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EU-Bericht über die Rechtsstaatlichkeit: Vorratsdatenspeicherung fehlt

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Heute veröffentlichte die Kommission der Europäischen Union den jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit. Nach Ansicht des Europaabgeordneten und Bürgerrechtlers Patrick Breyer (Piratenpartei, Fraktion Grüne/EFA im EU-Parlament) hat die Europäische Union ein ernstes Problem mit Rechtsstaatlichkeit, weil mit der Vorratsspeicherung der Standort- und Kommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung Urteile des EU-Gerichtshofs vorsätzlich und immer wieder missachtet werden.

Im Mai 2022 hat das höchste Gericht der EU frühere Grundsatzurteile bekräftigt. Demzufolge ist die anlasslose Speicherung von Telefon- und Internetdaten der Bürgerinnen und Bürger nur in begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Für den Regelfall hat der Gerichtshof eine verdachtslose Vorratsspeicherung von Kommunikationsdaten der Bürgerinnen und Bürger für unzulässig erklärt. Dr. Patrick Breyer erklärt:

“Regierungen wenden alle möglichen Tricks an, um illegale Massenüberwachung aufrechtzuerhalten. Dabei missachten sie die Urteile des höchsten Gerichts. Die Rechtsstaatlichkeit in der EU und die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger leiden unter der Überwachungsgier der Regierungen und Strafverfolgungsbehörden. Die EU-Kommission schaut tatenlos zu. Die anhaltende Verletzung von Grundrechten, Aushebelung der Rechtsprechung, Druck auf die Richterinnen und Richter und die Ignoranz gegenüber Fakten ist ein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit, den wir stoppen müssen. Die EU-Kommission muss nun endlich ihre Aufgabe erfüllen und damit beginnen, die Grundsatzurteile durchzusetzen, anstatt insgeheim die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung voranzutreiben.”

Nachdem der EU-Gerichtshof 2014 die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt hatte, weil sie das Grundrecht auf Privatsphäre verletzte, haben die Regierungen der Mitgliedstaaten unterschiedlich reagiert. Einige Länder schafften die allgemeine Vorratsdatenspeicherung ab, andere (wie Estland, Portugal und Irland) verabschiedeten erneut rechtswidrige Gesetze, die dann wieder vor Gerichten scheiterten. In Deutschland wird die Vorratsdatenspeicherung bis zum anstehenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht angewandt.

EU-Kommission in der Verantwortung

Die EU-Kommission ignorierte eine Resolution des EU-Parlaments aus dem Jahr 2020, die Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedsstaaten mit illegalen Gesetzen zur Vorratsdatenspeicherung forderte. Stattdessen arbeitet die EU-Kommission an neuen Plänen zur Vorratsdatenspeicherung und schlug den Regierungen 2021 Optionen zur de facto Wiedereinführung der Massenüberwachung vor, die nur auf dem Papier den Anforderungen der Gerichte zu entsprechen scheinen.

Die neue Generation Massenüberwachung

Allein in diesem Jahr wurden zwei neue Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet, die nicht der Rechtsprechung des EU-Gerichtshofs entsprechen. Dänemark und Belgien haben die Vorschläge der EU-Kommission aufgegriffen und in diesem Jahr Gesetze zur faktischen Beibehaltung der pauschalen Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. Patrick Breyer erklärt:

“Die Missachtung grundlegender Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit ist nicht nur in Ungarn und Polen zu verzeichnen. Obwohl sich die Diskussion über die Rechtsstaatlichkeit meist auf diese beiden Mitgliedstaaten konzentriert, zeigt schon die Frage der Vorratsdatenspeicherung, dass sie die allermeisten Mitgliedstaaten betrifft.”