Change language: Deutsch
Teilen:

Abgeordnete brauchen keine bessere Versorgung!

Landtag Piratenpartei

Zu der überraschenden, einstimmig beschlossenen Einsetzung einer Sachverständigenkommission zur Entwicklung eines neuen Versorgungssystems für schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete[1] erklärt der ehemalige Landtagsabgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei):

Finger weg von der Abgeordnetenversorgung, die in Schleswig-Holstein erst auf massiven öffentlichen Druck angemessen geregelt worden ist! Von den ‘Nöten’ der Parlamentarier kann der Normalbürger nur träumen. Im Vergleich zum Durchschnittsbürger (Arbeitnehmer) erhalten Abgeordnete schon heute weitaus höhere Altersversorgungsbeiträge: Ein Arbeitnehmer mit vergleichbaren Bezügen wie Abgeordnete würde von seinem Arbeitgeber bloß 604,50 Euro monatlich erhalten (9,3% der Beitragsbemessungsgrenze von 6.500 Euro). Der Alterversorgungsbeitrag für Abgeordnete von 1.875 Euro übersteigt selbst den Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung bei weitem. Die Diätenkommission empfahl 2001 einen Altersvorsorgebeitrag von nur 850 Euro pro Monat entsprechend dem damaligen Höchstbeitrag.

Der vom Steuerzahler zusätzlich zur Diät aufgebrachte Altersvorsorgebeitrag für Abgeordnete alleine reicht natürlich nicht zur angemessenen Altersabsicherung aus, das ist aber auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung wegen der fatalen Schröderschen Reformen nicht mehr der Fall. Abgeordnete müssen wie alle Bürger zusätzlich aus dem eigenen Gehalt privat für das Alter vorsorgen, was bei der hohen Diät von über 8.000 Euro im Monat problemlos möglich ist.

Das Abgeordnetenlamento über Finanzmarktkrise und Zinstief zieht nicht, weil sie alle Bürger gleichermaßen treffen und das eingezahlte Kapital von privaten Versicherern garantiert wird. Außerdem kann und sollte jeder Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, die nicht am Markt spekuliert. Abgeordnete sollen keine Extrawurst für sich verlangen. Ihr Verlassen des gesetzlichen Rentenversicherungssystems ist unsolidarisch, weil sie dadurch keinen Beitrag zur Finanzierung der Renten unserer Eltern mehr leisten.

Es ist kein Zufall, dass dieser Beschluss erst nach dem Aus für uns PIRATEN im Landtag getroffen wurde. Mit uns hätte es ihn nicht gegeben. Entlarvend ist, dass die Schein-Protestpartei AfD mitmacht, wenn es um die eigenen Pfründe geht – wie schon bei Chauffeur und Diätenzulagen.”

Hintergrund: Die Diätenkommission des Landes hat 2001 eine eigenständige Altersvorsorge durch die Abgeordneten empfohlen. Die Diätenkommission wollte die Stellung der Abgeordneten von beamtenrechtlichen Bezügen lösen. Leitbild sollte der Freiberufler sein, der selbstverantwortlich seine eigene Altersversorgung finanziert. Seither haben schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete die Wahl, ob sie sich gesetzlich oder privat rentenversichern. Die Abgeordneten in Bund und in vielen anderen Ländern haben sich eine weitaus üppigere Versorgung bewilligt, was immer wieder öffentlich kritisiert wird.

[1] Bekanntmachung des Landtagspräsidenten:

http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl19/drucks/00800/drucksache-19-00873.pdf

Anhang: Stimmen und Zitate zur Abgeordnetenversorgung

Monika Heinold (2001): „Sowohl der SSW als auch die grüne Landtagsfraktion haben sich bereits für eine Abschaffung der eigenständigen Abgeordnetenversorgung ausgesprochen: Die Landtagsabgeordneten sollen dadurch die Möglichkeit erhalten, in das beitragsfinanzierte öffentliche Solidarsystem einzuzahlen.“ http://www.ltsh.de/presseticker/2001-06/19/12-42-06-2b38/

Landtagspräsident Kayenburg (2006): „Das der jetzigen Altersversogung zugrunde liegende Alimentationsprinzip ist nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr gebietet nicht zuletzt die Verantwortung für die nachfolgenden Generationen, ein neues tragfähiges System der Altersversorgung zu schaffen. Das kann nur bedeuten, dass die Abgeordneten selbst für ihr Alter vorsorgen.“ http://www.lvn.ltsh.de/infothek/wahl16/drucks/0400/drucksache-16-0450.pdf

Monika Heinold (2006): „Auch unser zweiter Änderungsvorschlag wurde abgelehnt. Hierbei geht es um die Höhe der Altersversorgung. Grundlage für die neue Altersversorgung war für uns immer – ich meine, auch für all die anderen Fraktionen -, dass Abgeordnete zukünftig den Höchstsatz des gesetzlichen Rentenbeitrages erhalten sollen, also 1.023 €. Hinzu kommen sollte ein steuerlicher Ausgleich, da für Abgeordnete eine andere gesetzliche Grundlage im Einkommensteuergesetz gilt als für „normale“ Steuerbürgerinnen und Steuerbürger. Der Landtagspräsident hatte für diesen steuerlichen Ausfall einen Betrag von circa 500 € kalkuliert. Meine Nachfragen beim Wissenschaftlichen Dienst haben inzwischen ergeben, dass das Einkommensteuerrecht im Jahr 2005 geändert wurde und dass Abgeordnete dadurch einen jährlich steigenden Anteil ihrer Vorsorgeaufwendungen steuerlich geltend machen können. Damit sind die circa 500 € in der Höhe nicht mehr begründbar. Wir Grünen haben deshalb im Finanzausschuss vorgeschlagen, diesen Betrag dem geltenden Recht anzupassen und den Betrag von 1.500 € für die Altersvorsorge im Gesetz auf 1.200 € abzusenken. Damit würden wir unser Ziel erreichen, dass Abgeordnete vom Landtag den Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung real erstattet bekommen.“ http://www.landtag.ltsh.de/export/sites/landtagsh/infothek/wahl16/plenum/plenprot/2006/16-032_06-06.pdf

Anke Spoorendonk (2006): „Ziel ist es, dass die Abgeordneten nicht länger eine Extrawurst in Form der besonderen Altersversorgung bekommen, sondern wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger in die Kranken- und Rentenversicherung einzahlen. Wir wollen weg von der beamtenähnlichen oder, wie man auch sagen könnte, beamtenlastigen Absicherung und hin zu einem neuen, transparenten System. … Wir wollen also nicht, dass für die Politikerinnen und Politiker des Landes weiterhin Sonderregelungen gelten. Wir wollen, dass sie in die Sozialkassen einzahlen und ihr gesamtes Gehalt versteuern.“ http://www.landtag.ltsh.de/export/sites/landtagsh/infothek/wahl16/plenum/plenprot/2006/16-032_06-06.pdf

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar schreiben:

Alle Angaben sind freiwillig. Die Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.