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G7-Gipfel in Lübeck: Polizeieinsatz darf laut Innenminister fotografiert werden

Freiheit, Demokratie und Transparenz Juristisches

Im Streit um die Zulassung einer unabhängigen Beobachtung der Demonstrationen gegen den G7-Außenministergipfel räumt Schleswig-Holsteins Innenminister nun ein, dass die fotografische und filmische Dokumentation des Polizeieinsatzes unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Die eingesetzten Beamte seien darüber informiert worden.

Am 27.3. fragte ich den Minister, ob nach § 23 I Nr. 3 KUG die Abbildung von Polizeibeamten im Rahmen einer Demonstration zulässig ist, solange nicht gezielte Fotoaufnahmen einzelner Beamter erfolgen, und ob nach § 23 I Nr. 1 KUG die gezielte Aufnahme einzelner Polizeibeamte zulässig ist, wenn sie der Dokumentation außergewöhnlicher Ereignisse von öffentlichem Interesse dient, etwa “wenn ein Polizist bei seinem Einsatz eine Straftat begeht” (so Dr. Dr. Dr. Pausch).
In seinem Antwortschreiben (pdf) bestätigt der Innenminister nun: “Aufnahmen im Rahmen des § 23 KunsturhG sind nicht rechtswidrig.” Dies gelte nicht nur für Überblicksaufnahmen.
Ich fragte außerdem, ob bei rechtswidrigen Aufnahmen eine Beschlagnahme nur dann gerechtfertigt ist, “wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Lichtbilder entgegen den Vorschriften des KunstUrhG unter Missachtung des Rechts der Polizeibeamten und/oder Dritter am eigenen Bild auch veröffentlicht werden” (so das Bundesverwaltungsgericht, Az. 6 C 7/98).
Der Minister: “Daraus ist per se auch keine unmittelbare, von weiteren, zusätzlichen Voraussetzungen als das Filmen unabhängige reaktive polizeiliche Kompetenz zur Untersagung oder Beschlagnahme der Filmaufnahmen ableitbar.” Selbstverständlich werde sich das polizeiliche Handeln nach den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.03.2012 (BVerwG 6 C 12.11) und des OVG Lüneburg vom 19.06.2013 (11 LA 1/13) richten. Nur unter den dort beschriebenen Voraussetzungen werde gegen Aufnahmen eingeschritten. Dies sei in den Einsatzbefehlen festgehalten und auch in einer “großen Abschlussbesprechung am 09.04.15 gegenüber den Abschnittsführern der eigenen und unterstellten Fremdkräfte vom Polizeiführer besonders thematisiert worden”.
Es freut mich, dass der Minister damit seine frühere falsche Auskunft einkassiert hat, das “Fotografieren von Polizeibeamten im Einsatz” unterliege “keiner Duldungspflicht”. Es heißt jetzt nur noch, es bestehe keine Mitwirkungspflicht der Polizei, “sich für Fotografien aktiv zur Verfügung zu stellen”, was sicherlich richtig ist.
Auch wenn unser Antrag zur Unterstützung einer unabhängigen Demobeobachtung im Landtag abgelehnt worden ist, konnten wir immerhin eine Information der Polizeibeamten über das Recht auf Demonstrationsbeobachtung erreichen. Den genauen Wortlaut des Einsatzbefehls habe ich angefordert.
Allen Personen, die Polizeibeamte im Einsatz fotografieren oder filmen wollen, rate ich:

  1. Behindert keine Polizeimaßnahmen.
  2. Fotografiert/filmt nur im Überblick. Macht Nahaufnahmen von Personen nur bei außergewöhnlichen Ereignissen von öffentlichem Interesse wie z.B. erheblichen Rechtsverletzungen.
  3. Veröffentlicht Aufnahmen von PolizeibeamtInnen lediglich in einer Form, in der die BeamtInnen nicht identifizierbar sind (Verpixelung/Balken). Gebt unverpixelte Beweisaufnahmen nur an Opfer von Rechtsverletzungen bzw. deren Rechtsbeistand oder Ermittlungsbehörden weiter.

ttip-demokratie-handelswareLandtagsabgeordnete und Mitglieder der Piratenpartei werden das Demonstrationsgeschehen und den Polizeieinsatz in Lübeck diese Woche beobachten, um auf den Schutz der Grundrechte der Beteiligten zu achten. Wir unterstützen auch die Humanistische Union bei ihrer Demonstrationsbeobachtung. Bitte informiert uns von Problemen, damit wir helfen können.
Nach Angaben der Landesregierung [1, 2, 3] sind Bürgerrechtseingriffe wie Gefahrengebiete, Kfz-Kennzeichenscanning, Videoüberwachung, Gefährderansprachen oder Bundeswehreinsätze nicht geplant. Wenn ihr anderes hört, meldet euch bitte.
Laut Landesregierung sind Polizeibeamte “grundsätzlich” verpflichtet, sich auf Nachfrage mit Namen, Amtsbezeichnung und Dienststelle zu identifizieren. “Lassen Zeit und Umstände die unverzügliche Angabe des Namens, der Amtsbezeichnung sowie Dienststelle nicht zu, so ist dem Ersuchen in geeigneter Weise nachzukommen.”
Die Landesregierung sichert zu, dass Rechtsanwälte Zutritt zur Gefangenensammelstelle erhalten. Ferner wurde uns versichert, dass etwa eingesetzte Beamte in Zivil sich an das Neutralitätsgebot halten und keinen Einfluss auf die Versammlungen nehmen würden. Die Teilnahme an Protestkundgebungen/Demonstrationen sei für den Verfassungsschutz kein Kriterium für das Speichern personenbezogener Daten. Auch hier: Wenn ihr anderes hört, meldet euch bitte.
Abschließend fordere ich anlässlich des Fundes von Pflastersteinen alle Demonstranten auf, keine Gewalt gegen Personen oder Sachen anzuwenden! Gewalt diskreditiert die politische Kritik gegen den Gipfel und führt zur Ablehnung, spaltet die Kritiker, lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit von der inhaltlichen Kritik ab und legitimiert polizeiliche Gegenmaßnahmen. Sie ist inakzeptabel, sinnlos und schädlich.

Anhang: Meine Anfrage an den Innenminister im Wortlaut

im Innen- und Rechtsausschuss ist geäußert worden, die Dokumentation von Polizeieinsätzen sei nur mit Überblicksaufnahmen gestattet. Dazu habe ich folgende Nachfragen:
1. Teilen Sie die Auffassung, dass nach § 23 I Nr. 3 KUG die Abbildung von Polizeibeamten im Rahmen einer Demonstration zulässig ist, solange nicht gezielte Fotoaufnahmen einzelner Beamter erfolgen? (so Dr. Dr. Dr. Pausch in
http://www.dpolg-hessen.de/dpolg-info/20-dpolg-info/421-di-nr-24-2008.html )
2. Teilen Sie die Auffassung, dass nach § 23 I Nr.1 KUG die gezielte Aufnahme einzelner Polizeibeamte zulässig ist, wenn sie der Dokumentation außergewöhnlicher Ereignisse von öffentlichem Interesse dient, etwa “wenn ein Polizist bei seinem Einsatz eine Straftat begeht”? (so Dr. Dr. Dr. Pausch in
http://www.dpolg-hessen.de/dpolg-info/20-dpolg-info/421-di-nr-24-2008.html )
3. Teilen Sie die Auffassung, dass auch bei rechtswidrigen Aufnahmen eine Beschlagnahme nur dann gerechtfertigt ist, “wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Lichtbilder entgegen den Vorschriften des KunstUrhG unter Missachtung des Rechts der Polizeibeamten und/oder Dritter am eigenen Bild auch veröffentlicht werden”? (so das Bundesverwaltungsgericht, Az. 6 C 7/98)
4. Teilen Sie die Auffassung, dass Demonstrationsbeobachtern nicht ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellt werden darf, dass sie eine Veröffentlichung beabsichtigen? (so das VG Meiningen, Az. 2 K 373/11)
5. Wenn Beobachter von Versammlungen

  • Polizeimaßnahmen nicht behindern
  • mit Nahaufnahmen nur außergewöhnliche Ereignisse von öffentlichem Interesse wie z.B. erhebliche Rechtsverletzungen aufnehmen
  • Aufnahmen von PolizeibeamtInnen lediglich in einer Form veröffentlichen, in der die BeamtInnen nicht identifizierbar sind und
  • unverpixelte Beweisaufnahmen nur an Opfer von Rechtsverletzungen bzw. deren Rechtsbeistand oder Ermittlungsbehörden weitergeben,

haben sie ein Recht auf unbehelligte Dokumentation des Geschehens?
6. Wird die genannte Rechtslage an die eingesetzten Beamte kommuniziert und, wenn ja, wie genau?
7. Laut Innen- und Rechtsausschusssitzung sei den Polizeibeamten mitgeteilt worden, dass sie Aufnahmen nicht zu dulden hätten. Wie lautet dieses Schreiben im Wortlaut?

Die Antwort im Wortlaut
Siehe auch:

Ergänzung vom 14.04.2015:
Die Landespolizei hat in ihr intrapol-Netz eine Information „Smartphones sind überall – haben Polizeibeamte ein Recht am eigenen Bild? Zur Zeit wohl eher nicht“ eingestellt, die ich mit ihrer freundlichen Genehmigung veröffentlichen darf. Die von der Polizei selbst erstellte Information erläutert, wann Fotos und Videos von Polizeieinsätzen zulässig sind, und schützt damit vor unzulässigen Beschlagnahmen solcher Aufnahmen. Ein Zitat:

Werden Polizeibeamte in Übersichtsaufnahmen abgebildet oder sind die Polizeibeamten sonst lediglich eine Randerscheinung des Gesamtgeschehens, dürfte das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht tangiert sein. Überwiegt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit oder das Dokumentationsinteresse des Einzelnen, weil sich das Verhalten des Polizeibeamten aus dem allgemeinen Geschehen heraushebt, z.B. bei überzogenem oder rechtswidrigem Verhalten des Polizeibeamten, tritt das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurück.

Die Informationsschrift im Wortlaut

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