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Polizeigewerkschaft und Kommunen fordern mehr Videoüberwachung, zitieren dazu Studien falsch

Freiheit, Demokratie und Transparenz Landtag

Wenn unter Berufung auf “Studien” mehr Überwachung gefordert wird, lohnt es sich, die angegebenen Studien einmal nachzulesen. So habe ich im Februar schon eine Behauptung des Schleswig-Holsteinischen Innenministers betreffend “Kinderpornografie” und Vorratsdatenspeicherung widerlegen können, der eine amerikanische Studie falsch zitiert hatte.
Nun habe ich mir die Forderung der Städte und Gemeinden sowie der Gewerkschaft der Polizei angesehen, es bedürfe einer “verstärkten Videoüberwachung an gefährlichen Orten“, weil “Studien belegen, dass dies vor allem an Kriminalitätsschwerpunkten erfolgreich ist”. Das Ergebnis meiner Recherche habe ich den Autoren des Papiers in folgender E-Mail mitgeteilt:

Sehr geehrter Herr …, sehr geehrter Herr …,
Ihr Positionspapier “Sicherheit in Städten und Gemeinden” spricht sich leider für eine “Verstärkte Videoüberwachung an gefährlichen Orten” aus, Begründung: “Studien belegen, dass dies vor allem an Kriminalitätsschwerpunkten erfolgreich ist.”
Auf meine Nachfrage haben Sie freundlicherweise die Studien genannt, auf die Sie sich beziehen (Lösel/Plankensteiner 2005; Bundespolizei 2011; Brandt 2004).
Ich habe die drei Studien mit Interesse gelesen, kann ihnen jedoch keinen Beleg für Ihre These entnehmen, dass Videoüberwachung “vor allem an Kriminalitätsschwerpunkten erfolgreich” sei:
1. Lösel/Plankensteiner schreiben, dass Videoüberwachung zwar in Parkhäusern die Zahl der Diebstähle reduziert habe. Aber: “In Stadtzentren und Wohngebieten sowie im öffentlichen Nahverkehr hatte die Videoüberwachung nur geringen oder keinen signifikanten Effekt auf die Kriminalität. Es ergab sich auch kein Erfolg hinsichtlich der Verringerung von Gewaltdelikten.”
Die Ergebnisse von Lösel/Plankensteiner rechtfertigen die allgemeine Empfehlung zur verstärkten Videoüberwachung “gefährlicher Orte” folglich nicht und belegen auch keinen Erfolg “an Kriminalitätsschwerpunkten”.
Nähere Informationen zu der von Lösel/Plankensteiner in Bezug genommenen britischen Vergleichsstudie finden Sie übrigens hier:
http://www.daten-speicherung.de/index.php/index.php/studie-videoueberwachung-kaum-von-nutzen/
2. Die Studie der Bundespolizei von 2011 sagt nichts darüber aus, ob Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten erfolgreich ist.
3. Frau Brandt wiederum schreibt in ihrer Arbeit: “Da in den meisten Fällen die Videoüberwachung eine Maßnahme in einem Maßnahmenkomplex darstellte, können keine eindeutigen Aussagen über die Wirkungen der Videoüberwachung getroffen werden.” Und weiter: “Die Ergebnisse zeigen, dass mit der Videoüberwachungsmaßnahme die Aufdeckungsrate nicht steigt.”
Auch diese Studie rechtfertigt folglich nicht die Empfehlung zur verstärkten Videoüberwachung “gefährlicher Orte” und belegt auch keinen Erfolg “an Kriminalitätsschwerpunkten”.
Weitere Informationen zu dieser Studie finden Sie übrigens hier:
http://www.daten-speicherung.de/index.php/studie-nutzen-von-videoueberwachung-in-deutschland-nicht-nachzuweisen/
Vor diesem Hintergrund muss ich feststellen, dass die Aussage in Ihrem Papier (“Studien belegen, dass dies vor allem an Kriminalitätsschwerpunkten erfolgreich ist.”), nicht zutrifft und dementsprechend auch nicht die Schlussfolgerung trägt, eine “Verstärkte Videoüberwachung an gefährlichen Orten” sei wünschenswert.
Es würde mich freuen, wenn Sie diese These noch einmal grundlegend überdenken würden, zumal sich Ihr Positionspapier im Wesentlichen auf andere Maßnahmen stützt und die Passage zur Videoüberwachung darin verzichtbar, wenn nicht gar kontraproduktiv ist.
Für ein Gespräch stehe ich Ihnen auf Wunsch gerne zur Verfügung.
Mit freundlichem Gruß,

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