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Chatkontrolle vertagt: Megaerfolg bei Verteidigung des digitalen Briefgeheimnisses!

Pressemitteilung Pressemitteilungen

Die EU-Regierungen werden sich heute nicht wie geplant für die Chatkontrolle aussprechen, die das Ende privater Nachrichten und sicherer Verschlüsselung eingeläutet hätte. Der belgische Ratsvorsitz nahm den Punkt kurzfristig von der Tagesordnung. Damit scheitert die Chatkontrolle zum wiederholten Male im Rat. Der Europaabgeordnete der Piratenpartei, digitale Freiheitskämpfer und Verhandlungsführer seiner Fraktion im Europäischen Parlament, Dr. Patrick Breyer, jubelt:

„Ohne das Engagement und den Protest von unzähligen Personen und Organisationen in Europa in den letzten Tagen hätten die EU-Regierungen heute totalitäre flächendeckende Chatkontrollen beschlossen, das digitale Briefgeheimnis und sichere Verschlüsselung beerdigt. Danke an alle, die Politikern geschrieben oder angerufen haben. Dass wir die orwellsche Chatkontrolle trotz des Umfallens Frankreichs erneut stoppen konnten, gehört gefeiert!

Die Überwachungsextremisten unter den EU-Regierungen und Big Sister Ylva Johansson sind damit gescheitert, eine qualifizierte Mehrheit herbeizutricksen. Wann lernen sie endlich vom EU-Parlament, dass wirksamer, gerichtsfester und mehrheitsfähiger Kinderschutz anders geht?

Jetzt muss die Bundesregierung endlich ihre Hausaufgaben machen und sich mit anderen kritischen Staaten auf gemeinsame Forderungen verständigen. Es reicht eben nicht, nur verschlüsselte Kommunikation ausnehmen zu wollen. Die verdachtslose, fehleranfällige Durchleuchtung privater Nachrichten ist der toxischste Teil des Verordnungsentwurfs, aber die Probleme gehen weit darüber hinaus. Wir brauchen deshalb einen neuen Ansatz, der auf vorbeugenden Kinderschutz statt Massenüberwachung und Bevormundung setzt! Der letzte ‚Kompromissvorschlag‘ der belgischen Ratspräsidentschaft muss in mindestens 4 Punkten grundlegend überarbeitet werden:

1. Keine verdachtslose Chatkontrolle: Anstelle flächendeckender Nachrichten- und Chatkontrolle soll die Justiz nur die Durchsuchung der Nachrichten und der Uploads von Verdächtigen anordnen können. Nur so kann vermieden werden, dass eine unverhältnismäßige Verordnung zur Massenüberwachung zwangsläufig vor Gericht scheitert und für Kinder überhaupt nichts erreicht wird.

2. Sichere Verschlüsselung schützen: Das sogenannte client-side scanning zur Unterwanderung sicherer Verschlüsselung muss ausdrücklich ausgeschlossen werden. Allgemeine Bekenntnisse zu Verschlüsselung im Gesetzestext sind nichts wert, wenn noch vor der Verschlüsselung durchleuchtet und ausgeleitet wird. Unsere persönlichen Geräte dürfen nicht zu Scannern pervertiert werden.

3. Anonymität schützen: Streichung verpflichtender Altersüberprüfungen durch alle Kommunikationsdienste, um das Recht auf anonyme Kommunikation zu retten. Whistleblower drohen zu verstummen, wenn sie vor Leaks dem Kommunikationsdienst gegenüber Ausweis oder Gesicht vorzeigen müssen.

4. Keine Appzensur für junge Menschen: Jugendliche zum Schutz vor Grooming ganz von Allerweltapps wie Whatsapp, Instagram oder Games ausschließen zu wollen, ist weltfremd und inakzeptabel. Stattdessen müssen die Voreinstellungen der Dienste datenschutzfreundlicher und sicherer werden.“

Hintergrund:

Nach dem neuesten Gesetzentwurf, der als „Uploadmoderation“ präsentiert wird, sollen Nutzer von Apps und Diensten mit Chatfunktionen gefragt werden, ob sie das verdachtslose und fehleranfällige Scannen und gegebenenfalls Ausleiten ihrer privat verschickten Bilder, Fotos und Videos akzeptieren. Mit „künstlicher Intelligenz“ sollen auch bisher unbekannte Bilder und Videos durchleuchtet werden. Lehnt ein Nutzer die Chatkontrolle ab, soll er gar keine Bilder, Fotos, Videos oder Links mehr verschicken oder empfangen können (Artikel 10). Trotz Lippenbekenntnissen für Verschlüsselung müssten Ende-zu-Ende-verschlüsselte Dienste die Chatkontrolle durch Einbau von Überwachungsfunktionen umsetzen, die „vor der Datenübertragung“ greifen sollen (sog. client-side scanning, Artikel 10a). Auf die Durchsuchung von Textnachrichten nach Hinweisen auf „Grooming“, die auch bisher kaum zum Einsatz kommt, soll genauso verzichtet werden wie auf das noch nie eingesetzte Scannen von Sprachkommunikation. Die Chats der Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden und Militär sollten von der fehleranfälligen Chatkontrolle ausgenommen werden.

In einer Sitzung am 24. Mai machte der Juristische Dienst des Rates deutlich, dass eine verdachtslose massenhafte Chatkontrolle weiterhin vorgesehen sei und nach wie vor grundrechtswidrig bleibe.

Weiterführende Informationen:

Die heutige Abstimmungsvorlage im Wortlaut:
https://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2024/06/csam_cleaned.pdf

Wie das Europäische Parlament Kinder im Netz schützen will:
https://www.patrick-breyer.de/beitraege/chatkontrolle/#epmandat

Wie wir von der Chatkontrolle betroffen wären:
https://www.patrick-breyer.de/beitraege/chatkontrolle/#was-hat-das-ganze-mit-dir-zu-tun

Mythen/Argumente pro Chatkontrolle widerlegt (z.B. über das Ausmaß sexuellen Missbrauchs):
https://www.patrick-breyer.de/beitraege/chatkontrolle/#Mythen

Argumente contra Chatkontrolle:
https://www.patrick-breyer.de/beitraege/chatkontrolle/#WeitereArgumenteChatkontrolle

Warum die Nachrichten- und Chatkontrolle Kindern und Missbrauchsopfern besonders schadet:
https://www.patrick-breyer.de/beitraege/chatkontrolle/#warum-die-nachrichten-und-chatkontrolle-kindern-und-missbrauchsopfern-besonders-schadet

Alternativen zur Chatkontrolle:
https://www.patrick-breyer.de/beitraege/chatkontrolle/#alternativen