Sexismus-Skandal an Polizeischule Eutin: Opposition hält Ablösung von Jürgen Funk für „unwürdig“ | shz.de [extern]
Eutin | Ein Polizeischüler wurde entlassen: Nach der Affäre um Vorwürfe gegen Polizeianwärter wird der Leiter der schleswig-holsteinischen Polizeischule in Eutin abgelöst. Jürgen Funk tauscht seinen Posten mit dem bisherigen Leiter der Polizeidirektion Ratzeburg, Michael Wilksen, wie ein Sprecher des Landespolizeiamts am Freitag sagte. Zuvor hatten die „Kieler Nachrichten“ über die überraschende Personalentscheidung berichtet.
Polizeischülerinnen hatten im Dezember 2014 eine schriftliche Beschwerde an den Chef der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung verfasst. Darin beklagten sie frauen- und fremdenfeindliche Sprüche, außerdem sexuelle Anzüglichkeiten durch drei Mitschüler. Patrick Breyer, Fraktionsvorsitzender der Piraten, machte den Fall vor drei Monaten öffentlich – weil trotz der schwerwiegenden Vorwürfe kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden war. Die Piraten dokumentierten mehrere teils pornografische Bilder, die nach Angaben der Fraktion aus der WhatsApp-Gruppe der Polizeianwärter stammen und dem zuständigen Ausschuss vorgelegen hatten.
Das Landespolizeiamt begründete Funks Ablösung mit der regelmäßigen Rotation von Behördenleitern – und löste damit scharfe Kritik aus der Opposition im Landtag aus. CDU-Innenpolitiker Axel Bernstein warf Innenminister Stefan Studt (SPD) einen unwürdigen Umgang mit dem Leiter der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung vor. Studt und Funk hatten noch am Dienstag gemeinsam den ersten Spatenstich für eine neue Trainingshalle der Polizei gesetzt. „Zwei Tage später lässt er ihn völlig überraschend ablösen“, rügte Bernstein. Die Behauptung, es handle sich um eine regelmäßige Rotation der Behördenleiter, sei offenkundig an den Haaren herbei gezogen.
Studt müsse erklären, wann die letzten fünf regelmäßigen Rotationen stattgefunden haben, forderte Bernstein. „Ich kenne niemanden, der von dieser angeblich üblichen Praxis weiß.“ Die Handlungsweise des Ministers sei auch wegen des eigentlichen Anlasses unwürdig. Niemand könne mit Sicherheit sagen, was sich zwischen den Polizeischülern in Eutin abgespielt habe. Hintergrund sind Vorwürfe gegen Polizeianwärter wegen Sexismus und fremdenfeindlicher Äußerungen.„Minister Studt sollte die Polizei und die Öffentlichkeit jetzt nicht auch noch beschwindeln“, sagte der FDP-Innenpolitiker Ekkehard Klug.
Jürgen Funk überreicht hier einer Lehrgangsbesten ihre Ernennungsurkunde.
Funks Ablösung mit regelmäßiger Rotation zu begründen, werde das Vertrauen der Polizei gegenüber dem Innenminister restlos zerstören.
Die Polizeiführung legt nach Angaben eines Sprechers „großen Wert auf die umfassende Kompetenz und stete Kompetenzerweiterung der Behördenchefs“. Ziel sei eine breite dienstliche Erfahrungsbasis.„Dies alles wird durch eine regelmäßige Rotation der Behördenleiter erreicht“, so die offizielle Begründung für Funks Wechsel. „Die Neubesetzungen der Chefposten bringen in beide Behörden neue Perspektiven und Denksätze“, sagte Landespolizeidirektor Ralf Höhs.
Unterdessen soll nach Angaben des Innenministeriums einer der beiden beschuldigten Absolventen Ende Juli aus dem Dienst entlassen werden.
Hintergrund ist mutmaßlich eine fremdenfeindliche Äußerung. Das Disziplinarverfahren gegen einen weiteren Anwärter läuft dagegen weiter.
Piraten-Fraktionschef Patrick Breyer sprach von einem „gravierenden Fall von Führungsversagen“. Er forderte eine unabhängige Stelle für interne Ermittlungen. Funks Ablösung gehe am Kern des Problems vorbei. Nur eine externe, unabhängige Stelle für interne Ermittlungen gewährleiste, dass massive Vorwürfe nie wieder unter den Teppich gekehrt werden können.
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von shz.de/dpaerstellt am 29.Jul.2016 | 14:04 Uhr
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