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Landesregierung: Gerichtsakten sind öffentlich zugänglich

Anfragen Freiheit, Demokratie und Transparenz Juristisches Landtag

Jeder Bürger kann Einsicht in die Akten von Gerichtsverfahren nehmen, sobald diese abgeschlossen sind. Dies teilt Schleswig-Holsteins Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage mit. Das Informationszugangsgesetz des Landes sei auch auf Gerichtsakten anwendbar.

Mein Kommentar: Jetzt haben wir es in bemerkenswerter Klarheit schwarz auf weiß: Auch Gerichte und Staatsanwaltschaften haben Presse und Bürgern prinzipiell Einblick in die Akten abgeschlossener Verfahren zu gewähren. Ausnahmen gelten nach der neuen Landesverfassung nur, wo öffentliche oder private Interessen schwerer wiegen als das öffentliche Informationsinteresse.
Es ist gut, dass die Justiz transparenter wird, wenn sie im Namen des Volkes Recht spricht oder Straftaten verfolgt. Bei Gerichtsverhandlungen weiß die Justiz seit jeher: Öffentlichkeit schafft Vertrauen. Dass die Öffentlichkeit nun auch in Akten Einsicht nehmen darf, scheint in der Justiz aber teilweise noch eine große Unbekannte zu sein. Erst neulich hat es ein Kieler Staatsanwalt abgelehnt, mir rechtskräftige Urteile in Korruptionsverfahren anonymisiert zukommen zu lassen. Jetzt prüft der Generalstaatsanwalt meinen Antrag.
Ich wünsche mir, dass die ‘offene Akte’ von der Presse genutzt und von der Justiz lebendig praktiziert wird. Und ich wünsche mir, dass künftig auch abgeschlossene Akten des Landesrechnungshofs und des Landtags zugänglich werden. Die rot-grün-blaue Koalition hat nach Hamburger Vorbild eine aktive, eigenständige Veröffentlichung amtlicher Informationen versprochen. Nach zwei Jahren an der Macht wird es Zeit, dass sie dieses Versprechen einlöst.
Die Antwort der Landesregierung auf meine Anfrage
Ergänzung vom 02.04.2016:
Der Justizstaatssekretär hat einer Berufung auf die genannte Rechtsauffassung entgegen gehalten, die Frage sei “keineswegs geklärt“. Auf Nachfrage teilt die Landesregierung nun jedoch mit, diese “Hinweise” änderten nichts an der Auffassung der Landesregierung, dass das Informationszugangsgesetz Anwendung finde. Allerdings scheint die Landesregierung nicht bereit zu sein, die Justiz zur Umsetzung dieser Rechtsauffassung anzuhalten, so dass jedes Gericht selbst entscheidet.

Kommentare

9 Kommentare
  • Jens

    Die Antwort der Landesregierung ist in diesem Punkt sachlich schlicht falsch. Die Einsicht in Prozessakten ist bundesrechtlich abschließend geregelt (zB § 299 II ZPO) und einer erweiternden Regelung durch Landesrecht unzugänglich. Entsprechend ist auch § 2 Abs. 4 IZG SH zu interpretieren. Vgl. auch BGH, Beschluss vom 30.11.2011 – I ZB 56/11 zum InformationsfreiheitsG.

    • Patrick Breyer

      Ich bin anderer Meinung. Der BGH hatte über einen Sonderfall zu entscheiden, nicht über die allgemeine Frage der Einsicht in Prozessakten. Er wendet auch kein Landesrecht an.

  • -thh

    Eine transparente Justiz ist gut – Akteneinsicht an unbeteiligte Dritte in gerichtliche Akten, insbesondere, aber nicht nur in Strafverfahren ist das hingegen nicht.
    In Strafsachen, aber auch in anderen gerichtlichen Verfahren setzt der Staat – begründet, aber dennoch – umfangreiche Machtmittel ein, um Sachverhalte teilweise sehr umfassend bis tief in die Privatsphäre der Beteiligten aufzuklären, die unter der Androhung von Zwangsmitteln Rede und Antwort stehen müssen. Das ist erforderlich, um Straftaten aufzuklären und die Frage nach Schuld und Strafe in einem Strafverfahren zu beantworten; es ist auch erforderlich, um in einem familienrechtlichen Verfahren aufzuklären, welche Umgangsregelungen dem Kindeswohl am ehesten entsprechen, um in einem Zivilverfahren zu klären, ob ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt oder in einem Betreuungsverfahren die Frage zu beantworten, ob der Betroffene seine eigenen Angelegenheiten noch besorgen kann oder nicht. Alle diese Einzelheiten aus der Familien- und Beziehungsgeschichte, private Briefe, Krankenakten und Befunde, ja das ganze Leben der Beteiligten sind – mal mehr, mal weniger – für eine gerichtliche Entscheidung erforderlich und müssen daher Gegenstand des Verfahrens werden.
    Sie gehen unbeteiligte Dritte aber nun wirklich nichts – gar nichts – an. Es hat daher einen guten Grund, dass Dritten diese Einsicht grundsätzlich auch nicht möglich ist.
    Mit Transparenz hat das nichts, mit informationeller Selbstbestimmung hingegen sehr viel zu tun. Mit einer Abwägung dieser beiden Gesichtspunkte hat die Piratenpartei offensichtlich weiterhin ganz erhebliche Schwierigkeiten.

    • Patrick Breyer

      Sehr geehrte/r Leser/in,
      besten Dank für Ihre Rückmeldung. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen vom Informationszugang auch zu Gerichtsakten. Wie im Beitrag erwähnt, gelten Ausnahmen, wo öffentliche oder private Interessen schwerer wiegen als das öffentliche Informationsinteresse. Dabei ist insbesondere der Datenschutz zu berücksichtigen. Wie die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen zeigt, können Konflikte mit dem Datenschutz regelmäßig durch Anonymisierung ausgeschlossen werden. Absoluten Vorrang in allen Gerichtsverfahren hat dieser schon heute nicht, wie die regelmäßig öffentlichen Gerichtsverhandlungen in Strafsachen zeigen. Wo die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist, wird regelmäßig auch ein Aktenzugang nicht in Frage kommen.
      Wir Piraten setzen uns gleichermaßen für Datenschutz und Transparenz ein nach dem Motto “Transparenter Staat statt gläserner Bürger”.

      • Leser

        Hallo Herr Breyer, Ihre Forderung ist sehr konkret, die Eingrenzung aber viel zu schwammig.
        Strafverfahren sind öffentlich, das stimmt. Der Schall verfliegt aber im Moment des Aussprechens; sie können ihn nicht mehr zurückholen, nicht kopieren usw.
        Auch werden im mündlichen, öffentlichen Teil der Verhandlungen lange nicht alle Details in aller Offenheit breitgetreten, die aber in den Akten stehen.
        Aus gutem Grund sind keine Kameras und Audioaufnahmegeräte während der Verhandlung zugelassen.
        Mir scheint, die Piraten haben vor lauter Digitalisierungswahn schon lange das gesunde Maß verloren und vor allem ihre Wurzeln einer einstigen Bürgerrechts(!!!)bewegung vergessen.

  • Peter von Kapri

    Frohes Neues Jahr!
    Ich habe den Beschuldigten im Architekten Mord in Düsseldorf in der JVA betreut.
    Er behauptete unschuldig zu sein.
    An wen muss ich mich wenden, um Einsicht in seine Akte zu nehmen?
    Gruß
    Peter von Kapri

    • Patrick Breyer

      Zuständig ist die Staatsanwaltschaft, die Anklage erhoben hat. Der Beschuldigte selbst hat natürlich ein Einsichtsrecht, ohne Informationsfreiheitsgesetze bemühen zu müssen.

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