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Leak zur “Chatkontrolle”: Bundesregierung muss die Führung bei der Verteidigung der Vertraulichkeit privater Kommunikation übernehmen!

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In einer geleakten internen Stellungnahme an die EU-Kommission vom 10. Juni besteht die Bundesregierung darauf, dass die EU-Pläne zur “Chatkontrolle”, mit der alle privaten Chats, Nachrichten und E-Mails automatisch auf vermeintlich verdächtige Inhalte durchsucht werden sollen, mit den “verfassungsrechtlichen Standards zum Schutz der privaten und vertraulichen Kommunikation” in Einklang gebracht werden. Die Erklärung positioniert sich gegen “allgemeine Überwachungsmaßnahmen und Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation”, die von der Europäischen Kommission vorgeschlagen werden, um nach Missbrauchsdarstellungen und „Kinderpornografie“ zu suchen.

Der Verordnungsvorschlag zur Chatkontrolle, der die Durchsuchung privater Kommunikation und Cloud-Speicher, die Netzsperren, obligatorische Altersüberprüfung und die weitreichende Sperrung von Minderjährigen durch App-Stores vorsieht, wird von Zivilgesellschaft und der Industrie, aber auch vom Deutschen Kinderschutzbund kritisiert.

Die Bundesregierung dankt der EU-Kommission in der Stellungnahme zwar leider für den Vorschlag und begrüßt ihn als “wichtigen Schritt zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern”, besteht aber darauf, dass die Vertraulichkeit der Kommunikation “geschützt werden muss”. “Laut Koalitionsvertrag sind das Kommunikationsgeheimnis, ein hohes Datenschutzniveau, ein hohes Maß an Cybersicherheit sowie eine flächendeckende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für Deutschland unerlässlich. Der Koalitionsvertrag spricht sich gegen generelle Überwachungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Durchleuchtung der privaten Kommunikation aus. Deutschland prüft den Entwurf im Lichte des Koalitionsvertrags. Für Deutschland ist es wichtig, dass die Regelungen zur Bekämpfung und Verhinderung der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Einklang stehen mit unseren verfassungsrechtlichen Standards zum Schutz der privaten und vertraulichen Kommunikation.”

Eine ehemalige Richterin am Europäischen Gerichtshof erklärte bereits 2021, dass die Durchleuchtung aller privaten Nachrichten gegen die Grundrechte auf Achtung der Privatsphäre, auf Datenschutz und auf Meinungsfreiheit verstößt.

In dem geleakte Dokument stellt die Bundesregierung 61 Fragen an die EU-Kommission. So wird beispielsweise gefragt, ob sich die Anbieter einer Anordnung zur Durchsuchung aller privaten Nachrichten (“Detektionsanordnung”) überhaupt entziehen könnten, ob schon die vorgeschriebene Risikobewertung eine Chatkontrolle erforderlich mache und wie viele Falschmeldungen zu erwarten seien. “Kann die Technologie so konzipiert werden, dass sie zwischen Bildern von Kindern in einer normalen/ nicht missbräuchlichen Umgebung (z. B. am Strand) und Missbrauchsdarstellungen von Kindern unterscheiden kann? Kann eine Textanalysesoftware eine legitime Unterhaltung zwischen Erwachsenen (Eltern, Verwandten, Lehrern, Sporttrainern, Freunden usw.) und Kindern von einer Grooming-Situation unterscheiden?”

“Die salbungsvollen Worte in der geheimen internen Stellungnahme der Bundesregierung zur Chatkontrolle stehen im Widerspruch zu den öffentlichen Absagen der verantwortlichen Minister. Deutschland muss jetzt die Führung bei der Verteidigung von Vertraulichkeit und Sicherheit im Internet gegen den beispiellosen Big-Brother-Chat-Kontrollvorschlag der EU übernehmen”, kommentiert Patrick Breyer, Mitglied der Piratenpartei Deutschland im Europäischen Parlament. “Auch andere Regierungen müssen jetzt ihre Stimme erheben, um diesen riesigen Schritt in Richtung eines Überwachungsstaates nach chinesischem Vorbild zu stoppen. Chatkontrolle ist wie wenn die Post alle Briefe öffnen und scannen würde – ineffektiv und illegal!”

Breyers Informationsportal zur Chatkontrolle