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Die EU-Mitgliedsstaaten debattieren über die wahllose Speicherung unserer Kommunikation und unseres Aufenthaltsortes… schon wieder!

Europaparlament Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Nachdem im Juli ein Arbeitspapier der Kommission zur Vorratsdatenspeicherung an die Öffentlichkeit gelangt war, veröffentlichte die Nichtregierungsorganisation Statewatch heute mehrere Reaktionen auf die Vorschläge.

Die Antworten Dänemarks, Finnlands, Deutschlands, Ungarns, Luxemburgs, der Niederlande und Schwedens zeichnen ein besorgniserregendes Bild: Einige Mitgliedstaaten schlagen vor, die Vorratsdatenspeicherung sogar auf Over-the-Top-Dienste wie WhatsApp oder Signal anzuwenden, die Online-Anonymität durch die Vorratsspeicherung von IP-Adressen und Teilnehmerdaten abzuschaffen oder sogar eine “gezielte” Vorratsdatenspeicherung einzuführen, was bedeuten würde, dass man ausspioniert werden könnte, nur weil man am falschen Ort lebt oder protestiert.

Aus den Ratsdokumenten geht auch hervor, dass die Mitgliedstaaten frustriert sind über die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, der die Grundrechte der Europäer:innen verteidigt und sich gegen eine allgemeine und wahllose Massenüberwachung ausgesprochen hat, und sich darüber beschweren, dass die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ihrem Überwachungsapparat schaden.

Noch beunruhigender ist, dass dreizehn EU-Mitgliedstaaten beschlossen haben, ihre Ansichten vor den EU-Bürger:innen geheim zu halten, indem sie sich weigerten, die Dokumente mit den Einzelheiten ihrer Vorschläge an die Kommission zu veröffentlichen.

Der EU-Abgeordnete, Bürgerrechtler und Jurist Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei), der gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Verfassungsbeschwerde erhoben hat, kommentiert:

“Das pauschale Sammeln von Metadaten aller Menschen macht uns im Grunde genommen nackt im System und verstößt grundlegend gegen EU-Grundrechte. Das wahllose Anhäufen von sensiblen Informationen über soziale Kontakte (auch Geschäftskontakte), Bewegungen und das Privatleben (z.B. Kontakte zu Ärzt:innen, Anwält:innen, Betriebsrät:innen, Psycholog:innen, Beratungsstellen etc.) von Millionen unverdächtiger Bürger:innen ist eine radikale Maßnahme der Massenüberwachung.

Die Vorratsdatenspeicherung ist das erste Überwachungsgesetz, das sich gegen die ganze Bevölkerung richtet. Das ist der Dammbruch. Die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Kommunikationsdaten stimmt heute nicht mehr. Wir wissen heute, nach dem aktuellen Stand der Forschung, dass Metadaten Rückschlüsse zulassen, die mindestens so tiefgreifend wie die Inhalte sind.

Selbst wenn eine IP-Vorratsdatenspeicherung rechtlich machbar wäre, dürfen nicht alle Internetnutzer unter Generalverdacht gestellt und die Anonymität im Netz abgeschafft werden. Eine   generelle   und   undifferenzierte Vorratsspeicherung   unserer Identität   im   Internet   ermöglicht die   Erstellung   aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers in noch höherem Maße als Telefon-Verbindungsdaten. Es ist im Übrigen nicht nachzuweisen, dass eine Internet-Vorratsdatenspeicherung überhaupt einen statistisch signifikanten Beitrag zu der Zahl der aufgeklärten Straftaten leistete, nachdem die sechsmonatige IP-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 die Aufklärungsquote nicht gesteigert hat.”

Eine Reihe von Fällen zur Vorratsdatenspeicherung wird derzeit vom Gerichtshof der Europäischen Union geprüft, der 2014 die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt und in den letzten Jahren wiederholt eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung abgelehnt hat.

Trotz der klaren Botschaft der Gerichte planen die Kommission und die Mitgliedsstaaten weiterhin die Massenüberwachung auf dem Rücken der europäischen Bürger:innen. Die Piraten werden das Recht der europäischen Bürger:innen auf Privatsphäre im Europäischen Parlament und darüber hinaus weiterhin rigoros verteidigen.