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Diskussion über massenhafte Handyortung – Generalstaatsanwalt äußert sich am Mittwoch zu Forderungen von Datenschutzzentrum und Piraten [ergänzt]

Freiheit, Demokratie und Transparenz Landtag
ueberwachungswahn-stoppenAm Mittwoch wird der Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Landtags mit dem Generalstaatsanwalt Wolfgang Zepter besprechen, ob er landesweite Vorgaben zur zügigen Löschung von Daten aus massenhaften Handyortungen (“Funkzellenabfragen”) und zur Benachrichtigung der betroffenen Bürger macht. Die Piraten fordern außerdem, dass geortete Handynutzer auf Wunsch per SMS benachrichtigt werden und dass dem Landtag jährlich über die Praxis der massenhaften Handyortung berichtet wird.

Hintergrund: Die Funkzellenabfrage erzeugt dem Landesdatenschutzzentrum zufolge “in besonderem Maße eine Gefahr für Unbeteiligte, in die Ermittlungen einbezogen zu werden”. Die Untersuchung einer Stichprobe von 10 Funkzellenabfragen durch das Landesdatenschutzzentrum ergab, dass die Prüfung der Verhältnismäßigkeit “oftmals nur unzureichend dokumentiert” wurde. Eine Benachrichtigung der Betroffenen erfolgte “in mehreren Fällen nicht”. Die Frage der Datenlöschung sei “in jedem Verfahren unterschiedlich, teilweise auch gar nicht, beantwortet” worden. Die Landesdatenschutzbeauftragte fordert nun “zentrale Vorgaben” durch den Generalstaatsanwalt, “um eine einheitliche Durchführung von Funkzellenabfragen nach grundrechtskonformen Maßstäben sicherzustellen.”
Eine Große Anfrage der Piratenfraktion hat ergeben, dass nicht einmal jede 20. Funkzellenabfrage zu einer Verurteilung geführt hat. Die Überwachung von Handynutzern in Schleswig-Holstein mithilfe der sog. Funkzellenanfrage steigt sprunghaft an und hat sich innerhalb von zwei Jahren verdoppelt. “Die massenhafte Handyortung unbescholtener Bürger muss verboten, mindestens aber massiv eingeschränkt werden”, fordert der Piratenabgeordnete Patrick Breyer. “Es ist unverhältnismäßig, mit geringer Erfolgsaussicht ins Blaue hinein eine massenhafte Kompletterfassung aller Menschen im Umkreis eines Tatorts vorzunehmen. Zumal aufgrund einer Funkzellenabfrage leicht zu Unrecht einer Straftat verdächtigt werden kann, wer zur falschen Zeit am falschen Ort war.”
Die öffentliche Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses zu der Frage wird Mittwoch ab 13 Uhr per Livestream übertragen.
Tagesordnung
Livestream
Ergänzung vom 22.03.2016 – Funkzellenabfragen: Mutmaßlich kein Interesse der Bürger?
Im Vorfeld der morgigen Anhörung sind die Richtlinien von Polizei und Staatsanwaltschaften zur Durchführung von Funkzellenabfragen herausgegeben worden.
Unter anderem verfügt der Generalstaatsanwalt darin, “vielfach” werde anzunehmen sein, dass Betroffene “mutmaßlich kein Interesse an der Benachrichtigung” hätten und diese unterbleiben könne. Dementsprechend hat das ULD in der Praxis “erhebliche Defizite” bei der Benachrichtigung der Betroffenen festgestellt. In mehreren geprüften Fällen sei niemand benachrichtigt worden, obwohl Anschlussinhaber identifiziert worden waren und für diese die Ausnahmen von der Benachrichtigungspflicht “nicht anwendbar” waren.
Meine Bewertung: Diese Richtlinien stellen keine eindeutigen Handlungsanweisungen zur Umsetzung der gesetzlichen Dokumentations-, Benachrichtigungs- und Löschungspflichten dar, wie ULD und Piraten es fordern. Die Richtlinien sind ungenau. Die Benachrichtigungspflicht wird sogar nahezu komplett unterlaufen, wenn den Betroffenen abgesprochen wird, dass sie an einer Mitteilung überhaupt interessiert sein könnten. Ich werde morgen auf eine komplette Überarbeitung dringen.

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