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Europäisches Parlament lehnt Plan ab, Fingerabdrücke aller Abgeordneten für ein “biometrisches Anwesenheitsregister” zu erfassen

Europaparlament Pressemitteilungen

Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments haben sich gestern mit großer Mehrheit gegen die Pläne des Parlaments ausgesprochen, ihre Anwesenheit in Sitzungen per Fingerabdruckscanner zu erfassen. Mit 420:202:15 Stimmen forderten sie das Präsidium auf, “eine alternative Lösung zu entwickeln, die ohne die Verarbeitung biometrischer Daten auskommt”. Ein elektronisches Anwesenheitsregister könnte sich beispielsweise auf die Ausweise der Abgeordneten oder ihre Mobiltelefone stützen und mit stichprobenartigen und regelmäßigen Kontrollen durch Menschen einhergehen. Die Anwesenheitserfassung ist Grundlage für die Auszahlung eines Tagesgelds. Bisher erfolgt sie per Unterschrift, künftig soll eine elektronische Erfassung erfolgen.

In der Vergangenheit gab es scharfe Kritik an den Plänen des Präsidiums des Europäischen Parlaments zur Verwendung biometrischer Daten. Aufgrund von Beschwerden hat der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pläne geäußert.  In einer Reihe von Empfehlungen, die im März 2021 veröffentlicht wurden, forderte der EDSB die Parlamentsführung auf, zu begründen, warum sie das Missbrauchsrisiko bei einem auf Abgeordnetenausweisen basierenden System für “mehr als eine Randerscheinung” hält und ob Betrug jemals aufgetreten ist, als ein entsprechendes System getestet wurde. Der Abgeordnete und Bürgerrechtler Dr. Patrick Breyer von der Piratenpartei:

“Ich freue mich, dass sich die Abgeordneten des Europäischen Parlaments so deutlich gegen diese unnötige und wahrscheinlich rechtswidrige Erfassung biometrischer Fingerabdrücke ausgesprochen haben. Wir dürfen nicht zulassen, dass die massenhafte Verarbeitung biometrischer Daten zur neuen Normalität wird.”

Hintergrund: Die Artikel-29-Datenschutzgruppe erklärte, dass die Verwendung biometrischer Daten in der Regel nicht als berechtigtes Interesse für die Sicherung des Zugangs zu Gebäuden angesehen werden kann. Laut dem Europäischen Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiórowsk “hat der EDSB die Verwendung biometrischer Systeme zur Überwachung der Arbeitszeiten und des Urlaubs von Mitarbeitern als nicht verhältnismäßig angesehen. Wir waren der Ansicht, dass die Verarbeitung biometrischer Daten im Hinblick auf den Zweck nicht erforderlich ist, da dieser Zweck auch mit weniger eingreifenden Mitteln erreicht werden könnte, z. B. durch Unterschrift, Anwesenheitslisten oder Stempelsysteme mit Magnetkarten.”

Breyer verweist auch auf eine Veröffentlichung des EDSB über “14 Missverständnisse in Bezug auf die biometrische Identifizierung und Authentifizierung” hin.