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Breyer zu Chatkontrolle-Investigativrecherche: EU-Kommissarin als Doppelagentin ausländischer Einmischung

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Eine heute veröffentlichte Recherche von mehreren europäischen Medien hat aufgedeckt, dass eine internationale Kampagne zur Unterstützung der von der EU geplanten Chatkontrolle-Verordnung weitgehend von einem Netzwerk von Organisationen orchestriert und finanziert worden ist, die Verbindungen zur Technologieindustrie und den Sicherheitsdiensten aufweisen (ohne Paywall auf Englisch). Die umstrittene Verordnung soll Anbieter zum verdachtslosen Scannen und automatisierten Melden vermeintlich verdächtiger privater Nachrichten und Fotos verpflichten. Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei), Verhandlungsführer der Fraktion Grüne/Europäische Freie Allianz zur Chatkontrolle-Verordnung, zeigt sich schockiert:

„Als Verhandlungsführer meiner Fraktion haben sich viele der im Bericht genannten Organisationen, die sich als Kinderschutzorganisationen oder Opferverbände bezeichnen, auch an mich gewandt. Ich hatte aber keine Ahnung, dass die pro-Chatkontrolle-Kampagne von einem Netzwerk von Organisationen orchestriert und finanziert wird, die mit der Technologieindustrie und den Sicherheitsdiensten verbunden sind, die Millionengelder einer US-geführten Stiftung beziehen und die ausländische Beratungsagenturen für die Erstellung von Lobbystrategien bezahlen. Mit solchen Methoden ‚gekaperter Gesetzgebung‘ hatte ich bisher nur von Wirtschaftskonzernen gerechnet.

Um einen Präzedenzfall zu schaffen, wollen US-Akteure in Europa offenbar eine verdachtslose Durchleuchtung unserer Privatnachrichten und Chatkontrolle durchdrücken, die in den USA selbst nicht Gesetz ist.

Bisher ist die EU-Innenbehörde vor allem als Quelle von Falschinformationen zur Chatkontrolle aufgefallen. Nach dem heutigen Bericht steht EU-Innenkommissarin Ylva Johansson als Doppelagentin ausländischer Einmischung dar. Wir brauchen dringend einen legislativen Fußabdruck, der solche ferngesteuerte und fremddiktierte Gesetzgebung offen legt. Es geht um nichts weniger als die Verteidigung unserer Demokratie und unseres Grundrechts auf digitales Briefgeheimnis!“

Die Präsidentin des nichtkommerziellen Messager-Dienstes Signal Meredith Whittaker kommentierte den Bericht heute mit: „Die bisher beste ‚Follow the Money‘-Berichterstattung darüber, wer hinter dem globalen Angriff auf die digitale Privatsphäre steckt. Kurzfassung: Es sind Strafverfolgungsbehörden und KI-Unternehmen, die sich als NGOs ausgeben und ein kommerzielles Interesse daran haben, betrügerische Massenscanner-Technologie zu verkaufen. Zutiefst zynisch, zutiefst zwielichtig.“

Der Kryptologe Matthew Green kommentierte: „Ich habe gerade diese neue Untersuchung über das Netz gewinnorientierter KI-Unternehmen gesehen, die in Europa eine Anti-Verschlüsselungsgesetzgebung vorantreiben, und es kommt mir vor wie die Arbeit einer Geheimorganisation in einem James-Bond-Film.“

[1] Recherche auf englisch (ohne Bezahlschranke): https://balkaninsight.com/2023/09/25/who-benefits-inside-the-eus-fight-over-scanning-for-child-sex-content/
Recherche auf deutsch (mit Bezahlschranke): https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2023-09/chatkontrolle-eu-ashton-kutcher-thorn/komplettansicht
[2] EU-Kommission bei Vorgehen gegen Kindesmissbrauch in Widersprüche verwickelt: https://www.euractiv.de/section/innovation/news/eu-kommission-bei-vorgehen-gegen-kindesmissbrauch-in-widersprueche-verwickelt/
[3] Kommentar von Meredith Whittaker: https://mastodon.world/@Mer__edith/111125416449604414
[4] Kommenar von Matthew Green: https://twitter.com/matthew_d_green/status/1706299597813887456