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Korruption in Schleswig-Holstein: Whistleblowerin krankgeschrieben, Verantwortlicher unbehelligt [ergänzt]

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In Schleswig-Holstein hat erneut eine öffentlich beschäftigte Whistleblowerin, die Korruptionsvorwürfe gegen ihren Vorgesetzten erhoben hatte, das Handtuch geworfen und ihren Arbeitsplatz verlassen.
Die Hinweisgeberin arbeitete beim Landesverkehrsbetrieb. Ihr Vorgesetzter soll ohne Ausschreibung in großem Umfang Aufträge mit einem Einzelvolumen von bis etwa 10.000,00 € an die Firma seines Bruders vergeben haben, an deren Gewinn er selbst zu 30 % beteiligt gewesen sei. Die sodann eingereichten Rechnungen soll er ohne Aufmaß und unter Umgehung der üblichen Kontrollmechanismen zur Zahlung angewiesen haben.
Die Hinweisgeberin hat zunächst intern alle dienstlichen Instanzen eingeschaltet. Dann hat sie den Sachverhalt dem Anti-Korruptionsbeauftragten des Landes mitgeteilt und Selbstanzeige erstattet (weil sie auf Anweisung ihres Vorgesetzten die Zahlungen freigegeben hat). Weder innerdienstlich noch seitens des Anti-Korruptionsbeauftragten wurde Handlungsbedarf gesehen. Erst die Staatsanwaltschaft machte dem Mann eine Geldzahlung zur Auflage für die Einstellung der Ermittlungen gegen ihn. Doch seinen Job hat der Verantwortliche weiterhin. Ein Disziplinarverfahren wurde eingestellt.
Die Hinweisgeberin dagegen hat das Verhalten der Dienststelle ihr gegenüber psychisch und physisch derart belastet, dass sie arbeitsunfähig wurde. Eine Klage beim Arbeitsgericht auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen „Bossings“ blieb erfolglos. Dem Beschuldigten sind hingegen keinerlei bleibende Nachteile entstanden.
Der Petitionsausschuss kam zu dem vernichtenden Schluss (ab Seite 30):
“Es ist notwendig, dass betroffene und übergeordnete Behörden mit Hinweisen auf Korruption sensibel und selbstkritisch umgehen. Die Verfolgung eines Verdachts muss neutral und unabhängig von der persönlichen Einstellung zu der Person des Hinweisgebers erfolgen. Der Ausschuss hat den Eindruck gewonnen, dass diesem Grundsatz im vorliegenden Fall nicht durchgängig entsprochen wurde und dass der Petentin daraus Nachteile erwachsen sind.
Dem Anti-Korruptionsbeauftragten ist Untätigkeit vorzuwerfen. Aufgrund der Hinweise verneinte er einen belastbaren Korruptionsvorwurf und unternahm überhaupt nichts, stellte nicht einmal eine Strafanzeige wegen des Verdachts einer Straftat. Erst die Staatsanwaltschaft ging dem Vorwurf der Hinweisgeberin nach. Das ist natürlich ein totales Versagen des Beauftragten.
Außerdem schreibt der Petitionsausschuss: “Es hat sich im vorliegenden Fall jedoch gezeigt, dass Arbeitgeber aufgrund der Überlassung von internen Informationen und gegebenenfalls schriftlichen Beweisen Rückschlüsse auf den Hinweisgeber ziehen können”. Das dürfte dahin zu verstehen sein, dass der Anti-Korruptionsbeauftragte die ihm anvertrauten Hinweise an den Arbeitgeber weitergeleitet hat, wo der Hinweisgeberin Nachteile drohten.
Der Fall zeigt, dass die Anzeige von Missständen bis heute Nachteile vor allem für den Hinweisgeber nach sich zieht und nicht für den Täter. Das liegt daran, dass das Beamtenrecht keinen wirksamen Whistleblowerschutz bietet. So ein von uns beauftragtes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes.
Ich fordere vom Ministerpräsidenten eine Bundesratsinitiative, was dieser aber bisher ablehnt. Selbst der Landtag lehnte im Dezember unsere Initiative für einen besseren Schutz von Whistleblowern ab. Offensichtlich ist der öffentliche Druck noch nicht groß genug. Nicht einmal das Versprechen im Kieler Koalitionsvertrag, ein Konzept zum Schutz von Whistleblowern erarbeiten zu wollen, wurde eingelöst.
Ergänzung vom 09.05.2017:
Die Hinweisgeberin hat erfolglos Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Mobbings gefordert, wie sich aus Urteilen des Arbeitsgerichts Elmshorn (Az. 52 Ca 330 c/13) und des Landesarbeitsgerichts (Az. 2 Sa 369/13) ergibt.
Aufgrund ihrer Strafanzeige vom 22.08.2000 gegen den ihr vorgesetzten Leiter der Straßenmeisterei sei es zu einer ganzen Reihe von Vorgängen gekommen. Die Betroffene sei von einem Mitarbeiter als “Nestbeschmutzerin” bezeichnet worden unter Bezugnahme auf die erfolgte Strafanzeige. Die Betroffene sei ab dem 5.12.2011 erkrankt, zunächst bis zum 20.2.2012, habe sich in teilstationäre Behandlung in eine psychiatrische Tagesklinik begeben müssen, was aufgrund der Berichte der behandelnden Ärzte mit einer angespannten und stressbeladenen Problemsituaticn am Arbeitsplatz zusammenhänge bzw. dort den Auslöser finde.

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