Netzpolitik in SH Vier Jahre im Kieler Landtag: Piraten wollen Spielregeln ändern

Von Anja Christiansen | 15.07.2016, 20:28 Uhr

„Wir sind unbequem“ – die schleswig-holsteinischen Piraten mischen seit vier Jahren den Kieler Landtag auf. Und sie wollen noch einmal verlängern.

Damit Piraten ihren Job ausüben können, brauchen sie das Wasser und müssen den Horizont im Blick haben. Bei der Landtagsfraktion der schleswig-holsteinischen Piratenpartei sind zumindest räumlich beste Voraussetzungen dafür gegeben. Dass sich das Büro des Fraktionsvorsitzenden Patrick Breyer im dritten Stock des Landtagsgebäudes in Kiel auf demselben Flur befindet wie die Räume der SPD-Fraktionsmitglieder, verschleiert den Blick auf die gesetzten Ziele nicht. Eines davon: im nächsten Jahr wieder in den Landtag gewählt werden. Ob sich die Regale in seinem Büro, die auch nach vier Jahren Landtagszugehörigkeit fast leer sind, dann füllen werden? „Wir machen viel digital“, sagt Breyer, zückt aber wenige Momente später sein Uralt-Handy – ohne Kamera, ohne Internet, ohne Apps. Aus Datenschutzgründen, erklärt er. Und das als Fraktionschef einer Partei, in deren Liste von Kernthemen sich viel Digitales findet.

Die Piraten sind vor vier Jahren in den schleswig-holsteinischen Landtag eingezogen – und setzten Digitales mit nach oben auf ihre Agenda. Im nächsten Jahr stehen Wahlen an. Ob sie es noch einmal ins Parlament schaffen, ist ungewiss.

„Netzpolitik ist etwas, das querbeet stattfindet“, sagt Torge Schmidt. „Das geht über Finanzen, offene Haushalte, Bildungspolitik bis hin zu Sozialem oder Telemedizin“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, der nicht nur im Besitz eines Smartphones ist, sondern auf dem Gerät auch das von Datenschützern kritisierte, aber aktuell sehr beliebte mobile Spiel „Pokémon Go“ spielt. Ein Widerspruch? Die Piraten seien wohl die einzige Fraktion, die dem Spiel eine halbe Stunde Diskussion eingeräumt hat, sagt Breyer – mit dem Ergebnis, davor wegen der Aufzeichnung der Standortdaten zu warnen. Schmidt spielt es trotzdem. Diese Standortdaten seien wenig aufschlussreich für die Bildung eines Bewegungsprofils, erklärt er. Sie bildeten schließlich nicht seine Routinen ab.

Kleine oder größere netzpolitische Erfolge konnten die Landespiraten in den vergangenen vier Jahren feiern, auch in vielen anderen Bereichen waren die Piraten in der Vergangenheit aktiv und wollen es auch weiter sein. Auf ihre Initiative setzte sich der Landtag für die Abschaffung der Störerhaftung ein, bahnbrechend hierbei auch die Klage eines bayerischen Piraten. Sie scheiterten jedoch damit, Informatikunterricht als Pflichtfach an Schulen zu etablieren.

Themen wie diese stünden aber bei den etablierten Parteien in zweiter Reihe. „Die Bedeutung der digitalen Revolution ist noch nicht bei allen angekommen“, sagt Breyer. „Wir sind gesellschaftlich total hintenan“, stimmt Schmidt zu. „Vor vielen Themen hat man eher Angst, als dass man versucht, sie zu gestalten.“

Doch ein Ziel der Piraten sei es, die Spielregeln zu ändern. „Wir sind unbequem“, sagt Breyer. Die etablierten Parteien hätten mehr zu verlieren oder eine Vergangenheit, die sie ausbremse. Klartext sprechen, provozieren, polarisieren – so schaffe man Aufmerksamkeit. Nur informierte Bürger seien in der Lage mitzubestimmen, das gebe ihnen Macht zurück. Mit mehr Bürgerbeteiligung solle Schleswig-Holstein „die Schweiz des Nordens“ werden – wenn es nach den Piraten ginge.

> Auf dem Landesparteitag am Wochenende in Neumünster soll das Programm für die Landtagswahl beschlossen werden.