Change language: Deutsch
Teilen:

Affront gegen Bundesverfassungsgericht und Demokratie: Sperrklausel zur Europawahl beschlossen

Europaparlament Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Die Ampel-Bundesregierung will einem EU-Beschluss zustimmen, der Deutschland zur Einführung einer Sperrklausel zur Europawahl von 2% zwingen und über den Vorrang des Europarechts mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit von Sperrklauseln aushebeln würde („EU-Wahl­akt-Zu­stim­mungs­ge­setz“).

Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer prangert die Entscheidung an:

„Diese schamlose Selbstbedienung ist ein Affront gegen das Bundesverfassungsgericht und ein Anschlag auf unsere Demokratie. Mit der geplanten Sperrklausel von 2% wären bei der letzten Europawahl 1,7 Mio. Wählerstimmen für sechs kleine Parteien wie die Piratenpartei, Freie Wähler und ÖDP wertlos verfallen und deren Parlamentssitze stattdessen an das politische Establishment gegangen. Die EU darf nicht als Vehikel für eigennützige Sperrklauselpläne der etablierten Parteien missbraucht werden, die ihre eingebrochenen Wahlergebnisse kompensieren wollen!

Europa braucht mehr Mitbestimmung und politische Ideen, nicht weniger. Wer Millionen von Bürger:innen, die von den etablierten Parteien enttäuscht sind, keine andere Wahl lässt, treibt sie entweder in die Arme der AfD oder lässt sie insgesamt der Wahlurne den Rücken kehren. Beides schadet unserer Demokratie und gefährdet Europa.

Die Mär von Zersplitterung oder verminderter Arbeitsfähigkeit des Europaparlaments wird dadurch widerlegt, dass fast alle Abgeordnete von Kleinparteien Mitglied einer der großen Fraktionen sind. Die Piratenpartei wird zusammen mit anderen kleinen Parteien alle rechtlichen Schritte ausschöpfen, um diesen Angriff auf Demokratie und Vielfalt in Europa zu stoppen!”

Hintergrund:

Die umstrittene EU-Wahlrechtsreform 2018 lag bisher auf Eis, weil auf EU-Ebene ein neues Reformpaket verhandelt wird. Das Bundesverfassungsgericht hatte Sperrklauseln zur Europawahl wiederholt für verfassungswidrig erklärt. Die Große Koalition hatte 2018 daraufhin auf EU-Ebene eine Mini-Wahlrechtsreform durchgesetzt, die im Wesentlichen ausschließlich die Einführung einer Sperrklausel von mindestens 2% vorschreibt. Vom Grundgesetz abweichen kann Deutschland nur, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats zustimmen.

Ins Europaparlament sind 2019 Abgeordnete 14 deutscher Parteien eingezogen, von denen aber nur ein Abgeordneter – Martin Sonneborn – fraktionslos blieb und zu der angeblichen “Zersplitterung” beitrug. Mit einer Sperrklausel von 2% bei der Europawahl 2019 wären 1,7 Mio. Wählerstimmen für kleine Parteien wie die Piratenpartei verfallen und deren fünf Parlamentssitze stattdessen an CDU, CSU, FDP, Linke und die PARTEI gegangen.

Am 18. Juli 2018 hatte der Rat der Europäischen Union einen Beschluss zur Änderung des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Mitglieder des Europäischen Parlaments gefasst. Die Bestimmungen sehen für Mitgliedstaaten mit mehr als 35 Sitzen im Europäischen Parlament eine verbindliche Sperrklausel in Höhe von 2 bis 5% vor. Diese Neuregelung tritt jedoch nur dann in Kraft, wenn sie von sämtlichen EU-Staaten ratifiziert wird. In der Antwort des Rates auf die Anfrage Breyers heißt es: „Der Vertrag sieht weder eine rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, diesen Bestimmungen zuzustimmen, noch eine Frist für ein solches Verfahren. Die für das Inkrafttreten des Beschlusses 2018/994 des Rates erforderlichen Mitteilungen über die Zustimmung Zyperns, Deutschlands und Spaniens stehen noch aus.“