Change language: Deutsch
Teilen:

Quick-Freeze-Gesetzentwurf: Ermitteln gegen Straftäter statt Generalverdacht gegen alle!

Europaparlament Freiheit, Demokratie und Transparenz Pressemitteilungen

Der EU-Abgeordnete, Jurist und Bürgerrechtler Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) fordert von der SPD eine schnelle Zustimmung zu dem heutigen Gesetzentwurf des Bundesjustizministers Buschmann zum Ersetzen des Gesetzes zur flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung durch eine gezielte Sicherung der Daten Verdächtiger („Quick Freeze“):

„Wie im Koalitionsvertrag vereinbart setzt dieser Gesetzentwurf auf eine effektive und anlassbezogene Datenspeicherung (Quick Freeze) und erteilt der extremen Innenminister-Forderung nach einer flächendeckenden Internet-Vorratsdatenspeicherung eine klare Absage. Diese wäre ein Dammbruch und ein Frontalangriff auf unser Recht auf anonyme Internetnutzung, auf das unzählige Menschen angewiesen sind. IP-Vorratsdatenspeicherung wäre, wie wenn jede:r Bürger:in ein sichtbares Kennzeichen um den Hals gehängt bekäme und dieses auf Schritt und Tritt notiert würde. Niemand würde sich eine solche Totalerfassung im täglichen Leben gefallen lassen. Die SPD muss jetzt den Weg frei machen für eine historische Abkehr von der autoritären Methode flächendeckender Datensammlung!

Im koalitionsinternen Streit um die bessere Aufklärung von Internetdelikten sehe ich gleichwohl Kompromissmöglichkeiten jenseits der inakzeptablen Extremforderung nach einer flächendeckenden Internet-Vorratsdatenspeicherung: Laut Gesetzentwurf soll die gezielte Sicherung auch von Internetverbindungsdaten wie IP-Adressen und Portnummern eine Anordnung der Justiz voraus setzen und auf Straftaten von erheblichem Gewicht beschränkt sein; ich kann mir eine Senkung dieser Anforderungen im Sinne einer zeitlich begrenzten ‚Datensicherung auf Zuruf‘ vorstellen. Hilfreich könnte auch die Einführung einer technischen Schnittstelle sein, über die Ermittler bei großen Anbietern Internetverbindungsdaten quasi in Echtzeit einfrieren lassen können, auch noch während einer laufenden Verbindung.“

Hintergrund: Die Verbreitung (kinder-)pornografischer Schriften wird laut Kriminalstatistik zu über 90% aufgeklärt, ohne dass eine mit dieser Begründung von Innenministern geforderte Pflicht zur flächendeckenden IP-Vorratsdatenspeicherung in Kraft ist. Die Aufklärungsquote war nicht höher und ist nicht angestiegen, als in Deutschland 2009 eine IP-Vorratsdatenspeicherung praktiziert wurde.

„Auch im Vergleich zum Ausland lässt sich eine höhere Aufklärungsquote bei Internetdelikten in Staaten mit IP-Vorratsdatenspeicherung nicht feststellen. Die Verfügbarkeit von öffentlichen Hotspots, Anonymisierungsdiensten usw. setzen der Nachverfolgbarkeit von IP-Adressen unabhängig von der Speicherpraxis Grenzen. Außerhalb des Internets ist im Rechtsstaat schließlich ebenfalls keine 100%ige Aufklärbarkeit von Straftaten gegeben und wird keine flächendeckende Spurensicherung ‚auf Vorrat‘ praktiziert“, so Breyer abschließend.