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Breyers Netzwelt Anonymität im Netz: Mehr Nutzen als Schaden

Von shz | 16.01.2016, 08:00 Uhr

Unser Gastkolumnist Patrick Breyer (Piraten) nennt drei Gründe für das Recht auf anonyme Meinungsäußerung im Netz.

Hassbotschaften in der Flüchtlingsdebatte und IS-Propaganda in sozialen Medien sind die neuesten Auslöser für Politiker von SPD, FDP und CSU, gegen den unzensierten und anonymen Meinungs- und Informationsaustausch im Internet zu Felde zu ziehen. Doch Einschränkungen würden unserer Gesellschaft mehr schaden als nutzen. Die wichtigsten drei Gründe wegen derer wir das Recht auf anonymen Meinungs- und Informationsaustausch im Netz gerade jetzt einfordern und verteidigen sollten:

1. Der Nutzen des unbefangenen Meinungsaustauschs überwiegt den Schaden, der durch Missbrauch entstehen kann, bei weitem: Telefonseelsorge und Beratungsstellen können immer wieder Menschen, die im Schutz der Anonymität Rat suchen, von geplanten Gewalttaten abbringen (z.B. Amoklauf, Tötung einer untreuen Ehefrau). Gewalt- und Stalkingopfer öffnen sich meist nur im Schutz der Anonymität oder nehmen an Selbsthilfeforen teil. Und Korruption, Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen kommen oft nur ans Tageslicht und können abgestellt werden, wenn Insider sie ohne Furcht vor Repressalien melden können („Whistleblowing“).

2. Beleidigungen oder Volksverhetzung im Netz können schnell wieder gelöscht werden, auch wenn kein Name dabei steht – aber bitte nach gerichtlicher Prüfung und nicht von einem Privatzensor wie Facebook. Im Zeitalter des Internets brauchen wir eine internationale Verständigung darüber, welche Inhalte unzulässig sind. Bei den US-Datenkraken Facebook und Twitter gibt es ohnehin keine echte Anonymität. Die Verfolgung von Straftaten im Netz ist schon heute sehr viel häufiger möglich (Aufklärungsquote 66%) als zum Beispiel von Wohnungseinbrüchen (Aufklärungsquote 16%).

3. Um Hass und Gewalt in den Köpfen zu begegnen, ist die Unterdrückung des unbefangenen Meinungsaustauschs der falsche Weg und führt eher zu einer Radikalisierung im Untergrund. Die richtige Antwort auf Hetze im Netz geben Anja Reschke und Marina Weisband, wenn sie zu einem „Aufstand der Anständigen“ aufrufen: Wie auf der Straße bei Demos gegen Rechts ist es auch im Netz unsere Verantwortung als Bürger, den Mund aufzumachen und Haltung zu zeigen. Hetzer und Antidemokraten dürfen nie den Eindruck bekommen, sie sprächen für die „schweigende Mehrheit“. Menschenrechte und Demokratie verteidigen können letztlich nur wir Bürger selbst – und das müssen wir gegen Terroristen und Hetzer ebenso tun wie gegen kontrollwütige Politiker.


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