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Bundesratsinitiative für eine Abschaffung der WLAN-Störerhaftung – Interview mit Patrick Breyer | netzpolitik.org [extern]

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Neuer Impuls für echte Rechtssicherheit beim Betrieb offener WLANs: Die Landesregierung Schleswig-Holsteins wird im Bundesrat eine Gesetzesinitiative für die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung starten. Wir haben mit Patrick Breyer gesprochen, dessen Piratenfraktion die Sache angestoßen hat.
Schleswig-Holstein wird im Bundesrat eine Gesetzesinitiative für die endgültige Abschaffung der WLAN-Störerhaftung starten. Damit soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden, die die Große Koalition bei ihrer WLAN-Reform im Sommer offen gelassen hatte. Ein entsprechender Antrag [PDf] der Landtagsfraktion der Piraten wurde gestern auch mit den Stimmen von SPD, Grünen, SSW und FDP angenommen. Wir haben darüber mit dem Vorsitzenden der Piraten im Kieler Landtag, Patrick Breyer, gesprochen.
netzpolitik.org: Alle wollen mehr freie Internetzugänge, aber die WLAN-Störerhaftung lebt weiter: Die Betreiber offener Netze haben in Deutschland auch Ende 2016 immer noch keine Rechtssicherheit vor kostenpflichtigen Abmahnungen für Rechtsverstöße Dritter. Warum nicht?
Patrick Breyer: Das liegt an der Content-Mafia. Zu ihren Gunsten hat die Politik eine EU-Richtlinie zum Schutz „geistigen Eigentums“ erlassen und die Rechtsprechung die „Störerhaftung“ erfunden. Einige Gerichte fordern von WLAN-Anbietern alles Menschenmögliche, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern – das ist das Ende des freien Internets und ein Einfallstor für Zensur und Bespitzelung. Provider dürfen keine Internetpolizei sein, sie haben das Fernmeldegeheimnis zu achten.
netzpolitik.org: Der EuGH hat die Situation neulich sogar noch komplizierter gemacht – und zur Abschreckung vor Urheberrechtsverletzungen die Möglichkeit gestärkt, dass Gerichte Passwort- und Identifizierungspflichten verordnen. Die große Zeit des Filesharing ist doch aber ohnehin vorbei; Film- und Musikindustrie haben sich nach dem Verschlafen des digitalen Wandels inzwischen konsolidiert. Wie rechtfertigen die Gegner offener Netze das grassierende Abmahnwesen?
Patrick Breyer: Ganz einfach: Massenabmahnungen rechnen sich für die Beteiligten. Aber auch die Netzgemeinde ist nicht in Gänze bereit, eine Pauschalvergütung an die Urheber zu zahlen (z. B. durch eine überschaubare Abgabe auf Internetanschlüsse), wenn im Gegenzug privates Filesharing legalisiert wird. Ohne Entschädigung wird das nicht umsetzbar sein.
Haftungsfreistellung auch für Unterlassungsansprüche
Der Vorsitzende der Piratenfraktion im Kieler Landtag, Patrick Breyer. Foto: CC BY-NC-ND be-him.
netzpolitik.org: Wie wollt ihr Bewegung in die festgefahrene Situation bringen?
Patrick Breyer: Auf unsere Initiative hin hat der Landtag gestern die schleswig-holsteinische Regierung aufgefordert, über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative einzubringen, die sicherstellt, dass WLAN-Internetzugänge rechtssicher und dauerhaft ohne Zugangscode und Identifizierung der Nutzer öffentlich angeboten werden können. Dazu ist gesetzlich klarzustellen, dass die Haftungsfreistellungen des Telemediengesetzes auch für Unterlassungsansprüche gelten. Die letzte Reform hat dieses Schlupfloch nicht geschlossen, und der Bundesgerichtshof hat es in seiner letzten Entscheidung prompt wieder genutzt und erneut eine Verschlüsselung von WLANs gefordert.
netzpolitik.org: Einige Kritiker argumentieren, dass sich Unterlassungsansprüche als Grundlage der Abmahnindustrie aufgrund europarechtlicher Vorgaben nicht grundsätzlich ausschließen lassen – was sagt ihr dazu?
Patrick Breyer: Anordnungen nach der Urheberrechtsrichtlinie dürften nach der eigenen Rechtsprechung des EuGH niemanden von der rechtmäßigen Internetnutzung ausschließen, müssten Urheberrechtsverletzungen deutlich erschweren und Nutzer ernsthaft davon abhalten. Eine Passwort- und Identifizierungspflicht für WLAN-Anbieter erfüllt diese Anforderungen nicht. Aufgrund des damit verbundenen Aufwands schließen solche Sicherungen faktisch viele Menschen von der rechtmäßigen Internetnutzung aus. Da Urheberrechtsverletzungen trotz Passwort und Identifizierung keinem konkreten Nutzer zuzuordnen sind, werden Urheberrechtsverletzungen auch weder deutlich erschwert noch werden Nutzer ernsthaft davon abgehalten. Im Übrigen lässt die Urheberrechtsrichtlinie den Datenschutz unberührt (Art. 9 RiL 2001/29/EG). Mit dem Datenschutzrecht und dem Grundsatz der Datenminimierung ist es unvereinbar, alle Nutzer eines WLAN-Internetzugangs auf Vorrat zu identifizieren.
An ihren eigenen Ankündigungen gemessen, müsste die GroKo zustimmen
netzpolitik.org: Der Landtag hat eurem Antrag zugestimmt und die Landesregierung offiziell aufgefordert, eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen. Wie geht das Verfahren nun konkret weiter?
Patrick Breyer: Die Landesregierung wird nun über die Schritte zur Umsetzung beraten. Ich werde bald eine Anfrage einreichen, um die Zeitplanung in Erfahrung zu bringen.
netzpolitik.org: Damit die Initiative im Bundesrat Erfolg hat, bräuchte Schleswig-Holstein die Unterstützung anderer Bundesländer. Nun sind die Piraten nur noch in wenigen Landesparlamenten vertreten und an keiner Regierung beteiligt. Hast du einen Überblick, wie die Stimmung in den anderen Bundesländern ist? Gibt es eine realistische Aussicht auf Erfolg in der Länderkammer?
Patrick Breyer:Der Bundesrat hat sich in der letzten Runde klar für eine Abschaffung der Störerhaftung positioniert. Nachdem dies der Großen Koalition nicht gelungen ist, muss nachgebessert werden. Herr Gabriel hat zudem öffentlich angekündigt, nachbessern zu wollen – an ihren eigenen Ankündigungen gemessen, wird die Große Koalition unserer Initiative zustimmen müssen.
netzpolitik.org: Vielen Dank für das Gespräch.
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