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CDU-MdB Siegfried Kauder packt aus: CDU ist “ein Abnick-Verein geworden”

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Wenn politische Konkurrenten die Zustände in der Merkel-CDU anprangern, ist das nicht außergewöhnlich. Was aber, wenn vernichtende Kritik aus der CDU selbst kommt?
skauderSiegfried Kauder ist seit 40 Jahren CDU-Mitglied, seit 10 Jahren CDU-Bundestagsabgeordneter und seit vier Jahren Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags. Er ist ein strammer Konservativer, für den „gläsernen Verbrecher“ und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung, für eine Verfolgung von Filesharern. Doch nachdem ihn sein Kreisverband nicht mehr zur Bundestagswahl aufgestellt hat, er als unabhängiger Bewerber dennoch antritt und deshalb aus der CDU ausgeschlossen werden soll, spricht er Klartext über seine Partei (Quelle). Zitate:

  • „Ich möchte eine Politik machen, die wieder das zum Vorschein bringt, was die Bevölkerung will. Wir sind Volksvertreter. Wir haben die Interessen der Bevölkerung zu vertreten. Wir haben nicht abzunicken. Wir sind nicht der Büttel von Frau Merkel. Auch wenn sie eine gute Politik macht, sind wir aufgerufen, ihre Politik kritisch zu begleiten. Ein Parlament hält sich eine Regierung und nicht eine Regierung ein Parlament. Das haben viele Abgeordnete vergessen.“
  • “Wie kann so was passieren, dass ein Bundestag ein Wahlgesetz verabschiedet, bei dem am Ende vielleicht statt 622 Bundestagsabgeordnete 800 Abgeordnete im Deutschen Bundestag sitzen. Das zahlen wir alle. 800 Abgeordnete bedeutet einen personellen Mehraufwand, der 64 Mio. Euro im Jahr ausmacht, alleine die Personalkosten für Abgeordnete und ihre Mitarbeiter. Keiner spricht darüber, als ob wir es nicht gewesen wären. Das wird im Deutschen Bundestag verabschiedet, und keiner hat die Folgen abgeschätzt. Das ist halt so. Meine Damen und Herren, das darf nicht sein.“
  • Da hören die Amerikaner rechtswidrig und völkerrechtswidrig das deutsche Volk ab. Es gibt einen kurzen Aufschrei in der Presse. Da wäre das Parlament aufgerufen gewesen, etwas zu machen, sich darum zu kümmern. Völkerrechtswidriges Verhalten dürfen wir nicht zulassen. … Wieso holen wir nicht den Mann, der uns die notwendigen Informationen geben kann über das, was die Amerikaner getan haben, nach Deutschland? Wir können ihm kein Asyl gewähren, aber wir können ihn als Zeugen hier aufnehmen, können ihn in das Zeugenschutzprogramm aufnehmen, und erfahren dann endlich, was die Amerikaner illegal und völkerrechtswidrig gemacht haben, was sie an Daten gespeichert haben.“
  • Ein Parlament, das nur abnickt, ist nicht das, was die Bevölkerung will. Von 840 Gesetzgebungsvorhaben sind sage und schreibe 84 aus der Regierungskoalition gekommen, die anderen kommen alle aus der Regierung. Und die 84, die wir uns auf die Fahnen schreiben, waren Paralleleinbringungen, damit es schneller geht. Man hat also das eine Gesetz über den Bundesrat eingebracht, das gleichlautende Gesetz über die Fraktionen, ist nicht auf unserem Mist gewachsen. Das muss sich ändern. Wir brauchen eine personelle Ausstattung, die es dem Parlament ermöglicht, selbst Gesetze zu kreieren, aufzuarbeiten und die Regierung in dem notwendigen Maß zu kontrollieren.“
  • Die Machtfülle, das Herrschaftswissen der Regierung nimmt immer mehr zu. Die Bedeutung der Parlamente wird immer geringer.“
  • Immer mehr Gesetze werden vom Verfassungsgericht kassiert, weil sie nicht gut gemacht sind. Wir lassen uns jagen von der Regierung, obwohl es nicht sachgerecht ist, nicht geboten ist. Ich sage immer: Verlangsamen wir Gesetzgebung. Es ist noch kein Staat untergegangen, weil wir ein Gesetz erst 14 Tage später verabschiedet haben. Es ist immer wieder Flurschaden entstanden, wenn wir Gesetze verabschiedet haben, die manche nicht einmal gelesen haben.”
  • “Wenn 33 Änderungsanträge am Mittwoch vor der Rechtsausschusssitzung vorgelegt werden, kann die keiner gelesen haben. Da erwarte ich von einem Parlament, dass es sagt, das könnt ihr heute nicht beschließen, wir vertagen es auf den morgigen Tag oder auf den Nachmittag, laden uns den Staatssekretär, der soll es uns erklären, dann reden wir wieder mit. Wir nicken zuviel ab.
  • „Aber eins fällt auch auf: Ich hatte einen guten Wegbegleiter, den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, der die gleiche Meinung wie ich vertrat und sagte: ‘Macht langsam. Das Parlament mehr einbinden.’ Dieser Satz, den ich schon erwähnt habe, ‘Ein Parlament hält sich eine Regierung’, stammt von ihm. Aber es ist ruhig um ihn geworden, seltsamerweise. Man kann vermuten, warum das der Fall gewesen ist. Denn hin und wieder bekommt man als Parlamentarier, der sich wirklich äußert, den leisen Hinweis, dass man vielleicht darauf Rücksicht nehmen und darüber nachdenken sollte, dass man das Amt, das man ausübt, nicht von dem ganzen Bundestag, sondern auch von den Fraktionsmitgliedern zugeteilt bekommen hat. Das beeindruckt manchen schon. Und genau solche Abgeordnete dürfen wir nicht haben.“
  • „In dieser Partei hat doch niemand mehr Eier! Es ist ein Abnick-Verein geworden. Wenn ich in der Fraktion etwas sage, rührt sich niemand. Erst beim Rausgehen hauen sie mir auf die Schulter: ,Du hast schon Recht’.“ (Quelle)

Ich entnehme dieser Kritik, dass

  • die schwarz-gelbe Bundestagsmehrheit Regierungsvorlagen abnickt, ohne sie auch nur gelesen zu haben,
  • deswegen verfassungswidrige Gesetz verabschiedet werden,
  • die Abgeordneten von Union und FDP keine eigenen Gesetzentwürfe oder Anträge mehr ausarbeiten,
  • fast alle Abgeordnete zu diesen Zuständen schweigen und den wenigen Kritikern mit Nichtwiederwahl gedroht wird.

Warum machen diese Aussagen eines Top-CDU-Mannes eigentlich keine Schlagzeilen? Hier das Video.
Ob es bei SPD und den Grünen anders aussieht, bezweifele ich. Neulich legte Hans-Christian Ströbele, Bundestagsabgeordneter der Grünen, offen, wie seine Partei 2001 die Zustimmung kritischer Abgeordneter zum ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr (im Kosovo) erzwang:

Ich habe dann selber erlebt, als wir aus diesen nächtlichen, internen Diskussionen, die ja ans Mark gingen, heraus gingen und dann nach Hause fuhren, wie dann Kollegen auch nachts noch angerufen wurden von hervorgehobenen Repräsentanten aus Partei und Regierung: ‘Du musst springen!’ Da hat sich was eingeschlichen, was bei den betroffenen Abgeordneten sehr häufig auch zu ungeheuren Probleme, ich sage mal Leiden, bis hin zu Krankheiten führt. Weil wenn man durch permanenten Druck dazu gebracht wird, durch existenziellen Druck, indem man sogar dem Abgeordneten vorhält, „Wenn du nicht so abstimmst, dann wirst du bei der nächsten Wahl – dafür werden wir sorgen – keinen sicheren Listenplatz bekommen wie bisher“, dann setzt das jemanden ungeheuer unter Druck. Für viele Abgeordnete wird die Abgeordnetentätigkeit immer mehr zum Beruf, das heißt zu einer existenziellen Frage.

Keine Frage: Wir brauchen eine Reform unserer Demokratie in Deutschland. Deshalb: Piraten wählen!

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