Change language: Deutsch
Teilen:

Schatten-Diplomatie per Signal: Wie EU-Minister Kontrolle und Transparenz aushebeln

Freiheit, Demokratie und Transparenz

Die EU-Außenminister tauschen sich über internationale Konflikte wie im mittleren Osten offenbar über eine Signalgruppe aus, die auf ihren Privathandys installiert zu sein scheint, so wird es heute berichtet. Es ist eine Selbstverständlichkeit und von EU-Ministern heutzutage zu erwarten, dass sie sich kurzfristig digital abstimmen können. Aber die Nutzung einer handelsüblichen App auf potenziell ungesicherten Privatgeräten für hochsensible Regierungskommunikation ist grob fahrlässig und angesichts der Chatthemen wie Krieg und Frieden unverantwortlich.

Diplomatie in der Amateurliga

In Sachen IT-Sicherheit agieren die EU-Außenminister hier in der Amateurliga. Wer aber in der Amateurliga spielt, wird von Profis ausländischer Spionagebehörden ausgespielt.

Die Bequemlichkeit einer Gratis-App wird offenbar über die nationale Sicherheit und die Stabilität internationaler Beziehungen gestellt. Das ist digitale Kapitulation. Es geht hier um nicht weniger als Krieg und Frieden, um Leben und Tod von Zivilbevölkerung und Soldat/innen.

Es mangelt an einem grundlegenden Verständnis für die Bedrohungslage. Notwendig wäre die Verwendung ausschließlich dienstlicher, besonders gehärteter und zentral verwalteter Endgeräte (sog. Kryptohandys), die verpflichtend eine VPN-Verbindung nutzen und bei denen Cloud-Backups systemseitig deaktiviert sind. Für wirklich sensible Inhalte wie die Kriege in Gaza eignen sich nur zertifizierte, selbst gehostete Systeme wie das EU Secure Communication System (ESC) des Ministerrats oder COREU – mit regelmäßigen Audits. Diese Systeme müssen auch eine Archivierung für Transparenz und Nachvollziehbarkeit ermöglichen. Signal ist maximal als Backup für triviale Infos geeignet.

Das größte Einfallstor ist oft nicht die App selbst, sondern das unverschlüsselte Cloud-Backup auf einem privaten Google- oder Apple-Konto. Dort kann der gesamte Chatverlauf ungeschützt landen – ein offenes Scheunentor für jeden ausländischen Nachrichtendienst.

Widersprüche in den offiziellen Stellungnahmen

Der zentrale Widerspruch, dass die Nachrichten gleichzeitig „nicht-sensibel“ (Aussage EAD) und „hochvertraulich“ (Aussage Schweden) sein sollen, ist entlarvend. Er ist kein Versehen, sondern Methode. Der Widerspruch ist System: Man deklariert die Kommunikation als ‚informell‘ und ‚nicht-sensibel‘, um sich der amtlichen Aktenführungspflicht, wie sie etwa in Deutschland § 29 der GGO vorschreibt, zu entziehen. Sobald aber jemand Einsicht fordert, wird dieselbe Kommunikation zur ‚Gefahr für die internationalen Beziehungen‘ erklärt.

Das ist der gezielte Versuch, einen rechtsfreien Raum für politische Absprachen zu schaffen.

Folgen für Transparenz und parlamentarische Kontrolle

Dieses Vorgehen hebelt fundamentale demokratische Kontrollmechanismen aus. Die Ministerien werden nicht umfassend informiert, was die Qualität der Regierungsarbeit mindert. Vor allem aber wird das Parlament entmachtet.

Hier entsteht eine digitale Schatten-Diplomatie, die sich der parlamentarischen Kontrolle und jeder öffentlichen Nachvollziehbarkeit entzieht. Für einen späteren Untersuchungsausschuss wären diese flüchtigen Chats unsichtbar. Das ist eine bewusste Intransparenz, die demokratische Grundprinzipien untergräbt.

Fazit

Die Risiken der Signalgruppe sind immens und stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen der informellen Kommunikation. Die Affäre zeigt eine gefährliche Mischung aus technischer Naivität und dem politischen Willen, sich Kontrollmechanismen zu entziehen.

Die EU-Außenminister spielen mit der nationalen Sicherheit Europas russisches Roulette – nur dass alle Kammern geladen sind.

Die US-Signalaffäre zeigt, was passieren kann – und Europa kopiert den Fehler. Der potenzielle Schaden – von erpressbaren Ministern über diplomatische Krisen durch Leaks bis zum massiven Vertrauensverlust bei Bündnispartnern – ist unkalkulierbar. Statt Bequemlichkeit braucht es endlich Profi-Standards in der internationalen Digitalkommunikation.