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Zehn Jahre Piratenpartei: Die Piraten – ein gescheitertes Projekt

Presseberichte

09. September 2016
Stark renovierungsbedürftig: Schriftzug der Piratenpartei über einem Schaufenster in Bonn.  Foto: imago/Jürgen Schwarz
Die Piratenpartei feiert ihren zehnten Geburtstag. Grund zum Feiern gibt es allerdings nicht. Ein klares Profil ist nicht erkennbar, die Partei liegt am Boden.
Ein Thema, über das in der Piratenpartei mehr als einmal diskutiert wurde, ist der Wunsch nach der Erforschung von Zeitreisen – auch wenn es nie zu einer erfolgreichen Umsetzung gekommen ist. Die Piratenpartei Deutschland wird an diesem Samstag zehn Jahre alt. Es gibt wohl keinen zehnjährigen Menschen auf der Welt, der sagt: „Ach, wäre ich doch noch einmal jünger!“ Unter den Mitgliedern der Piraten dürften hingegen nicht wenige sein, die wünschten, ihre Partei könnte in die Vergangenheit reisen.
Und zwar am liebsten um etwa fünf Jahre. Damals zogen die Piraten mit 8,9 Prozent ins Berliner Abgeordnetenhaus ein – mit Plakaten wie „Warum häng ich hier eigentlich, ihr geht ja eh nicht wählen“. Was folgte war ein Hype mit zweistelligen bundesweiten Umfrageergebnissen – und der Einzug in die Landtage von Nordrhein-Westfalen, des Saarlands und Schleswig-Holsteins. Da pilgerten 2000 Mitglieder zum Parteitag. Und dort drängten sich die Piraten im Bällebad, das von der „AG Flausch“ auch für die Erwachsenen aufgestellt wurde.
Austritt von Weisband
Marina Weisband, ehemalige politische Geschäftsführerin der Piraten, ist aus der Partei ausgetreten. Den Schritt habe sie schon vor einem Jahr getan, sagte sie der „tageszeitung“. Die Partei habe sich „nicht zum Positiven verändert“, erläuterte die 28-Jährige.
Den Ansatz der Piraten fanden viele entzückend. Die selbsternannte Partei des Internetzeitalters wollte etwas von dem kreativen Chaos im Netz und der unmittelbaren Kommunikation dort in das Verhältnis von Politik und Bürgern tragen. Deshalb wurde im Internet gemeinsam an Anträgen gearbeitet. Und deshalb gab es nie Delegierte, sondern jedes Mitglied darf auf Parteitagen mitbestimmen. Falls irgendwann kein Raum mehr groß genug gewesen wäre, wollten die Piraten mehrere Versammlungsorte zusammenschalten. Die Massendemokratie sollte mit Hilfe von Kommunikationstechnologie ein bisschen sein wie zu Zeiten, als Entscheidungen gemeinsam auf dem Dorfplatz fielen.
Das Projekt ist missglückt. Bei der Bundestagswahl 2013 waren die Piraten chancenlos – und das, obwohl der Partei mit dem Thema Datenschutz die Ausspähaffäre durch den US-Geheimdienst NSA in die Hände hätte spielen müssen.
Aus den Landesparlamenten werden die Piraten nun nach und nach rausfliegen – angefangen mit der Wahl in Berlin am 18. September. Von fast 35.000 Mitgliedern sind nicht mal 13.000 geblieben. Von ihnen zahlt nur die Hälfte ihre Beiträge. Woran ist die Partei gescheitert?
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Brachialer Streit
Waren ihre Landtagsabgeordneten überfordert und haben sich ständig blamiert? Ein solches Urteil wäre falsch – auch wenn es peinliche Episoden gab. Etwa jene einer NRW-Parlamentarierin, die via Twitter die Öffentlichkeit an ihren Erfahrungen nach einem One-Night-Stand teilhaben ließ, inklusive des Hinweises auf ein geplatztes Kondom. Dafür hat sich Martin Delius in Berlin als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Debakel um den Flughafen BER Respekt erworben. Der Schleswig-Holsteiner Patrick Breyer beeindruckte, indem er die Zulage für den Job als Fraktionschef an den Staat zurücküberwies.
Ein wichtiger Faktor für den Absturz war der brachiale innerparteiliche Streit. Der ging so weit, dass ein Parteichef seinem von Sozialleistungen lebenden und für das bedingungslose Grundeinkommen kämpfenden Politischen Geschäftsführer mitteilte, er solle mal arbeiten, „anstatt Modelle vorzustellen, die die Berufstätigkeit umgehen“. Wer so miteinander umgeht, wirkt nicht mehr wie ein sympathischer Underdog. Der hebt sich nicht von anderen Parteien ab, deren Protagonisten oft reine Geltungssucht unterstellt werden.
Und was ist mit den Inhalten? An ihnen hat es entgegen anderslautenden Unterstellungen nie gefehlt – sondern vielmehr an einem klaren und erkennbaren Profil. Da streiten jene, die ihre Partei vor allem mit Netzthemen profilieren wollen, mit denen, die zu allem eine Meinung haben. Da sind Menschen, die sonst der Linkspartei anhängen würden, mit potenziellen FDP-Wählern in einer Partei. So werden Programme schnell zum beliebigen Sammelsurium. Die Piraten haben einen markenfähigen Namen, aber sie sind keine Marke.
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