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Energiewende ohne Bürgerbeteiligung? Windfarmen werden oft ohne Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt

Anfragen Landtag Wirtschaft und Verkehr

Aus einer hier erstmals veröffentlichten Stellungnahme der Landesregierung geht hervor, dass Windparks in Schleswig-Holstein immer wieder ohne Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt werden. Meine Kritik an dieser Praxis:

Ich befürchte, dass unter Federführung von Umweltminister Habeck die Öffentlichkeitsbeteiligung vielfach umgangen wird, um sich mit Einwänden der betroffenen Bürger nicht auseinander setzen zu müssen. Dies gefährdet die öffentliche Akzeptanz der Energiewende. Mit der Brechstange kann die Energiewende nicht gelingen. Umweltminister Habeck lässt die gesetzlichen Spielräume zugunsten einer verstärkten Bürgerbeteiligung ungenutzt. Die Bürgerbeteiligung an Gebietsausweisungen reicht nicht. Gerade wenn Standort, Höhe und Anzahl der Windanlagen feststehen, wollen die betroffenen Bürger mitreden. Allgemein habe ich bei den Grünen manchmal den Eindruck, dass sie bei der Energiewende ideologisch um jeden Preis und ohne Rücksicht auf die Betroffenen ihre Planzahlen erfüllen wollen.

Zum Hintergrund: Die Entwicklung der Windenergie ist zentrales Element der Energiewende und wird auch in Schleswig-Holstein mit Vehemenz (und Unterstützung der PIRATEN) vorangetrieben. Der Bau von Windfarmen (eine Windfarm besteht aus mehreren Windkraftanlagen) unterliegt der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung samt Öffentlichkeitsbeteiligung (“UVP-Pflicht”) – ab 20 Anlagen immer, ab 6 Anlagen dann, wenn die Farm “erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann”. Diese Möglichkeit erkennt die in Schleswig-Holstein zuständige Behörde (LLUR) vielfach nicht an und beteiligt die Öffentlichkeit nicht am Genehmigungsverfahren.
Ohne Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt wurden etwa 10 Windanlagen à 150 Meter im Dithmarscher Osterrade, 12 Windanlagen weitgehend à 150 Meter im nordfriesischen Süderlügum oder 6 sehr hohe Windanlagen à 178,5 Meter im lauenburgischen Wangelau. Es gibt viele weitere Fälle (Bürgerwindpark Hemme, Windfarm “Weidehof’, Neuenkrug, Bürgerwindpark Eider, Wangelau, Ipland, Zweite Bürgerwindpark Behrendorf, Windpark Bohmstedt, Bürgerwindpark Langenhorn II, Pellwormer Energieerzeugungsgesellschaft, Windpark Reußenköge VI, Windpark Kohldammer Koog, Bürgenwindpark Holzacker-Knorburg, Windpark Süderlügum, Bürgerwindpark Galmsbütl GmbH Windpark Norderhof II, Bürgerwindpark Emmelsbüll-Horsbüll, Windpark Neuratjensdorf-Rossee-Repowering, Windpark Österrade, WP Holtseer-Altenhof, Windpark Kropp-Tetenhusen, Bürgerwindpark Wanderup).
Der Umfang der Klagemöglichkeiten der Umweltverbände ebenso wie der sonstigen betroffenen Öffentlichkeit hängt entscheidend davon ab, ob für den jeweiligen Windpark von den zuständigen Behörde eine UVP-Pflicht bejaht wird. Nur wenn die UVP-Pflicht bejaht wird, besteht die Pflicht, die Öffentlichkeit am Genehmigungsverfahren zu beteiligen.
Umweltminister Habeck verteidigt sich gegenüber der dpa mit dem Argument, neben der Umweltverträglichkeitsprüfung gebe es “Genehmigungsverfahren nach dem Immissionsschutzgesetz, an denen die Öffentlichkeit beteiligt wird.” Diese Darstellung ist allerdings eine Täuschung der Öffentlichkeit. Erfolgt nämlich keine Umweltverträglichkeitsprüfung, dann wird auch an dem Genehmigungsverfahren nach dem Immissionsschutzgesetz die Öffentlichkeit nicht beteiligt und im sogenannten “vereinfachten Verfahren” entschieden.
Als Pirat ist für mich klar, dass in Genehmigungsverfahren Einwände der Bürger gehört, ernst genommen und erwogen werden müssen, das geht nur mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Wer diese nach Möglichkeit vermeidet, gefährdet die öffentliche Akzeptanz der Energiewende und damit ihr Gelingen insgesamt.
Die Umweltorganisation BUND fordert ebenfalls, dass die Spielräume zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung stärker genutzt werden müssen.

Kommentare

3 Kommentare
  • Anonymus

    Endlich spricht es mal jemand aus: Bei der Umsetzung der Energiewende werden die Bürger bewusst getäuscht. Gefälligkeitsgutachten, Umgehen der Öffentlichkeit usw….und hinterher will keiner mehr verantwortlich sein. Natürlich brauchen wir erneuerbare Energien, aber auch die verursachen Schäden an Natur, Gesundheit und Besitz der Anwohner. Wie wäre es mit Entschädigungszahlungen?

  • Horst Leithoff

    Ich war und bin massgeblich an der Planung des Bürgerwindparks Süderlügum beteiligt. Eine Gruppe von Landwirten hatte die Idee und ein geeignetes Gebiet nahe der dänischen Grenze. Diese Anlagen wurden als Bürgerprojekt umgesetzt und gehört zu 100% einer recht grossen Anzahl Bürgern der Region, die sich beteiligen wollten.
    Im Vorfeld wurde zunächst der Gemeinderat um seine Stellungnahme gebeten. Erst als dieser positiv ausfiel, wurde zu einer Informationsveranstaltung per Postwurfsendung eingeladen. Anschliessend hat die Gemeinde zu einer Bürgerversammlung einberufen. Auch hier wieder ein positives Votum. Erst dann wurde die Gründung einer Kommanditgesellschaft beschlossen, an der sich jeder erwachsene Einwohner, Landbesitzer oder ortsansässiger Gewerbetreibender zu gleichen Teilen beteiligen konnte. Nach langer Vorbereitungszeit und zahllosen Gesellschafterversammlungen, zu denen auch Gäste zugelassen wurden, wurde die BImSchG-Genehmigung angestrebt.
    Im sogenannten vereinfachten Verfahren werden zahlreiche TÖP’s gehört und die erteilte Baugenehmigung dann veröffentlicht. Die Baugenehmigung erreicht erst dann volle Rechtskraft, wenn innerhalb eines Jahres keine wesentlichen Einsprüche gegen die Baugenehmigung eingehen.
    Das wichtigste ist jedoch die Öffentlichkeitsphase, bevor das Projekt überhaupt beschlossen wird. Hier wird miteinander abgestimmt, ob überhaupt Windkraftanlagen geplant werden sollten, was im anvisierten Gebiet technisch möglich ist, welche Abstände konkret eingehalten werden sollen, welche Nabenhöhen realisiert werden dürfen. Damit finde ich jedenfalls, dass ein recht hohes Mass an Bürgerbeteiligung in Süderlügum umgesetzt wurde. Es mag andere Beispiele geben, wo das anders umgesetzt wird. Wir hier oben im nördlichsten Nordfriesland jedenfalls treten sehr offen für faire Bürgerbeteiligung, Transparenz und Offenheit ein.

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