#StopKillingGames: EU-Kommission nimmt erstmals Stellung zum Computerspiele-Sterben
Auf Anfrage des Europaabgeordneten der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer hat EU-Kommissarin Vera Jourová erstmals Stellung genommen zu dem Gamer-Protest gegen die Unbrauchbarmachung viel verkaufter Computerspiele durch ihre Hersteller.[1] Jourová erklärt, EU-Vorschriften enthielten „keine spezifischen Anforderungen an die Dauer der Bereitstellung von Produkten“. Nur wenn vor Ende einer vereinbarten Bereitstellungsdauer gekündigt wird, hätten die Verbraucher Rechte wie eine anteilige Erstattung des Kaufpreises. Im Streitfall entschieden Gerichte und Behörden.
Der Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer sieht Handlungsbedarf: „In ihren AGB behalten sich die Hersteller von Computerspielen regelmäßig die jederzeitige willkürliche Abschaltung von Videospielen vor, auch wenn sie gerade erst gekauft wurden. Meines Erachtens ist das zwar eine nach EU-Recht unfaire und unwirksame Vertragsklausel, aber eine gerichtliche Klärung dauert lange. Eine Entschädigung hilft außerdem nicht weiter. Zum Schutz von Videospielen als Kulturgut und der Spielergemeinschaften brauchen wir ein neues EU-Gesetz, das einen Weiterbetrieb eingestellter Spiele durch die Community ermöglicht. Die EU-Kommission muss hier tätig werden, statt das Profitinteresse der Industrie über alles zu setzen.“
Anja Hirschel, Spitzenkandidatin der Piratenpartei erklärt: „Wie frühere Stummfilme die größtenteils verloren sind, so sind auch Computerspiele ein Spiegel ihrer Zeit, teils mit aufwendigen Details, Musik und Storytelling. Sobald sie im ‘abandoned’ Status sind sollten sie der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. So können sie als Teil unserer ‘digital heritage’ erhalten werden.“
Bei dem gestrigen Webinar „Gegen das Computerspiele-Sterben“ zur Initiative „Stop Killing Games“ haben sich Vertreter*innen aus Politik und Zivilgesellschaft für einen besseren Schutz der Gaming-Community ausgesprochen. [2] Hintergrund ist die Kritik an der Entscheidung des Computerspiele Publishers Ubisoft, das Rennspiel „The Crew“ kurzfristig Ende März 2024 abzuschalten, obwohl es noch bis Dezember 2023 verkauft wurde. Die anwesende Rechtsanwältin Renate Schmid und der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer – selbst Jurist und ehemaliger Richter – meldeten verbraucherschutzrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens an.
Die erste und Frage richtete sich direkt an Renate Schmid, Rechtsanwältin bei der Kanzler WBS.LEGAL, nämlich ob Ubisoft das Computerspiel einfach so kurzfristig abschalten durfte. Sie erklärte:
„Ubisoft sagt, ‚ich darf das aufgrund meiner AGB‘ aber ich habe ein erhebliches Fragezeichen, ob die AGB überhaupt wirksam sind. Nach meinem jetzigen Recherchestand sind sie das nicht.“
Dr. Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei, monierte, dass die europäische Rechtslage unklar ist und hier zum Schutz von Gamern nachgebessert werden müsste:
„Da landen wir dann bei der allgemeinen Richtlinie, die uralt ist, zu unfairen AGB. Da steht aber natürlich nicht drin, welche AGB unfair sind. Aus meiner Sicht braucht es da eine Klarstellung und Konkretisierung. Das bietet sich auch deswegen an, weil die Richtlinie sowieso überarbeitet werden soll.“
Zu der Diskussion eingeladen hatte die Piratenpartei. Digitalexpertin und Piraten-Spitzenkandidatin zur Europawahl Anja Hirschel moderierte die Veranstaltung und brachte die vielen Fragen des Live-Publikums in die Diskussionsrunde ein. Dabei wurde der Frust vieler Spieler*innen deutlich. Ihre Forderung: Spielehersteller sollten nach dem kommerziellen Ende des Spiels wenigstens eine private Weiternutzung offline ermöglichen oder das Spiel in die Community übergeben. Mit von Fans betriebenen Servern, wäre so ein Weiterbetrieb selbst von Onlinespielen möglich.
Daniel Ondruska, von der Initiative Stop Killing Games erklärte das Problem, dem Spieler*innen hier ausgesetzt werden:
„Letztendlich verkauft man etwas und nimm es dann einfach weg. Du kannst dir das so vorstellen: du kaufst dir ein Auto und nach 5 Jahren wird ein neues Modell auf den Markt gebracht und dann schaltet sich dein Auto aus.“
Neben der rechtlichen Bewertung, ging es auch um den Schutz von Computerspielen als modernes Kulturgut. Außerdem entwickelte sich im Gespräch die Idee, Abgeordnete im nächsten Europäischen Parlament direkt mit dem Thema Gaming in Kontakt zu bringen, damit die Politik die Interessen von Spieler*innen besser als bisher berücksichtigt. Wenn sie als Europaabgeordnete gewählt wird, wolle Anja Hirschel – Spitzenkandidatin der Piratenpartei – zu einer Lan-Party im Parlament einladen:
„Ich finde das wichtig, weil es zeigt dann auch: was kann Gaming, welche Communities gibt es und ich kann mir vorstellen, dass viele Abgeordnete dann vielleicht Berührungsängste verlieren.“
[1] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-9-2024-001023-ASW_DE.pdf
[2] Aufzeichnung: https://www.piratentube.de/w/f633vXiMfc9hKdV2VoeY5p