Neue Landesverfassung: Formulierungsvorschläge für Präambel, Minderheitenschulwesen und Informationszugang
Der Sonderausschuss zur Reform der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung berät zurzeit Formulierungsvorschläge zur Aufnahme einer Präambel, des Minderheitenschulwesens und betreffend den Informationszugang. Ich habe die Formulierungsvorschläge und wie ich vorschlage, dazu Stellung zu nehmen, in ein Pad eingestellt. Anmerkungen können gerne dort eingetragen werden.
Die Vorschläge im Einzelnen:
1. Präambel
„Die schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger haben sich kraft ihrer verfassungsgebenden Gewalt diese Verfassung gegeben,
im Bewusstsein, die Demokratie in Freiheit und Frieden durch Bürgerbeteiligung, Mitmenschlichkeit und Solidarität zu stärken,
im Gedenken an die eigene Geschichte,
im Willen, die kulturelle und sprachliche Vielfalt in unserem Land zu bewahren, als eigenständige Region in einem vereinten Europa und verlässlicher Partner an Nord- und Ostsee
und als Land, das sich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verpflichtet fühlt.“
a) Kommentare
- Der Satz “Die schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger haben sich kraft ihrer verfassungsgebenden Gewalt diese Verfassung gegeben” ist nicht akzeptabel, solange kein Referendum vor Inkraftsetzung der neuen Landesverfassung geplant ist. Tatsächlich sind die Bürgerinnen und Bürger nämlich nie gefragt worden, ob sie diese Verfassung wollen oder nicht.
- Eine Bezugnahme auf die Grundrechte sollte eingefügt werden.
b) Formulierungsvorschläge
„Die schleswig-holsteinischen Bürgerinnen und Bürger haben sich kraft ihrer verfassungsgebenden Gewalt diese Verfassung gegeben,
In Bekräftigung seines tiefen Glaubens an die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt,
im Bewusstsein, die Demokratie in Freiheit und Frieden durch Bürgerbeteiligung, Mitmenschlichkeit und Solidarität zu stärken,
im Gedenken an die eigene Geschichte,
im Willen, die kulturelle und sprachliche Vielfalt in unserem Land zu bewahren, als eigenständige Region in einem vereinten Europa und verlässlicher Partner an Nord- und Ostsee
und als Land, das sich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verpflichtet fühlt,
gibt sich das Land Schleswig-Holstein durch seinen Landtag diese Verfassung.“
Quellen: Artikel 1 Grundgesetz sowie Präambel der Verfassung Hamburgs.
2. Minderheitenschulwesen
“Artikel 8
Schulwesen
(1) Es besteht allgemeine Schulpflicht.
(2) Für die Aufnahme in die weiterführenden Schulen sind außer dem
Wunsch der Erziehungsberechtigten nur Begabung und Leistung maßgebend.
(3) Die öffentlichen Schulen fassen als Gemeinschaftsschulen die Schülerinnen
und Schüler ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung
zusammen.
(4) Die Erziehungsberechtigten entscheiden, ob ihre Kinder die Schule einer
nationalen Minderheit besuchen sollen.
(5) Schulen der [nationalen] dänischen Minderheit gewährleisten
für deren Angehörige Schulunterricht im Rahmen der Gesetze. Ihre
Finanzierung durch das Land erfolgt in einer der Finanzierung
der öffentlichen Schulen entsprechenden Höhe.
(6) Das Land gewährleistet, schützt und fördert [das Recht [der friesischen
Volksgruppe] auf] [Alternative: die Erteilung von] Friesischunterricht
in öffentlichen Schulen.
(7) Das Nähere regelt ein Gesetz.”
a) Kommentare
- Absatz 5 Satz 1 ist ohne Inhalt. Die Schulen können schon heute im Rahmen der Gesetze unterrichten.
- Absatz 5 Satz 2: Die hochumstrittene Finanzierungsfrage sollte nicht in der Landesverfassung geregelt werden.
- Absatz 6: Der Sprachenunterricht sollte nicht nur für eine Sprache und einfachgesetzlich geregelt werden.
b) Vorschläge
Keine Änderung der Landesverfassung in Artikel 8.
3. Informationszugang
“Artikel 9a
Informationszugang
Öffentliche Stellen gewähren jeder Person Zugang zu Dokumenten und sonstigen amtlichen Informationen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen.”
Begründung:
Die Formulierung ist an Art. 42 GRCh und an Art. 21 Abs. 4 BbgVerf angelehnt.
Für eine verfassungsrechtliche Verankerung spricht, dass bei der schon heute im Einzelfall zu treffenden Abwägung regelmäßig ein grundrechtlich geschütztes Interesse (z. B. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach Artikel 12, 14 GG oder informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 1 Absatz 1 GG) dem bloß einfachgesetzlichen Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenübersteht. Die Normenhierarchie begünstigt derzeit ein Zurücktreten des Informationsanspruchs.
Eine verfassungsrechtliche Verankerung des öffentlichen Informationszugangs findet sich bereits in mehreren europäischer Staaten.
a) Kommentare
- Eine andere Fraktion wünscht die Möglichkeit, das Zugangsrecht gesetzlich näher zu regeln.
- Ein Sachverständiger äußert Zweifel, ob die vorgeschlagene Formulierung als Grundrecht verstanden werden könne.
b) Formulierungsvorschläge:
“Artikel 9a
Informationszugang
Jede Person hat das Recht auf Zugang zu Dokumenten und sonstigen amtlichen Informationen öffentlicher Stellen, soweit nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Das Nähere regelt das Gesetz.”
Unser Vorschlag, dem Landesrechnungshof ein Klagerecht gegen die Verletzung des Sparsamkeitsgrundsatzes zu geben (z.B. Verletzung der Schuldenbremse durch den Landtag), hat sich leider nicht durchsetzen können.
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