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Fall Gauweiler: Geheime Abstimmungen im Bundestag könnten Fraktionszwang überwinden

Freiheit, Demokratie und Transparenz Juristisches Piratenpartei

Zu dem Rücktritt des CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Peter Gauweiler erklärt der Landtagsabgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer:

Es ist ein Alarmzeichen für unsere Demokratie, dass es dem Bundestagsabgeordneten einer etablierten Partei nach eigenem Bekunden unmöglich ist, bei Abstimmungen seinem Gewissen zu folgen und im Interesse der Bürger anders als die eigene Parteiführung und Mehrheitsmeinung abzustimmen. Mit ihrem Fraktionszwang degradieren die etablierten Parteien ihre Abgeordneten zu Stimmvieh. Die Entmündigung der Abgeordneten und Mundtotmachung von Kritikern führt immer wieder zu schlampigen oder sogar verfassungswidrigen Gesetzen und zur Verschwendung von Steuermitteln. Wenn Abgeordnete mit abweichender Meinung wie die Mehrheit abstimmen müssen, verfälscht das sogar Abgeordnetenmehrheiten im Bundestag, wie beispielsweise die Diskussion unter CDU-Frauen um die Einführung einer Frauenquote zu schwarz-gelber Regierungszeit gezeigt hat.
Bei der Piratenpartei und auch im Europaparlament gibt es ein Mittel, um freie Abstimmungen zu ermöglichen und Repressalien wie im Fall Gauweilers auszuschließen: die geheime Abstimmung. Auch für den Bundestag schlage ich die Einführung geheimer Abstimmungen in wichtigen Sachfragen vor, wenn eine erhebliche Zahl von Abgeordneten dies beantragt. Offensichtlich ist die Wahlkabine der einzige Raum, in dem sich Abgeordnete der etablierten Fraktionen von dem Gruppenzwang befreien können. Aus Schleswig-Holstein weiß ich, dass dieser Freiraum genutzt wird. Dass über unsere Zukunft nach der ehrlichen Überzeugung unserer Volksvertreter entschieden wird, ist für uns Bürger wichtiger als das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten zu kennen. Transparenz ist sinnlos, wenn sie stets nur den Fraktionszwang offenlegt. Die offene Abstimmung führt zur Intransparenz unterschiedlicher Meinungen innerhalb einer Fraktion.
Trotz seiner konsequenten Entscheidung in dieser Sache ist Dr. Gauweiler als Vorbild ungeeignet. Zwar hat Gauweiler sich immer wieder eine freie Überzeugung geleistet und beispielsweise gegen das verfassungswidrige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Er hat auch vor dem Bundesverfassungsgericht für die Einhaltung des Grundgesetzes gekämpft. Auf der anderen Seite stehen aber seine rechtslastigen politischen Ansichten, die extreme Vernachlässigung seines Bundestagsmandats zugunsten höchster Nebeneinkünfte und seine Verwicklung unter anderem in die bayerische Affäre um Abrechnungsbetrug. Man mag seine Meinung verachten, aber wir sollten dafür kämpfen, dass Volksvertreter nicht länger daran gehindert werden, nach ihrer freien Überzeugung abzustimmen! Die Demokratie ist in Gefahr, wenn nur noch jeder zweite Bundestagsabgeordnete daran glaubt, die Gesetzgebung spiegele die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung wider.

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