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Sexualstrafrechtsreform ja, aber nicht so [ergänzt]

Anträge Freiheit, Demokratie und Transparenz Landtag

Im Windschatten der Diskussion um die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln und anderswo will Bundesjustizminister Maas das Sexualstrafrecht reformieren. Diverse Bundesländer – auch Schleswig-Holstein – wollen das Strafrecht noch weiter verschärfen, und zwar unter dem Schlachtruf “Nein heißt Nein”. Hintergrund ist eine Kampagne von Frauenverbänden zur Verschärfung des Sexualstrafrechts.
Wie der Deutsche Anwaltsverband in seiner Stellungnahme ausführt, ist ein Teil der Vorschläge von Maas diskutabel, ein anderer Teil schießt aber weit über das Ziel hinaus.

Der Deutsche Anwaltverein sieht durchaus Anlass zu einer wohlüberlegten grundlegenden Reform des Sexualstrafrechts. Die dazu vom BMJV eingerichtete Expertengruppe sollte Vorschläge unterbreiten, die dann in der Fachöffentlichkeit und in der Öffentlichkeit diskutiert und beraten werden. Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Alternative des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht homogen in das Normkonzept des § 177 integriert werden konnte. Der DAV warnt indes davor, bei der Verlagerung des Tatbestandes in den § 179 Abs. 3 Nr. 1 StGB das objektive Nötigungselements zu eliminieren. Die Beibehaltung derselben Strafandrohung (Abs. 3 u. 5) wie bei der Anwendung von Gewalt und der Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben (§ 177) erscheint unverhältnismäßig. Zudem wird die Aufklärung solcher Fälle in künftigen Strafprozessen noch mehr der Subjektivität der Beteiligten überantwortet. Bedenken gleicher Art erhebt der DAV gegen die beabsichtigte Regelung des § 179 Abs. 1 Nr. 3.

Der Strafrechtler und Richter Prof. Dr. Tonio Walter erklärt in der ZEIT, warum geplante Reform “zu weit” geht und die Eile schadet. Die Zahl der falscher Anschuldigungen werde weiter steigen.
Die Kieler Kriminologin Prof. Monika Frommel beklagt insgesamt eine “Remoralisierung des Strafrechts”.

Es handelt sich bei dieser Kampagne also um ein klassisches – nun international und national inszeniertes – Moralunternehmen. … Aber die Kampagne übertreibt die behaupteten Mängel. Einzelfälle werden als Strukturproblem definiert und einzelne Fehlurteile als Versagen der Gesetzgebung dargestellt. Die sich ergebenden Auslegungsprobleme werden nicht fachlich diskutiert, sondern es wird ausschließlich politisch argumentiert. Der Stil dieser Debatte ist maternalistisch. Die Prinzipien einer liberalen, rechtsstaatlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung werden mit Opferschutz-Argumenten überspielt. … Denn eine Politik, die im Wesentlichen nur noch „Zeichen” setzen will (und Lobbyisten fordern gerade diese „Zeichen”), ist weder rational noch wirksam.

Aus diesen Gründen habe ich heute im Landtag gegen die Bundesratsinitiative von Hamburg und anderen Ländern gestimmt, ebenso wie die FDP.
Ergänzung: Die übrigen Abgeordneten der Piratenfraktion haben für die Bundesratsinitiative gestimmt.
Zur Frage angeblicher “Schutzlücken” siehe auch den in der ZEIT veröffentlichten Beitrag von BGH-Strafrichter Fischer “Lücke oder Lüge?“:

Die Übergriffe auf die Frauen in Köln (…) wären eigentlich eindeutig strafbar.” Stimmt. Eine Gesetzeslücke liegt nicht vor. Wenn man die Täter hätte, könnte man sie alle bestrafen. Die “eindeutige Strafbarkeit” ergibt sich zwanglos aus der Gesetzeslage und der ständigen Rechtsprechung des BGH. …
Das Gesetz und die Rechtsprechung setzen für die Strafbarkeit wegen sexueller Nötigung/Vergewaltigung seit nunmehr 18 Jahren gerade keinen körperlichen Widerstand des (weiblichen oder männlichen) Tatopfers mehr voraus. Schon in einem Grundsatzurteil vom 25. Januar 2006 (BGHSt 50, S. 359, 369) hat der BGH festgestellt, dass es ausreiche, wenn das Tatopfer aus Furcht vor Gewalt, etwa wegen der Erfahrung eines “Klimas der Gewalt”, auf Widerstand verzichtet. … Gewalt sowie die (ausgesprochene oder unausgesprochene) Drohung mit Gewalt sind also genauso bereits strafbar wie das bloße Ausnutzen der Furcht einer Person vor Gewalt (auch wenn diese nicht angedroht ist). …
Nicht strafbar ist derzeit allein der Fall, dass das Tatopfer ein späteres empfindliches Übel nur befürchtet (mit dem ihm nicht gedroht wurde), und dass der Täter dies “ausnutzt”. Wie man solche Fälle – nach Monaten und Jahren – beweisen sollte, weiß kein Mensch. Die Konstruktion ist geradezu eine Einladung zum Missbrauch der Justiz. Diese “Reform” schlägt nun das Bundesjustizministerium vor, “als Antwort auf Köln”, wie zu lesen war – obgleich sie mit “Köln” nicht einmal ansatzweise zu tun hat und nicht das Geringste geändert hätte. …

Weitere Ergänzung: Arthur Kreuzer schreibt in der ZEIT, das Strafrecht sei oft das falsche Mittel. Grabschen müsse bestraft werden. Doch jeden unwillentlichen Sexualakt juristisch ahnden zu wollen, führe in eine Sackgasse und helfe den Frauen nicht. Zum Artikel

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