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Warum das Grundgesetz Neonazi-Demos erlaubt

Freiheit, Demokratie und Transparenz Juristisches Piratenpartei

Unser Grundgesetz wurde erarbeitet und verabschiedet als Antwort auf die menschenverachtende Unrechtsherrschaft des Nationalsozialismus, die über Europa und die Welt in unermesslichem Ausmaß Leid, Tod und Unterdrückung gebracht hat. Unter der totalitären Diktatur des Nationalsozialismus wurde ein Weltkrieg geführt und wurden Massenverbrechen an ethnischen, sozialen, politischen und religiösen Minderheiten verübt, darunter der historisch beispiellose Holocaust an etwa sechs Millionen europäischen Juden.
Wie ist es zu erklären, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes dennoch “unverletzliche und unveräußerliche” Rechte jedes Menschen – also auch von Nazis – eingeführt haben, solange diese Grundrechte nicht unter hohen Voraussetzungen vom Bundesverfassungsgericht aberkannt worden sind (Art. 18 GG)? Wieso dürfen Neonazis beispielsweise ihre Meinung frei verbreiten (Art. 5 GG), solange sie sich nicht der Volksverhetzung schuldig machen (§ 130 StGB)? Weshalb erlaubt unsere Verfassung Parteien, die das Grundgesetz ablehnen, solange sie es nicht aggressiv bekämpfen (Art. 21 GG)? Und warum garantiert das Grundgesetz selbst seinen Gegnern das – notfalls von der Polizei durchzusetzende – Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln (Art. 8 GG), selbst wenn gegen Freiheit und Menschenwürde demonstriert werden soll?

“Die Verfassung setzt … darauf, dass auch [eine totalitäre Ideologie] gesellschaftlich ertragen, ihr mit bürgerschaftlichem Engagement begegnet und letztlich in Freiheit die Gefolgschaft verweigert wird.”

So erklärt das Bundesverfassungsgericht den Weg der freiheitlichen Demokratie, für den wir uns entschieden haben. Das Grundgesetz baut im Grundsatz darauf, dass die freie Auseinandersetzung und die öffentliche Diskussion die wirksamsten Waffen gegen die Verbreitung totalitärer und menschenverachtender Ideologien sind.
Dass der Rechtsstaat selbst seinen Gegnern ermöglicht, ihre Ideologie kundzutun, verdeutlicht seine Überlegenheit gegenüber dem Totalitarismus, der Widerspruch nicht duldet. Gerade die “Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte” hat zu den “Akten der Barbarei geführt”, argumentiert die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Eine staatliche Duldung der Blockade von Neonazi-Demos würde es den Neonazis ermöglichen, sich als Opfer eines “linken Mobs” zu stilisieren und eine “Unterdrückung” des “wahren Volkswillens” zu behaupten. Wenn dagegen die Bürgerinnen und Bürger aus eigener Entscheidung, ohne dass rechte Propaganda hätte verhindert werden müssen, Nationalisten und Rassisten immer wieder eine Absage erteilen (z.B. in geheimer Wahl), dann wird am wirksamsten verhindert, dass sie jemals wieder Bedeutung erlangen. Außerdem hält die Ermöglichung auch von Neonazi-Demos die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dieser gefährlichen Ideologie wach und den bürgerschaftlichen Widerstand dagegen lebendig.
Rechtsextreme Aufzüge sind eine Zumutung für die Demokratie, weil die Segnungen unserer freiheitlichen Verfassung auch deren Feinden zuteil werden. Das Grundgesetz hat sich aber für einen solchen Umgang mit Rechtsextremen entschieden: Es geht selbstbewusst davon aus, dass menschenverachtende Auffassungen Rechtsradikaler in einer engagiert geführten öffentlichen Auseinandersetzung letztlich keine Chance haben.
Die Betonung liegt dabei auf “engagiert geführter öffentlicher Auseinandersetzung”: Freiheit und Demokratie in freier Auseinandersetzung zu verteidigen, setzt viel Engagement gegen ihre Gegner voraus. Nie dürfen wir ihnen das Feld überlassen. Wo Antidemokraten zur Normalität werden oder Resignation eintritt, wo ihre Angebote von Sozialberatung, Sport oder Kinderfesten konkurrenzlos sind, wo ihre Propaganda unwidersprochen bleibt, da ist die Demokratie in Gefahr.
Unsere freiheitliche, demokratische und rechtsstaatliche Grundordnung gegen ihre Gegner zu verteidigen, ohne deren Rechte zu verletzen, ist Verantwortung jedes Menschen. In diesem Sinne ist Antifaschismus Bürgerpflicht.
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Kommentare

1 Kommentar
  • Anonym

    aus welchem Grund sind dann die FDJ und KPD in der BRD verboten. Diese Organisation bzw. Partei haben kein Menschenverachtendes Ideologie, sind freiheitlich und demokratisch. Sind die verboten weil antifaschistisch?

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