Aufgewärmter KESY – Brandenburg will nicht von verdachtsloser Autofahrtenerfassung lassen
Auf die von der Piratenpartei eingereichte Klage gegen die verdachtslose Autofahrtenerfassung hat die Staatsanwaltschaft die umstrittene, bundesweit einmalige Praxis nun verteidigt. Sie sei anlässlich von Bandendiebstählen betreffend Bootsmotoren und Kraftfahrzeugen angeordnet worden. Dass die Vorratsspeicherung auch der Kennzeichen aller unverdächtiger Autofahrer zur Aufklärung dieser Diebstähle erforderlich gewesen wäre, schreibt die Staatsanwaltschaft allerdings nicht.
In seiner Erwiderung kritisiert Kläger Marko Tittel (Piratenpartei) gegenüber dem Landgericht Frankfurt (Oder): “Beliebige Verkehrsteilnehmer flächendeckend zu erfassen und auf Vorrat zu speichern” sei von der Strafprozessordnung “nicht abgedeckt” gewesen. “Die bloße Möglichkeit, dass sich die Bewegungsdatenbank zur Aufklärung einer Straftat als nützlich erweisen könnte, steht in keinem auch nur annähernd angemessenen Verhältnis zur Tiefe des Grundrechtseingriffs einer totalen Erfassung sämtlicher Verkehrsteilnehmer auf der jeweiligen Strecke.” Die Entscheidung des Landgerichts steht noch aus.
Brandenburgs Innenminister Stübgen möchte die 2021 gestoppte verdachtslose Autofahrtenerfassung mithilfe des “Aufzeichnungsmodus” des automatischen KFZ-Kennzeichenerfassungssystems KESY unterdessen wieder aufnehmen. Entgegen aller rechtlicher Bedenken, auch innerhalb der Regierungskoalition, möchte der Minister das System mithilfe eines bundesweit beispiellosen Landesgesetzes wiederbeleben. Betroffen wären dann wieder alle Brandenburger Autofahrer, deren Kennzeichen auf unbestimmte Zeit erfasst würden.
Marko Tittel (Piraten), Kläger gegen KESY:
“Es ist enttäuschend, dass trotz eindeutiger Rechtslage der Minister einfach versucht ein neues Schlupfloch zu schaffen, um die rechtswidrige Vollerfassung alles Kennzeichen aufleben zu lassen. Die Hoffnung auf Fahndungserfolge steht in keinem Verhältnis zum Grundrechtseingriff in die informationelle Selbstbestimmung.”
Guido Körber (Landespressesprecher Piraten):
“Abgesehen davon, dass keine rechtlich saubere Konstruktion denkbar ist, bleibt die Frage im Raum, wie der Missbrauch dieser Autofahrtendatenbank verhindert und die sichere und endgültige Löschung nach Ablauf der Speicherfrist gesichert werden soll. Das ist alleine technisch schon naiv.”
Dr. Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei, erklärt:
“Wir Piraten setzen alles daran, dass schwarz-rot-grün regierte Brandenburg daran zu hindern, einen Präzedenzfall für eine verdachtslose Vorratsspeicherung aller Autofahrten zu schaffen. Wir alle haben ein Recht auf überwachungsfreie Fahrt. Unter ständiger Beobachtung sind wir nicht frei!”