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Piraten-Klage: Landesverfassungsgericht soll über Veröffentlichung geheimer Landtags-Rechtsgutachten entscheiden

Landtag Piratenpartei Pressemitteilungen (SH)

Das Bundesverwaltungsgericht hat ein Urteil des Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2020 zugunsten einer Veröffentlichung der bisher geheim gehaltenen Rechtsgutachten der Landtagsjuristen aufgehoben und fordert eine erneute Prüfung (Az. 10 B 4.20). Wenn das Oberverwaltungsgericht Schleswig die Geheimhaltung weiterhin für verfassungswidrig hält, muss das Landesverfassungsgericht eingeschaltet werden, entschieden die Leipziger Bundesrichter. Landtagsgutachten sind brisant, weil aus ihnen Rechts- und Verfassungsverstöße von Regierung und Landtag hervor gehen können. Schleswig-Holstein ist das letzte Land mit Wissenschaftlichem Dienst, das die Herausgabe von Rechtsgutachten verweigert.

„Nur mit Transparenz in der Politik können wir Bürger den Mächtigen auf die Finger schauen und Machtmissbrauch stoppen“, erklärt der Jurist, ehemalige Landtagsfraktionsvorsitzende und heutige Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer zu der Entscheidung. „Das Schweigekartell aus CDU, SPD, Grünen, FDP und SSW darf nicht damit durchkommen, gutachterlich attestierte Rechts- und Verfassungsverstöße von Regierung und Landtag zu vertuschen. Ich fordere die Jamaika-Koalition auf, alle Rechtsgutachten endlich fortlaufend im Netz veröffentlichen zu lassen – wie es alle anderen Landesparlamente mit Wissenschaftlichem Dienst längst tun. Gerade Schleswig-Holstein mit einer Geschichte von Affären und Mauscheleien hat es verdient, nicht länger deutsches Transparenz-Schlusslicht zu sein!“

Joachim Rotermund, Landesvorsitzender der Piratenpartei Schleswig-Holstein hebt hervor: „Offenbar sind sich die im Landtag vertretenen Parteien nicht im Klaren, dass sie Verantwortung ihren Wählern und der Bevölkerung gegenüber haben. So verspielt man das Vertrauen in die Politik.“

Der Kläger Sven Stückelschweiger, ehemaliger Generalsekretär der Piratenpartei Schleswig-Holstein, erklärt: „Es wird Transparenz gepredigt und in der Verfassung verankert – doch sobald es unangenehm wird, versucht man mit einfacher Gesetzgebung wieder zurückzurudern… Es ist bedauerlich, dass die Politik alle Bürger auf Schritt und Tritt überwachen will, aber nervös wird, wenn man ihnen auf die Finger schauen möchte. Das lässt vermuten, dass dort Fragwürdiges im Schutz der Nichtöffentlichkeit schlummert. Dieses Verhalten tritt die demokratischen Werte einer modernen Gesellschaft mit Füßen und ist vollkommen unverständlich.“

Hintergrund: In Schleswig-Holstein haben CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW 2016 nach Eingang eines Informationszugangsantrags Stückelschweigers eigens eine Gesetzesänderung durchgedrückt, um die von ihnen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten der Landtagsjuristen weiter geheim zu halten. Die Piraten halten dies für verfassungswidrig und pochen mit der Klage auf Transparenz. Das Oberverwaltungsgericht hatte ihnen 2020 recht gegeben und das Gesetz „verfassungskonform“ ausgelegt (Az. 4 LB 45/17). Da die Revision des Landtags gegen das Urteil Erfolg hatte, muss Schleswig nun erneut entscheiden. Wörtlich heißt es im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts:

„Nach alledem wird das Oberverwaltungsgericht zu prüfen haben, ob es § 2 Abs. 4 Nr. 1 IZG-SH in einer dem Wortlaut der Norm und dem klar erkennbaren Willen des Landesgesetzgebers entsprechenden Auslegung für mit Art. 53 Verf SH nicht vereinbar hält. Soweit dies der Fall ist, wäre das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Landesverfassungsgerichts über die Gültigkeit der Norm einzuholen.“

Artikel 53 der Landesverfassung bestimmt: „Die Behörden des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände stellen amtliche Informationen zur Verfügung, soweit nicht entgegenstehende öffentliche oder schutzwürdige private Interessen überwiegen. Das Nähere regelt ein Gesetz.“