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Verfassungsgericht bestätigt: FDP macht illegale Wahlwerbung auf Steuerzahlerkosten [ergänzt]

Allgemein

gut-gemacht-fdpDie FDP-Bundestagsfraktion missbraucht seit zwei Jahren Steuermittel, um vor Wahlen werbende “Informationsschreiben” zu versenden und Kinospots zu finanzieren. Die Werbebriefe werden gezielt im Vorfeld von Wahlen von einer Marketingagentur an bestimmte Zielgruppen versandt, so vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein (an Mittelständler, Thema: Schuldenabbau), vor der Landtagswahl in Niedersachsen und jetzt vor der Bundestagswahl (an Rechtsanwälte, Thema: Rechtspolitik).
Wir haben uns schon 2012 vor dem Landesverfassungsgericht über die illegale FDP-Wahlwerbung aus Steuermitteln beschwert (siehe auch meine Pressemitteilung). Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht wird eine Woche vor der Bundestagswahl darüber entscheiden, ob die Landtagswahl deshalb annulliert werden muss. Sogar das Bundesverfassungsgericht befasst sich mittlerweile mit dem Vorfall (Az. 2 BvE 3/12), hat bislang aber nicht in der Hauptsache entschieden.
Eine erste Entscheidung hat nun der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof gefällt: Auch wenn Auswirkungen auf den Wahlausgang ungewiss seien, habe die FDP-Bundestagsfraktion “gegen das in der Vorwahlzeit bestehende Mäßigungsgebot verstoßen”. Hier die entsprechende Passage des Urteils vom 16. Juli 2013 im Wortlaut (Az. VerfGH 17/12):

Zwar ist die Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften insoweit zulässig, als sie – bezogen auf ihre Organtätigkeit – der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die zukünftig zu lösenden Fragen darlegen und erläutern darf (vgl. BVerfGE 44, 125, 147). Die Öffentlichkeitsarbeit muss allerdings schon den bloßen Eindruck einer werbenden Einflussnahme zu Gunsten einzelner Parteien vermeiden. So darf die Regierung sich nicht als von bestimmten Parteien getragen darstellen und für deren Wiederwahl werben (vgl. BVerfGE 44, 125, 149). Ob dies auch für Parlamentsfraktionen in gleichem Umfang gilt und ob sie in gleicher Weise einem Neutralitätsgebot unterworfen sind wie Regierungen (differenzierend VerfGH Rh.-Pf., OVGE 29, 362, 376 ff., 380; StGH Bremen, StGHE BR 5, 89, 108; Entwurf eines Fraktionsgesetzes, BT-Drs. 12/4756, S. 7, zu § 47 AbgG; Koch/Mohring, ThürVBl. 2010, 199, 200; Schröder, NVwZ 2005, 1280, 1281), bedarf keiner Klärung. Denn jedenfalls in der Vorwahlzeit muss die Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und Parlament einschließlich der Fraktionen das Gebot äußerster Neutralität und Zurückhaltung beachten. Selbst wenn sich die Öffentlichkeitsarbeit weder durch ihren Inhalt noch durch ihre äußere Form als Werbemaßnahmen zu erkennen gibt, kann sie unzulässig sein, wenn sie im nahen Vorfeld der Wahl ohne akuten Anlass erfolgt. In dieser Phase tritt die Befugnis von Parlament und Regierung, den Bürger auch über zurückliegende politische Tatbestände, Vorgänge und Leistungen sachlich zu informieren, zunehmend hinter das Gebot zurück, die Willensbildung des Volkes vor den Wahlen nach Möglichkeit von staatlicher Einflussnahme freizuhalten. Aus dieser Verpflichtung folgt etwa in Wahlkampfzeiten das Verbot jeglicher mit Haushaltsmitteln betriebenen Öffentlichkeitsarbeit in Form von sog. Arbeits-, Leistungs- oder Erfolgsberichten. Denn in der „heißen Phase“ des Wahlkampfes gewinnen solche Veröffentlichungen in aller Regel den Charakter parteiischer Werbemittel in der Wahlauseinandersetzung, in die einzugreifen Parlament und Regierung verboten ist (vgl. BVerfGE 63, 230, 244).
Nur unter Beachtung dieser verfassungsrechtlichen Grenzen können Parlamentsfraktionen die Öffentlichkeit über ihre Arbeit unterrichten (vgl. § 47 Abs. 3 AbgG). Sie dürfen insbesondere Haushaltsmittel, die sie als staatliche Zuschüsse zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhalten, nicht für Parteiaufgaben verwenden (vgl. § 50 Abs. 4 Satz 2 AbgG). Andernfalls würden sie die Regelung der Parteienfinanzierung unterlaufen, die mit Rücksicht auf die Staatsfreiheit der Parteien auf eine Teilfinanzierung beschränkt ist (vgl. §§ 18 ff. PartG).
Unterstellt man die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Tatsachen als richtig, hat die FDP-Bundestagsfraktion gegen das in der Vorwahlzeit bestehende Mäßigungsgebot verstoßen. Zwar weisen die Werbebotschaften innerhalb der letzten Wochen vor dem Wahltag auch einen Bezug zur parlamentarischen Arbeit der Bundestagsfraktion auf und verzichten auf ausdrückliche Wahlwerbung für die anstehenden Landtagswahlen. Der werbende Effekt für die FDP ist aber nicht lediglich als notwendige Folge der Öffentlichkeitsarbeit in Kauf genommen, sondern sogar gezielt für den Landtagswahlkampf eingesetzt worden. Das ergibt sich zum einen aus der Verwendung wahlkampftypischer Werbeformen und der Inanspruchnahme auf den Wahlkampf zugeschnittener Versanddienstleistungen unmittelbar vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ohne akuten Anlass auf Bundesebene. Zum anderen folgt dies daraus, dass die Informationsbroschüre aus der inhaltlich breit angelegten Arbeit der FDP-Bundestagsfraktion zum Motto „Freiheit bewegt“ besonders das Thema „Schuldenabbau“ herausgegriffen hat, das im Wahlkampf der FDP in Nordrhein-Westfalen eine zentrale Rolle gespielt hat. Damit wurden die in das Kleid der Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion gehüllten Werbebotschaften für den nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf instrumentalisiert. Die verfassungsrechtlich vorgegebene Grenze zwischen der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit einer Fraktion und der unzulässigen Parteienwerbung dürfte somit nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers überschritten worden sein.

slsDie FDP-Fraktion ist unbelehrbar: Kurze Zeit nach dem Urteil hat sie erneut Werbebriefe versandt. Wer stoppt diesen Missbrauch von Steuergeldern? Bundestagspräsident Lammert (CDU) will nichts unternehmen.
Übrigens: Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ist Mitglied der Fraktion, die diesen Verfassungsbruch begeht.
Hier die illegal finanzierten Werbespots:

Ergänzung vom 29.09.2015: Frontal21 berichtet über Finanztrickserei bei der FDP – Geschönte Bilanz 2013

Kommentare

6 Kommentare
  • Jens

    “Bundestagspräsident Lammert (CDU) will nichts unternehmen.”
    Kann ihn die Piratenpartei verwaltungsgerichtlich oder per Organklage dazu zwingen?

  • Malte Sommerfeld

    Nur mal als Gedankengang:
    Benachteiligt werden die anderen Parteien und nicht die anderen Bundestagsfraktionen. Also sollte – auf dem einen oder anderen Weg – ein EV erwirkt werden, welche diese Verwendung der Gelder untersagt. Verwaltungsgericht oder Ordentliches Gericht dürfte hier die Frage sein. Antragsgegner entweder Fraktion und/oder der Bundestag selbst.

  • Frederic Meyer

    Das die nicht ganz sauber sind war mir schon immer klar, aber jetzt ist es bewiesen 🙂
    Klarmachen zum ändern!!

  • borgdrone

    der Link bei “(Az. VerfGH 17/12)” geht auf der Seite dejure ins nichts

    • Patrick Breyer

      Hallo,
      danke für den Hinweis, ist behoben.

  • Salvtorius

    Vor der Btw13 kommt da eh kein Urteil mehr, alles andere interessiert doch diese gelben Trickser gar nicht. Schon gar nicht Deutschland und dessen Bevölkerung.

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