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Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen in Schleswig-Holstein weiterhin verfassungswidrig

Freiheit, Demokratie und Transparenz Gesetzentwürfe Juristisches Landtag

Im Sozialausschuss haben SPD, Grüne, SSW und CDU gestern grünes Licht gegeben für eine Reform des Gesetzes über die geschlossene Unterbringung psychisch kranker Menschen in Schleswig-Holstein, um den vom Bundesverfassungsgericht seit Jahren geforderten Grundrechtsschutz umzusetzen. Die PIRATEN stimmten gegen das Gesetz in dieser Form. Mein Kommentar:

Nach der heute beschlossenen Gesetzesfassung wird die Zwangsbehandlung psychisch kranker Menschen in Schleswig-Holstein weiterhin die Grundrechte psychisch kranker Menschen verletzen, davon bin ich überzeugt.
Die Diskussion mit allen Fraktionen war von großer Sachlichkeit und ehrlichem Interesse an einer gemeinsamen Lösung geprägt. Darin konnten wir Piraten eine Mehrheit dafür gewinnen, dass psychisch Kranke vor der Entlassung künftig länger auf Probe beurlaubt werden können. Auch konnten wir eine bessere Aufklärung Untergebrachter über ihre Kontaktmöglichkeiten zur Anliegenvertretung und zum Petitionsausschuss erreichen.
Die Vorstellungen der PIRATEN gehen aber weiter. In mehreren Punkten sehen wir einen Grundrechtsverstoß, konnten uns aber leider nicht durchsetzen: Nach dem Wortlaut des Gesetzes dürfen psychisch kranke Menschen zum Schutz vor sich selbst untergebracht werden, selbst wenn sie sich in freier Entscheidung ein Leben mit den Folgen ihrer Krankheit in Freiheit vorziehen. Ärztliche Eingriffe in den Körper psychisch Kranker sollen weiterhin ohne deren Einwilligung zulässig sein, wenn die damit verbundene Gesundheitsgefahr nach Meinung der Ärzte nicht ‘erheblich’ ist. Auch außerhalb akuter Notfälle soll eine Zwangsbehandlung ohne richterliche Genehmigung zugelassen werden. Eine solche Missachtung der Rechte psychisch kranker Menschen ist mit uns PIRATEN nicht zu machen. Ich kann den Betroffenen nur empfehlen, rechtliche Schritte zu ergreifen.
Überhaupt nicht akzeptabel ist, dass psychisch kranke Menschen im Maßregelvollzug künftig unter Videoüberwachung gestellt werden sollen. Ein Ersatz menschlicher Betreuung durch technische Überwachung ist nicht nur menschenunwürdig, sondern schadet dem Behandlungserfolg und ist damit kontraproduktiv.

Kommentare

3 Kommentare
  • Anonym

    Grundsätzlich eine Zwangsbehandlung gesetzlich zu verbieten, halte ich, auch im Sinne des Patienten, für falsch und kann an unterlassene Hilfeleistung grenzen.
    Ein s.g. Recht auf Krankheit in Zusammenhang mit einer schweren Psychose, halte ich schon für reichlich zynisch. Ich weiß wovon ich schreibe. Habe ein schwerkrankes enges Familienmitglied.

    • Patrick Breyer

      Bitte beachten Sie, dass wir kein generelles Verbot von Zwangsbehandlungen fordern. Unsere Kritik finden Sie im Artikel oben.

  • Anonym

    Dieser ganze § Hickack muss ja wohl sein. Hilft uns in der akuten Situation nicht. Hier geht es um dringende med. Hilfe einer Patientin mit von einem Sachverstädigen diagnostiziertem u.A. hirnorganischen Psychosyndrom. In den letzten Wochen rein und raus aus 2 psych. geschl. Aufenthalte in KH. Eine Zwangsmedikation gibt das Gesetzt nicht her.(Richter). Kopfverletzungen, Verlust zweier Zähne durch Sturz. Habe den Eindruck, es traut sich keiner den § 1906 BGB voll auszuschöpfen. Warum auch immer. Bräuchte dringend Hilfe. Es handelt sich um meine erwachsene Tochter.Übrigens-danke, daß Sie geantwortet haben.

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