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Ehemaliger EuGH-Richter zur Chatkontrolle: EU-Pläne zum wahllosen Durchsuchen privater Nachrichten und zum Aufbrechen sicherer Verschlüsselungen haben vor Gericht keine Chance

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Weiterer Rückschlag gegen die von der EU-Kommission vorgeschlagene Chatkontrolle: Ein ehemaliger Richter des obersten EU-Gerichtshofs (EuGH) kommt in einem Rechtsgutachten zu dem Ergebnis, dass die vorgeschlagene massenhafte Durchleuchtung privater Nachrichten nach verdächtigen Inhalten voraussichtlich vom Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung des Grundrechts auf Privatsphäre gekippt werden würde. Der ehemalige Richter weist die von der Kommission vorgebrachten Argumente zurück, mit denen die vernichtenden Feststellungen des Juristischen Dienstes des EU-Rates zu Beginn dieses Jahres widerlegt werden sollten (Seiten 33-34 der rechtlichen Analyse). Außerdem kommt der ehemalige Richter zu dem Schluss, dass die vorgeschlagene Aushebelung von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ebenfalls gegen EU-Recht verstößt (Seiten 35-37 der rechtlichen Analyse).

“Keinem Kind ist mit einem Gesetz geholfen, das unweigerlich vor Gericht scheitern wird, noch bevor es umgesetzt ist. Die EU-Regierungen im Rat müssen jetzt akzeptieren, dass sie mit diesem dystopischen Gesetzentwurf zur Chatkontrolle politisch und rechtlich erst voran kommen werden, wenn sie wahlloses Massenscanning und Ende-zu-Ende-verschlüsselte Dienste aus dem Vorschlag streichen. Ich fordere die EU-Regierungen auf, ihren Anschlag auf unser digitales Briefgeheimnis und sichere Verschlüsselung aufzugeben! Das EU-Parlament hat fast einstimmig dafür gestimmt, die Überwachung auf Verdächtige zu beschränken und sichere Verschlüsselung zu garantieren”, kommentiert der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer, der das Rechtsgutachten in Auftrag gegeben und die Position des Europäischen Parlaments zur vorgeschlagenen Chatkontrolle-Verordnung mitverhandelt hat.

Hintergrund:

Der Autor des Rechtsgutachtens Christopher Vajda war ein langjähriger Richter des Europäischen Gerichtshofs (von 2012 bis 2020).

In seinem Rechtsgutachten kommt er zu dem Schluss, dass “die in der Verordnung vorgesehene Regelung für DOs [Aufdeckungsanordnungen] aus Gründen der Verhältnismäßigkeit, der fehlenden Begründung, der Rechtssicherheit sowie des Gestesvorbehalts wahrscheinlich rechtswidrig ist. “

In seiner Erwiderung auf die juristische Position der EU-Kommission kommt er zu dem Schluss, dass er “nicht erkennen kann, wie eine DO [Aufdeckungsanordnung] und das Verfahren, das zu ihr führt, ausschließen kann, dass sie als allgemeine und wahllose Überwachung der elektronischen Kommunikation angesehen werden kann.”

Der ehemalige Richter bezeichnet die Aufdeckungsanordnungen des Vorschlags (“Chatkontrolle”) als “einen schweren Eingriff in die Grundrechte auf Schutz der Privatsphäre und Datenschutz, die durch die Artikel 7 und 8 der Charta garantiert werden, der, soweit mir bekannt, weit über alle bisherigen Rechtsvorschriften hinausgeht”.