Change language: Deutsch
Teilen:

Geplante Diäten- und Fraktionsmittelerhöhung: Nur bei anderen sparen ist ungerecht und unsozial

Landtag

In der Zeitung ist heute zu lesen, dass die Diäten der schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten, die sich schon heute auf monatlich ca. 9.000 Euro brutto einschließlich Altersversorgung belaufen, weiter ansteigen sollen. Mehrkosten dadurch für das Land: ca. 150.000 Euro jährlich. Auch die Fraktionsmittel sollen wieder um über 100.000 Euro angehoben werden. Dazu ist folgendes klarzustellen:

  • Gleich nach der Landtagswahl haben CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW einmütig eine automatische jährliche Erhöhung der Abgeordnetendiäten beschlossen, dagegen gestimmt haben nur wir PIRATEN.
  • Gleich nach der Wahl wurde auch eine unglaubliche Erhöhung der Fraktionsmittelsätze um 33% beschlossen. Wir PIRATEN haben als einzige Fraktion eine Absenkung beantragt und gegen die Erhöhung gestimmt. Siehe Pressemitteilung: “PIRATEN und Landesrechnungshof kämpfen vergeblich gegen Erhöhung der Politikfinanzierung
  • Soweit laut Zeitungsbericht eine Verabredung existieren soll, nach der die Fraktionsmittel um jährlich zwei Prozent steigen sollen, haben wir PIRATEN dem nicht zugestimmt, so dass von einer Verabredung der Fraktionen keine Rede sein kann. Die Piratenfraktion wird sich am nächsten Dienstag (Livestream verfügbar) mit den Plänen beschäftigen.
  • Als einzige Fraktion im Landtag verzichten wir PIRATEN auf einen Dienstwagen mit “Chefwagenfahrer”, jährliche Ersparnis ca. 50.000 Euro.

Meine Meinung: Ungerecht und unsozial

Meiner personlichen Meinung nach gehen weitere Erhöhungen der Abgeordnetendiäten und Fraktionsmittel gar nicht, weil dies vor dem Hintergrund der weit überproportionalen Erhöhungen in der Vergangenheit, der hohen Zinslast des Landes, der Leistungskürzungen für die Bürger, des einschneidenden Personalabbaus in der Landesverwaltung (10% der Stellen werden gestrichen) und des unterfinanzierten Bildungssystems nicht zu rechtfertigen ist. In Zeiten steigender Landesschulden und den Bürgern zugemuteter Mittelkürzungen muss auch die Politik ihren Einsparbeitrag leisten, um die Belastungen sozial gerecht zu verteilen.

Hintergrund zu Fraktionsmitteln

Explodierende Fraktionsmittel: Die im Landtag vertretenen Fraktionen entscheiden in eigener Sache über die Höhe der Steuergelder, die ihnen zur Verfügung stehen. Dadurch sind die Fraktionsmittel heute preisbereinigt bereits 25mal so hoch wie noch 1965. Weitere Erhöhungen lassen sich nicht mit der Entgeltentwicklung (Tarifabschlüsse) rechtfertigen, weil die Fraktionsmittelerhöhungen der letzten Jahrzehnte die Entgeltentwicklung der nächsten 150 Jahre bereits vorweggenommen haben. Seit 1965 sind die Fraktionsmittel fast fünfmal so stark erhöht worden wie das Durchschnittsentgelt sozialversicherungspflichtig Beschäftigter angestiegen ist.
Fraktionsmittel-SH.png
50 Jahre lang, nämlich bis 2009, haben die Fraktionen (preisbereinigt) mit weniger Mitteln gearbeitet als sie heute erhalten. Ebenso lang beklagen sie jedoch eine angeblich eingeschränkte Arbeitsfähigkeit und erhöhen ihre Mittel, so dass die Fraktionsmittel heute im Vergleich zu 1965 preisbereinigt schon auf das 25fache angestiegen sind. Die Vergangenheit beweist, dass die Landtagsfraktionen mit erheblich geringeren Mitteln arbeiten können als sie ihnen heute zur Verfügung stehen.
Hohe Rücklagen: Tatsächlich sind die Fraktionsmittel so hoch, dass die Fraktionen hohe Sparguthaben angesammelt haben. Betrugen die Rücklagen 1996 noch knapp 400.000 Euro, beliefen sie sich Ende 2012 schon auf fast 1,1 Mio. Euro. Dies entspricht über 20% der jährlich bezogenen Fraktionsmittel. Während die Fraktionen Zinsen auf ihre Guthaben beziehen, muss das Land hohe Schuldzinsen zahlen.
Der Landesrechnungshof fordert vor diesem Hintergrund eine Kürzung der Fraktionsmittel um 20%. Die Fraktionen können nicht unter Verweis auf die Schuldenbremse für die Bürger und die Landesverwaltung Wasser predigen und sich selbst Wein einschenken.
Jüngste Erhöhungen: Der Landtag wuchs infolge eines verfassungswidrigen Wahlrechts im Jahr 2009 von 69 auf 95 Abgeordnete an. Wegen der gestiegenen Abgeordnetenzahl wurden die Fraktionsmittel 2009 von 4,2 Mio. auf 5,4 Mio. Euro erhöht, obwohl die Aufgaben des Landtags nicht zunahmen. 2012 wurden auf der Grundlage eines verfassungsgemäßen Wahlrechts wieder 69 Abgeordnete in den Landtag gewählt. Nun wurden die Fraktionsmittel jedoch nicht wieder auf das vorherige Maß von 4,2 Mio. Euro abgesenkt, sondern mit 5 Mio. Euro im Wesentlichen beibehalten. Als Argument wurde angeführt, die Aufgaben des Landtags seien gleich geblieben (nach diesem Maßstab hätte es die Erhöhung auf über 5 Mio. Euro nie geben dürfen).
Die Erhöhung der Fraktionsmittelsätze um 33% pro Abgeordnetem stieß 2012 auf massive Kritik des Landesrechnungshofs, der Öffentlichkeit und der Piraten. Wir haben vergeblich beantragt, die Fraktionsmittel wieder auf 4 Mio. Euro festzusetzen. Gegen unsere Stimmen und unseren entschiedenen Protest wurden die Fraktionsmittel gleichwohl auf 5 Mio. Euro festgesetzt. Man beschwichtigte die Öffentlichkeit mit dem Versprechen, dieser Betrag solle für die gesamte Legislaturperiode eingefroren werden.
Die Piratenfraktion hat sodann einen Haushaltsplan aufgestellt, der mit gleichbleibenden Fraktionsmitteln kalkuliert und Personalkostensteigerungen für die gesamte Legislaturperiode berücksichtigt. Die Fraktion erhält monatlich etwa 50.000 Euro an Fraktionsmitteln und verfügt zurzeit über Rücklagen in sechsstelliger Höhe.
Neue Erhöhungspläne: Heute wurde bekannt, dass die etablierten Fraktionen die Fraktionsmittel für 2015 entgegen ihrer Versprechungen erneut erhöhen wollen. Zur Begründung werden die von vornherein abzusehenden Tarifsteigerungen genannt.
Erdrückende Zinslast: Die Erhöhung soll trotz der erdrückend hohen Zinslast des Landes erfolgen, die sich inzwischen auf rund 1 Mrd. Euro jährlich beläuft. Von den Steuereinnahmen in Höhe von 6,2 Mrd. Euro jährlich (2011) verbleiben daher Jahr für Jahr von vornherein nur 5,2 Mrd. Euro übrig. Weil das Land seine laufenden Ausgaben nicht aus eigener Kraft decken kann, kommen ständig neue Schulden und Schuldzinsen hinzu. 2020 wird sich die Zinslast auf 1,4 Mrd. Euro jährlich belaufen. Sobald die niedrigen Zinsen wieder ansteigen, wird dieser Betrag weiter zunehmen. Gleichzeitig lassen die Pensionslasten des Landes stark steigende Ausgaben erwarten.
Schleswig-Holstein ist pro Einwohner das am dritthöchsten verschuldete Flächenland in Deutschland. Vor diesem Hintergrund musste das Land Leistungen für die Bürger und für öffentliche Einrichtungen streichen. Beispielsweise wurden die Mittel für die Verbraucherberatung ebenso empfindlich gestrichen wie das Landesblindengeld gekürzt. Dieses Jahr ist zur Haushaltskonsolidierung die Grunderwerbssteuer auf einen Rekordwert erhöht worden.
Anstehende Stellenstreichungen: Bis 2020 will das Land zum Abbau der Neuverschuldung 5.300 Stellen streichen. Jede zehnte Stelle der Landesverwaltung, beispielsweise in den Bereichen Polizei, Steuer und Justiz, wird dadurch wegfallen. Entsprechend wird eine Arbeitsverdichtung für die verbleibenden Mitarbeiter eintreten.
Ergebnis: Vor dem Hintergrund der weit überproportionalen Fraktionsmittelerhöhungen in der Vergangenheit, der erdrückend hohen Zinslast des Landes, der Leistungskürzungen für die Bürger, des einschneidenden Personalabbaus in der Landesverwaltung und des unterfinanzierten Bildungssystems sind Erhöhungen ausgerechnet bei den Fraktionsmitteln nicht zu rechtfertigen. In Zeiten steigender Landesschulden und den Bürgern zugemuteter Mittelkürzungen muss auch die Politik ihren Einsparbeitrag leisten. Entsprechend unserem Wahlprogramm ist die Höhe der Geld- und Sachzuwendungen an Fraktionen im Fraktionsgesetz festzuschreiben. Außerdem ist der Praxis ein Ende zu setzen, dass überfinanzierte Fraktionen aus Steuermitteln hohe Guthaben anhäufen, während sich das Land immer tiefer verschuldet.

Auszug aus unserem Programm zur Landtagswahl

Fraktionsfinanzierung begrenzen
In Anbetracht immer mächtiger werdender Regierungen wollen wir die Rolle der Bürger und ihrer Vertreter im Landtag bei der Gesetzgebung und der Kontrolle der Landesregierung stärken. Dies bedingt eine ausreichende Finanzierung der Parlamentsarbeit. Eine Selbstbedienung der Fraktionen durch ständige, intransparente Mittelerhöhungen lehnen wir demgegenüber ab. In Zeiten steigender Landesschulden und den Bürgern zugemuteter Mittelkürzungen muss auch die Politik ihren Einsparbeitrag leisten.
Entsprechend der Vorschläge des Bundes der Steuerzahler wollen wir die Höhe der Geld- und Sachzuwendungen an Fraktionen im Fraktionsgesetz festschreiben. Die Geldzuwendungen sind in Form eines festen Grundbetrags pro Fraktion und eines degressiv bemessenen Mehrbetrags pro Fraktionsmitglied festzulegen. Um eine öffentliche Kontrolle zu ermöglichen, wollen wir die Fraktionen zudem verpflichten, am Ende jedes Jahres eine differenzierte Aufstellung ihrer einzelnen Einnahme-, Ausgaben-, Vermögens- und Schuldpositionen zu veröffentlichen.
Wir wollen der Praxis ein Ende setzen, dass überfinanzierte Fraktionen aus Steuermitteln hohe Guthaben anhäufen, während sich das Land immer tiefer verschuldet. Nicht mehr als 10 Prozent der in einem Jahr gewährten Fraktionsmittel sollen in das Folgejahr übertragen oder zurückgelegt werden dürfen. Solche Rücklagen sind bis zur Inanspruchnahme unverzinslich bei der Landeskasse zu hinterlegen. Die missbrauchsanfälligen Fraktionsausgaben für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen wollen wir auf 10 Prozent der zugewiesenen Fraktionsmittel begrenzen. Weil die Arbeit der Fraktionen voll von den Bürgern finanziert wird, wollen wir Zuwendungen von Fraktionen an Dritte und von Dritten an Fraktionen verbieten. Die verfassungswidrigen Zulagen an die parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer, die das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Abgeordneten verboten hat, wollen wir abschaffen.
Hinweis: Ein Antrag auf generelle Ablehnung weiterer Fraktionsmittelerhöhungen hat auf dem Landesparteitag keine Mehrheit gefunden.

Hintergrund zu Abgeordnetendiäten

Verfassungswidrige Diätenautomatik: Während Ministerpräsident und Minister einen Beitrag zum erforderlichen Ausgleich des Landeshaushalts geleistet haben, indem sie ihre Gehälter 2012 um 6-12% abgesenkt haben (Albig: “Man kann nicht von seinen Mitarbeitern in den nächsten Jahren viel verlangen und selber gar nichts beitragen”), haben sich die Abgeordneten der etablierten Fraktionen im gleichen Jahr ihre Diäten um 2% erhöht und außerdem eine automatische jährliche Diätenerhöhung entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung beschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Koppelung der Abgeordnetendiäten an die Einkommensentwicklung der Beamtinnen und Beamten bereits für verfassungswidrig befunden, weil eine Koppelung dazu dienen solle, „das Parlament der Notwendigkeit zu entheben, jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbständigen politischen Frage zu entscheiden.“ (BVerfGE 40, 296, 316) Da die Abgeordneten bei der Diätenfestsetzung in eigener Sache entscheiden, stellt die Öffentlichkeit das einzige wirksame Gegengewicht dar.
Um zu gewährleisten, dass jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum diskutiert und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber selbständig entschieden wird, muss die Regelung über die automatische Anpassung der Abgeordnetendiäten und Kostenerstattung aufgehoben werden. Nur eine selbständige Entscheidung des Parlaments über jede Veränderung der Höhe der Diäten gewährleistet, dass die jeweilige politische Gesamtlage in die Entscheidung mit einfließen kann.
Vervielfachte Diäten: Die meisten Abgeordneten verbessern sich durch Übernahme ihres Mandats finanziell erheblich. Im Jahr 1958 hat die Entschädigung der schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten einschließlich Kostenpauschale mit umgerechnet 300 Euro monatlich noch bei 68% des Durchschnittseinkommens sozialversicherungspflichtig Beschäftigter gelegen. Gegenwärtig beträgt die Brutto-Abgeordnetenentschädigung (einschließlich Altersvorsorgebeitrag) mit 9.028,87 Euro monatlich 310% des Durchschnittseinkommens sozialversicherungspflichtig Beschäftigter, hat sich preisbereinigt also vervielfacht. Von einer Abkoppelung von der Einkommensentwicklung im Fall eines Diätenstopps kann keine Rede sein, vielmehr haben die Abgeordneten die Einkommensentwicklung der nächsten Jahrzehnte bereits vorweggenommen.
Spitzeneinkommen: Nur 1% der Einkommenssteuerzahler beziehen ein so hohes Einkommen wie schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete. An allen Schleswig-Holsteinern gemessen ist die Privilegierung noch extremer, weil Arme regelmäßig keine Steuern zahlen und deshalb in der Einkommenssteuerstatistik nicht erfasst sind. In Anbetracht dieses Diätenniveaus sind weitere Erhöhungen nicht zu rechtfertigen.
Gefährdung der Demokratie: Zu hohe Diäten schaden unserer Demokratie, weil sie Abgeordnete oft auf Dauer davon abhalten, wieder in ihrem Beruf zurückzukehren („Berufspolitiker“), so dass das Parlament versteinert und die Abgeordneten den Bezug zum Berufsleben verlieren. Außerdem können übermäßig privilegierte Abgeordnete die finanzielle Situation der allermeisten Bürger, die sie vertreten sollen, nicht mehr aus eigener Anschauung nachvollziehen.
Ergebnis: Vor dem Hintergrund der weit überproportionalen Diätenerhöhungen in der Vergangenheit, der erdrückend hohen Zinslast des Landes, der Leistungskürzungen für die Bürger, des einschneidenden Personalabbaus in der Landesverwaltung und des unterfinanzierten Bildungssystems sind weitere Erhöhungen ausgerechnet bei den Abgeordnetendiäten nicht zu rechtfertigen. In Zeiten steigender Landesschulden und den Bürgern zugemuteter Mittelkürzungen muss die Politik umgekehrt einen Einsparbeitrag leisten, um die anstehenden Belastungen sozial gerecht zu verteilen.
Ich persönlich stifte von meiner Diät den jährlich mit 5.000 Euro dotierten “Veränderungspreis Westküste“. Eine Übersicht über meine mandatsbedingten Einnahmen und Ausgaben findet sich hier.

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar schreiben:

Alle Angaben sind freiwillig. Die Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.