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Chatkontrolle-Berichterstatter will zusätzlich “Anordnungen zur freiwilligen Chatkontrolle” und Metadaten-Scanning einführen

Europaparlament Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Der federführende Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments hat gestern den Berichtsentwurf des konservativen Berichterstatters Javier Zarzalejos über den Vorschlag zur Bekämpfung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch (CSAR), auch bekannt als “Chatkontrolle”, zirkuliert. Der Berichterstatter verpflichtet sich zwar, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung beizubehalten, schlägt aber vor, “freiwillige Aufdeckungsanordnungen” und das Scannen von Metadaten hinzuzufügen. Dr. Patrick Breyer, Abgeordneter der Piratenpartei im Europäischen Parlament und langjähriger Gegner des Vorschlags zur Chatkontrolle, analysiert im Folgenden die Vorschläge und ihre Auswirkungen:

  • Chatkontrolle: Die verpflichtende wahllose Durchsuchung der privaten Kommunikation und der Daten unbescholtener Bürger:innen ist weiterhin vorgesehen. Die neue Anforderung, “die Ermittlungsanordnung auf einen identifizierbaren Teil oder eine identifizierbare Komponente eines Dienstes zu beschränken” wie z. B. bestimmte Kanäle oder Gruppen (AM 128), geht in die richtige Richtung. Sie stellt jedoch nicht sicher, dass Chatkontrollen gezielt auf Personen beschränkt werden, die vermutlich mit CSEM in Verbindung stehen, wie es die Grundrechte verlangen. Die entsprechenden Feststellungen des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments sind nicht umgesetzt worden.
  • Anders als die EU-Kommission möchte der Berichterstatter nicht, dass die Nutzer darüber informiert werden, wenn ihre Kommunikation (fälschlicherweise) an Behörden gemeldet wurde (AM 138).
  • “Freiwillige Aufdeckung”/Chatkontrolle: Vorschlag einer neuen Ermächtigung für Provider, private Kommunikation und Daten unverdächtiger Bürger durchsuchen zu dürfen, auch wenn keine Chatkontrolle angeordnet ist (AM 99). Wiederum nicht gezielt/begrenzt auf bestimmte Personen, die vermutlich mit CSEM in Verbindung stehen, wie es die Grundrechte verlangen. Selbst die EU-Kommission warnt vor freiwilligen Chatkontrollen.
  • Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Eine Schwächung von Verschlüsselung soll ausgeschlossen werden (AM 106), jedoch reicht dieser Wortlaut noch nicht aus, um ein obligatorisches clientseitiges Scannen sicher auszuschließen (einige argumentieren, dass clientseitiges Scannen den Verschlüsselungsprozess als solchen nicht beeinträchtigen würde). Laut POLITICO-Interview will der Berichterstatter client-side Scanning bewusst nicht ausschließen.
  • Metadaten-Kontrolle: Vorschlag einer neuen Ermächtigung für Provider zur Vorratsspeicherung und automatischen Analyse angeblich verdächtiger Kommunikationsmuster anhand von Kommunikations-Metadaten (AM 106). Anbieter verwenden teilweise entsprechende geheime Algorithmen, die aber nie von unabhängiger Seite evaluiert wurden und wahrscheinlich sehr unzuverlässig ist, mit unzähligen Fehlalarmen. Die EU-Kommission warnt, dass “Diensteanbieter Metadaten nicht als wirksames Instrument zur Aufdeckung von CSAM betrachten” und “Metadaten in der Regel nicht ausreichen, um Untersuchungen einzuleiten” (S. 29). Vor allem stellt die vorgeschlagene Bestimmung erneut nicht sicher, dass die Maßnahme auf bestimmte Personen, die vermutlich mit CSEM in Verbindung stehen, begrenzt ist, wie im La-Quadrature-Urteil des EuGH gefordert (Abs. 172 ff.).
  • Zugangssperren / Suchmaschinenzensur: Unwirksame Zugangssperren zu CSEM sind weiterhin vor vorgesehen. Vorschlag einer neuen Befugnis zur Entfernung von CSEM-Links aus Suchmaschinen und “künstlicher Intelligenz”. Beide Maßnahmen sind unwirksam, da das Material nicht an der Quelle gelöscht wird.
  • App-Zensur für Kinder und Jugendliche: Die Verpflichtung für App-Stores, Minderjährige von der Installation von Kommunikations-Apps wie Whatsapp, Spielen oder Chats auszuschließen, ist nach wie vor vorgesehen. Der Berichtsentwurf schlägt vor, diese App-Zensur auszuweiten (AM 101 ff.).
  • Verbot anonymer Kommunikation: Die Verpflichtung von Kommunikationsdiensten zur Altersverifikation ist weiter vorgesehen, wobei Verifizierungssysteme eine anonyme Nutzung effektiv ausschließen würden. Dies wäre das Ende von anonymen E-Mail- oder Messenger-Konten, die Whistleblower, politische Aktivisten usw. benötigen.
  • Vielversprechend: Vorschlag zur Einrichtung eines beratenden Forums für Opfer (AM 273)
  • Vielversprechend: Dienste können “von vornherein und standardmäßig ein hohes Maß an Privatsphäre, Sicherheit und Schutz” gewährleisten (AM 79)


Mehr zur Chatkontrolle: www.chatkontrolle.de