Europäische Digitale Identität: EU-Parlament will dezentrale Datenspeicherung und Recht auf Anonymität
Heute Abend wird der Innenausschuss des EU-Parlaments (LIBE) über Änderungen der geplanten „Europäischen Digitalen Identität“ und „digitalen Brieftasche“ (Wallet) abstimmen und tiefgreifende Änderungen am Kommissionsvorschlag fordern. Unter anderem soll die Nutzung freiwillig bleiben und eine Alternative Identifizierung ohne Nachteile im Angebot bleiben. Dienstanbieter sollen möglichst eine gänzlich anonyme Nutzung ihrer Dienste ermöglichen, ansonsten sollen selbst gewählte, wechselnde Pseudonyme für die Anmeldung zu Internetdiensten genutzt werden können. Statt europaweit eine eindeutige Personenkennziffer oder „Bürgernummer“ vorzuschreiben, soll dies weiter den einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen bleiben. Der Ausschuss fordert auch eine dezentrale Speicherung des Inhalts der „digitalen Brieftasche“ (z.B. Kreditkartendaten, Führerschein, ärztliche Verordnungen) ausschließlich auf dem eigenen Gerät des Inhabers, außer wenn dieser eine externe Datensicherung und Datenspeicherung wünscht.
Der deutsche Abgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei), der für seine Fraktion Grüne/Europäische Freie Allianz umfassende Änderungen zum Schutz vor Datenhandel und Identitätsdiebstahl beantragt hatte, wird dem Kompromiss zustimmen:
“Die große Gefahr der geplanten ‚Digitalen Identität‘ liegt darin, dass die Anonymität im Internet verdrängt und die Preisgabe unserer persönlichen Daten zum ‚Normalfall‘ werden könnte. Die zunächst freiwilligen Identifizierungsverfahren könnten nach und nach obligatorisch werden und eine Identifizierung mit Personalausweis viel öfters gefordert werden als im ‚wirklichen‘ Leben. Zum Schutz vor einer solchen Entwicklung fordern wir ein Benachteiligungsverbot und ein Recht auf möglichst anonyme Nutzung digitaler Dienste. Auch dass eine Anmeldung im Netz ohne Klarnamen möglich bleiben soll, schützt vulnerable Gruppen.
Nicht durchsetzen konnte ich, eindeutige digitale Personenkennziffern europaweit abzuschaffen, aber immerhin soll jeder EU-Staat weiterhin darauf verzichten können. Die ‚Europäische Digitale Identität‘ darf nicht zu einem digitalen Tagebuch auf Basis einer lebenslangen Identifikationsnummer werden, mit der unser digitales Leben erfasst und überwacht werden kann!
Ein großer Erfolg ist, dass die sensiblen Daten der Bürger:innen in ihrer ‚digitalen Brieftasche‘ künftig ausschließlich dezentral im eigenen Gerät gespeichert werden sollen, es sei denn sie wählen eine zentrale Speicherung. Die dezentrale Datenspeicherung schützt unsere Daten vor Hacks und Identitätsdiebstahl.”
Hintergrund: Mit der geplanten „Europäischen Digitalen Identität“ sollen EU-Bürger:innen Zugang zu öffentlichen und privaten digitalen Diensten erhalten und online bezahlen können. Der Vorschlag sieht vor, dass neben der Identität in der „Wallet App“ auch Zahlungsdaten und Dokumente wie Führerschein oder ärztliche Verordnungen gespeichert werden können. Der Zugang zu der Staatsapp soll mit biometrischen Daten wie Fingerabdruck oder Irisscan gesichert werden können. Das Angebot soll eine Alternative zu den Logindiensten von Facebook und Google darstellen.
Nach dem Innenausschuss, der für die Datenschutzregelungen der geplanten „Digitalen Identität“ ausschließlich zuständig ist, wird sich der federführende Wirtschaftsausschuss ITRE des EU-Parlaments zu dem Vorhaben positionieren. Anschließend werden Verhandlungen mit dem zweiten Gesetzgebungsorgan, dem EU-Rat, folgen.