Kieler Landtag: „Wir sind die Geilsten“ | shz.de [extern]
Da nimmt sich der Regierungschef gern etwas mehr Zeit. Trotz einer starken Grippe, wegen der Torsten Albig am Donnerstag schon am späten Vormittag das Plenum verlassen muss, tritt der Ministerpräsident vorher noch ans Rednerpult des Landtages – und überschreitet seine Redezeit gleich um 160 Prozent. Kein Wunder, denn die Piraten haben eine Debatte über eine Große Anfrage, die sie selbst an die Regierung gestellt haben, auf die Tagesordnung gesetzt. Titel: „Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Maßnahmen durch die Landesregierung.“„Das ist die dümmste anzunehmende Initiative einer Nicht-Regierungs-Fraktion“, ätzt denn auch gleich Oppositionsführer Daniel Günther (CDU) – und wird prompt von Landtagspräsident Klaus Schlie ermahnt. Inhaltlich hat Günther mit seiner Einschätzung einer „Steilvorlage“ aber wohl recht, denn Albig nutzt die Debatte, um in aller Ausführlichkeit noch einmal die Punkte aus dem Koalitionsvertrag hervorzuheben, die seine Regierung umgesetzt hat. „Versprochen – gehalten“ – diese beiden Wörter verwendet Albig immer wieder, egal ob es um die Sanierung des Haushaltes, die Einführung des Kita-Geldes oder um „fünf Jahre für gute Bildung“ geht. Die Opposition sieht das anders. „Der Weg in die Einheitsschule ist vorprogrammiert. Die Gymnasien sind ausgehöhlt. Mit vielen zusätzlichen Kleinstoberstufen wird die Existenz von beruflichen Schulen angegriffen. Der Leistungsgedanke wurde verbannt, Standards abgesenkt, der Kampf gegen Noten aufgenommen und die Inklusion an die Wand gefahren“, ruft Günther ungewohnt aggressiv.Patrick Breyer, Fraktionschef der Piraten, hat zuvor erst artig gewartet bis die Regierungsfraktionen den rhythmischen Beifall für den Ministerpräsidenten beendet haben, um dann eine Reihe von Punkten aufzulisten, in denen der Koalitionsvertrag nicht erfüllt worden ist. Das reicht von einer fehlenden Initiative für ein Ausländerwahlrecht über die nicht umgesetzte Forderung nach Offenlegung aller Nebeneinkünfte von Abgeordneten bis zu einem hauptamtlichen Tierschutzbeauftragten, den Breyer gleich fordert. „Versprochen – gebrochen“, lautet sein Mantra.Wolfgang Kubicki (FDP) hat noch ein paar Punkte mehr, etwa die Abschaffung der einzelbetrieblichen Förderung oder eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Ermäßigung für Hotels bei der Mehrwertsteuer. „Stand der Umsetzung: Null“, sagt Kubicki.Eka von Kalben (Grüne) hält dagegen und erklärt pathetisch: „Diese Koalition tut dem Land gut. Diese Koalition arbeitet dafür, dass die Kinder im Land eine saubere Umwelt erben. Dass die Menschen im Land sauberes Wasser sowie gute Böden zum Leben haben und die Tiere gesund sind.“ Und: Wir Grüne können nicht nur Gras und Kühe, wir können auch Kinder und Köpfe.“Lars Harms (SSW) sagt kurz darauf, dass die Küstenkoalition dafür gesorgt habe, das zerrüttete Verhältnis zu Dänemark wieder zu kitten und sieht es als große Leistung der Regierung an, die Förderung der Minderheiten wieder auf neue Füße gestellt zu haben. So viele Worte wie der Ministerpräsident braucht er nicht, um die Arbeit der Regierung zu beweihräuchern. Als er das Rednerpult verlässt muss aber dann dieser Satz noch raus: „Wir sind die Geilsten.“Das sorgt selbst in Teilen der Regierungskoalitionen für Staunen und für Gelächter bei der Opposition. Ob die Wähler Harms’ Satz für richtig halten, wird sich in genau 44 Tagen bei der Landtagswahl zeigen.
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von Kay Müller
erstellt am 23.Mär.2017
| 20:00 Uhr
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