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Polizeispitze muss gehen

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Das einstige Vertrauen – hier eine Pressekonferenz im August – ist dahin: Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU, r.) will, dass Jörg Muhlack, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, jetzt seinen Posten räumt. J Fotos: dpa
Das einstige Vertrauen – hier eine Pressekonferenz im August – ist dahin: Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU, r.) will, dass Jörg Muhlack, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, jetzt seinen Posten räumt. J Fotos: dpa © -

Kiel - Nach der Affäre um mögliche Pannen und Fehlverhalten bei Ermittlungen gegen Rocker muss Schleswig-Holsteins Polizeiführung ihre Posten räumen. Landespolizeidirektor Ralf Höhs und Jörg Muhlack, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, sollen ihren Job aufgeben. Er halte „eine kurzfristige Neubesetzung der Abteilungsspitze für zwingend erforderlich“, sagte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU).

Er habe Muhlack innerhalb der Landesverwaltung eine „neue wichtige und gleichwertige Verwendung zum Jahreswechsel angeboten“. Staatssekretär Torsten Geerdts (CDU) habe Höhs mit seinem Einverständnis ebenfalls eine „andere berufliche Perspektive vorgeschlagen“.

Grote teilte mit: „Ich trete der Behauptung, es gehe bei dieser Personalentscheidung um eine vorweg genommene Konsequenz aus Ermittlungen im Rahmen der so genannten ,Rocker-Affäre‘ mit allem Nachdruck entgegen.“ Der von ihm ernannte Sondermittler und Ex-Innenminister Klaus Buß (SPD) werde die Vorwürfe aufarbeiten. „Die Spitzen der Polizei brauchen angesichts der Vielzahl an Herausforderungen ihre ganze Kraft, um sich auf die Gestaltung der Zukunft unserer Landespolizei zu konzentrieren“, begründete Grote das Vorgehen. Laut dpa geht Landeskriminalamts-Chef Thorsten Kramer freiwillig.

Das Trio war in den vergangenen Monaten in die Kritik geraten. Die SPD hat einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu der seit Mai schwelenden Affäre angekündigt. Im Raum stehen Vorwürfe wie mögliche Aktenmanipulation, Unterdrückung von Beweismitteln, Mobbing durch zwei LKA-Ermittler und Dienstvergehen im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Rocker wegen einer Messerstecherei in Neumünster im Jahr 2010. Zwei Polizisten sagten, ihr Vorgesetzter habe sie gehindert, entlastende Aussage eines Informanten aus der Rockerszene vollständig zu protokollieren. Sie seien gemobbt und gegen ihren Willen versetzt worden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte mit Erstaunen auf die Entwicklung. GdP-Landesvorsitzender Torsten Jäger sagte, Unverständnis habe die Gewerkschaft über eine Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt. „Wir waren und sind weiter für Aufklärung in der so genannten Rockeraffäre.“

Laut den „Lübecker Nachrichten“ hat Muhlack die Politik erst kürzlich nicht über große Ermittlungsvorgänge im Land informiert. Es soll Kritik an seiner Informationspraxis gegeben haben. Es geht aber auch um den Hintergrund der mutmaßlichen Führung eines langjährigen Informanten des LKA und um Zusammenhänge mit dem Verbotsverfahren gegen das „Bandidos Probationary Chapter“ Neumünster im Jahr 2010. Ende September hatte das Innenministerium dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtags Dokumente im Umfang von rund 80 Aktenordnern übergeben.

SPD-Innenpolitiker Kai Dolgner hatte im August angekündigt, in einem Untersuchungsausschuss auch Vorwürfe zu thematisieren, es gebe ein Netzwerk innerhalb der Polizeiführung, das für ein „Klima der Angst“ verantwortlich sei. Für SPD-Fraktionschef Ralf Stegner hat die Aufklärungsarbeit Dolgners erste Früchte getragen. „Denn offenbar sieht sich der Innenminister durch die bloße Ankündigung eines Untersuchungsausschusses schon so unter Zugzwang gesetzt, dass er bereits jetzt personelle Konsequenzen zieht. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die erhobenen Vorwürfe nicht substanzlos sind und eine Aufklärung geboten war und ist.“

Publik gemacht hatte die Vorwürfe im Frühjahr der damalige Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer. „Die überfällige Ablösung macht den Weg frei für einen personellen Neuanfang auf Führungsebene und eine neue Führungs- und Fehlerkultur in der Polizeiführung, die offen mit Fehlern umgeht, die nötigen Konsequenzen zieht und Hinweisgeber auf Missstände vor Repressalien und Mobbing schützt“, sagte er. J dpa

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