Piratenpartei: Der “Next Generation EU”-Plan deutet in die richtige Richtung, könnte in einigen Details aber besser sein
Brüssel, 27. Mai 2020 – Die Europäische Kommission hat heute den “Next Generation EU”-Plan vorgestellt, um nach der Corona-Krise so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren.
Marcel Kolaja, Vorsitzender der Piraten-Delegation und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, kommentierte den Plan:
“Insgesamt geht der “Next Generation EU”-Plan in die richtige Richtung und widmet der Digitalisierung als Weg zur Umgestaltung der europäischen Volkswirtschaften große Aufmerksamkeit. Dies ist positiv anzumerken. Der “Next Generation EU”-Plan der Kommission erkennt zurecht die Notwendigkeit an, die Entwicklung digitaler Fähigkeiten zu unterstützen. Auf der anderen Seite sollte sich der Vorschlag aber auch auf andere fundamentale Punkte konzentrieren, wie zum Beispiel eine angemessene Internet-Abdeckung in ländlichen Gebieten. Wir müssen außerdem sicherstellen, dass nicht nur Investitionen in neue Technologien unterstützt werden, sondern dass vor allem die Technologien unterstützt werden, die speziell die europäischen Werte wie Privatsphäre und Meinungsfreiheit im Internet einbeziehen. Jetzt wird alles von der Umsetzung und auch von der Position und dem Willen des Rates abhängen, Europa als Ganzes aufzubauen und wahrzunehmen, was im besten Interesse aller Mitgliedstaaten ist”.
Patrick Breyer MdEP, Mitglied des LIBE-Ausschusses, kommentiert den Datenschutz:
“Neben der wirtschaftlichen Erholung brauchen wir einen Plan zur Wiederherstellung der Grundrechte. Die Regierungen haben die Krise genutzt, um unsere Bewegungen zu überwachen und einzuschränken, eine Drohnenpolizei einzuführen oder sogar per Dekret zu regieren. Ich möchte, dass die Kommission bei der Wiederherstellung unserer Grundrechte konkret und kompromisslos vorgeht.”
Mikuláš Peksa, tschechischer Piratenabgeordneter und Mitglied der Ausschüsse ECON, ITRE und CONT, äußerte sich zu wirtschaftlichen Aspekten:
“Mit der gegenseitigen Verschuldung, bestehend aus 750 Milliarden Euro, die von der EU garantiert wird, geht die Kommission mutig in die Zukunft und bringt die Union näher zusammen. Obwohl ich die Forderung des gesamten Europäischen Parlaments nach einem höheren Rückzahlungsbudget unterstützt habe, hoffe ich, dass dieser Kompromissvorschlag für alle Länder der EU annehmbar sein wird. Auch die Richtung, in die die Mittel fließen werden, ist vernünftig – wir müssen so schnell wie möglich zur Planung einer modernen, digitalen und nachhaltigeren Zukunft übergehen. Es gibt keinen Impfstoff gegen den Klimawandel, nur ein tiefgründiges und vernünftiges Vorgehen kann uns helfen, diese Herausforderung zu lösen. Die Aufstockung des “Fonds für einen gerechten Übergang” (Just Transition Fund) mit zusätzlichen 32,5 Milliarden Euro, also dem Vierfachen des ursprünglichen Betrags, ist daher ein guter Vorschlag. Ich begrüße auch die Initiative für eine Verordnung über den Schutz des EU-Haushalts vor rechtsstaatlichen Defiziten, insbesondere nach dem Missbrauch von Notfallmaßnahmen, den wir in Mittel- und Osteuropa erlebt haben. Gleichzeitig glaube ich, dass mehr Haushaltskontrollmechanismen eingeführt werden sollten, um Interessenkonflikte sowie Missbrauch und Betrug von EU-Notfallfonds zu verhindern. Wir dürfen diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, denn kleine und mittlere Unternehmen und die Bürger Europas werden diese Mittel viel mehr brauchen als Großunternehmen und systemische Missbraucher öffentlicher Gelder wie Orbán und Babiš. Deshalb bin ich dankbar für die zusätzlichen Mittel, die für die neue Renovierungswelle bereitgestellt werden sollen, da dies genau die Art von Investition ist, die den Bürgern helfen und sich in weniger als zehn Jahren zurückzahlen wird.”
Markéta Gregorová, MdEP, Mitglied der Ausschüsse INTA, AFET, SEDE und AFCO, kommentierte die internationalen Beziehungen:
“Die Pandemie ist eine globale Herausforderung, die eine globale Antwort erfordert. Europa muss die Antworten geben und sich solidarisch mit seinen Partnern in Not zeigen. Die Kommission versteht, dass wir die internationalen Finanzinstitutionen, die Vereinten Nationen und die Weltgesundheitsorganisation und weitere nicht von der Lösung ausschließen können. Die Zusammenarbeit mit multilateralen Institutionen ist für die Sicherung der globalen Gesundheit von zentraler und wesentlicher Bedeutung.
Was uns die Pandemie gelehrt hat, ist, dass es dringend notwendig ist, einen Teil der Versorgungsketten für medizinische Ausrüstung in Pandemiekrisen zu sichern. Ich sehe es positiv, dass die Kommission vorschlägt, in den Partnerländern Finanzmittel zur Stärkung der Gesundheitssysteme, einschließlich der Bereitschaftsplanung, und zum Aufbau von Produktionskapazitäten für Impfungen, Behandlungen und Diagnostika im Zusammenhang mit COVID-19 bereitzustellen, da der Vorschlag auf die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen abzielt. Dies unterstütze ich. Der Vorschlag geht jedoch nicht auf die Notwendigkeit des Schutzes der Menschenrechte der Arbeitnehmer/innen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Produktions- und Lieferketten ein.
Wir müssen sicherstellen, dass die Arbeitnehmer/innen in Berufen, die mit der globalen Wirtschaft verbunden sind, nicht gezwungen werden, für ein geringeres Einkommen in Teilzeit zu arbeiten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder unter unzureichenden Bedingungen aufgrund einer Unterbrechung der globalen Lieferkette durch COVID-19 beschäftigt zu sein. Wir befinden uns leider nicht im selben Boot, sondern in ganz unterschiedlichen Booten auf einem sehr wütenden Ozean. Es besteht die Notwendigkeit, die Auswirkungen auf in Schwierigkeiten geratene Familien nicht nur in Europa, sondern auch in der restlichen Welt zu mildern und sicherzustellen, dass die Fertigungsstandards für medizinische Geräte allen IAO-Richtlinien entsprechen, indem angemessene Schutzmaßnahmen zum Schutz der Menschenrechte und des Lebensstandards der Arbeitnehmer getroffen werden. Die Kommission schlägt eine Finanzierung in den Partnerländern vor, um die Gesundheitssysteme, einschließlich der Herstellung der medizinischen Produkte, zu stärken. Ich sehe jedoch nicht, dass die Kommission auf die aktuellen Menschenrechtsfragen hinweist und zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte in den globalen Lieferketten aufruft.”
Marcel Kolaja MdEP, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, kommentiert die Digitalisierung:
“Ich begrüße es, dass das Paket die Technologie als Werkzeug im Dienste einer umweltfreundlichen Technologie begreift. Die doppelte Transformation, digital und grün, die Hand in Hand geht, ist das Schlüsselelement für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Aufgrund der Corona-Krise erhielten viele kleine Unternehmen, die zuvor nur den Online-Verkauf in Betracht gezogen hatten, den letzten Anreiz, ihre Dienstleistungen zu digitalisieren. Dies ist eine Gelegenheit für sie, ihre Reichweite weiter auszubauen”.
Der Plan der Kommission, die Ausbildung und Weiterentwicklung digitaler Fähigkeiten zu unterstützen, ist zu begrüßen. Er wird die Entwicklung von kleinen und mittleren Unternehmen fördern und den Bürger/innen helfen, die Vorteile der digitalen Wirtschaft voll auszuschöpfen. Dies ist für Europa von entscheidender Bedeutung, da laut Statistik nur 56% der Europäer über ausreichende digitale Fertigkeiten verfügen, um im digitalisierten Europa zu agieren.
Das Konjunkturprogramm konzentriert sich jedoch hauptsächlich auf Investitionen in eine bessere Konnektivität wie 5G, ohne das Problem des Mangels an ausreichender Internet-Konnektivität von vornherein zu lösen. In Tschechien beispielsweise besteht die Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten weiterhin, da nur 59% der ländlichen Haushalte über schnelle Breitbandnetze verfügen.
Investitionen in neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Cloud-Infrastruktur oder Supercomputer sollten von der Achtung der Grundrechte, einschließlich des Rechts auf den Schutz persönlicher Daten und der Meinungs- und Informationsfreiheit, abhängig gemacht werden. Das ist der Punkt, an dem Europa einen klaren Wettbewerbsvorteil hat und an dem wir einen Unterschied machen können”.
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