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Piraten-Klage zwingt Landtag zur Veröffentlichung geheimer Rechtsgutachten [ergänzt am 22.12.2020]

Freiheit, Demokratie und Transparenz Piratenpartei

Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hat heute zugunsten einer Veröffentlichung der bisher geheim gehaltenen Rechtsgutachten der Landtagsjuristen geurteilt (Az. 4 LB 45/17). Diese Gutachten sind brisant, weil aus ihnen Rechts- und Verfassungsverstöße von Regierung und Landtag hervor gehen können. Konkret muss der Landtag eine Liste von 82 bisher geheimen Rechtsgutachten aus den Jahren 2012-2017 herausgeben, die von Landtagsfraktionen und Landtagsgremien in Auftrag gegeben wurden. Auf dieser Grundlage kann die Öffentlichkeit dann die Gutachten selbst anfordern. Schleswig-Holstein ist das letzte Land mit Wissenschaftlichem Dienst gewesen, das die Herausgabe von Rechtsgutachten verweigert.

„Nur mit Transparenz in der Politik können wir Bürger den Mächtigen auf die Finger schauen und Machtmissbrauch stoppen“, begrüßt der Jurist, ehemalige Landtagsfraktionsvorsitzende und heutige Europaabgeordnete der Piratenpartei Dr. Patrick Breyer das Urteil. „Das Schweigekartell aus CDU, SPD, Grünen, FDP und SSW ist damit gescheitert, gutachterlich attestierte Rechts- und Verfassungsverstöße von Regierung und Landtag vertuschen zu wollen. Ich fordere Landtagspräsidenten Schlie jetzt auf, alle Rechtsgutachten endlich fortlaufend im Netz zu veröffentlichen – wie es alle anderen Landesparlamente mit Wissenschaftlichem Dienst längst tun.[1] Gerade Schleswig-Holstein mit einer Geschichte von Affären und Mauscheleien hat es verdient, nicht länger deutsches Transparenz-Schlusslicht zu sein!“

Joachim Rotermund, Landesvorsitzender der Piratenpartei Schleswig-Holstein hebt hervor: “Offenbar sind sich die im Landtag vertretenen Parteien nicht im Klaren, dass sie Verantwortung ihren Wählern und der Bevolkerung gegenüber haben. So verspielt man das Vertrauen in die Politik.”

Der Kläger Sven Stückelschweiger, ehemaliger Generalsekretär der Piratenpartei Schleswig-Holstein, erklärt: „Es wird Transparenz gepredigt und in der Verfassung verankert – doch sobald es unangenehm wird, versucht man mit einfacher Gesetzgebung wieder zurückzurudern… Es ist bedauerlich, dass die Politik alle Bürger auf Schritt und Tritt überwachen will, aber nervös wird, wenn man ihnen auf die Finger schauen möchte. Das lässt vermuten, dass dort Fragwürdiges im Schutz der Nichtöffentlichkeit schlummert. Dieses Verhalten tritt die demokratischen Werte einer modernen Gesellschaft mit Füßen und ist vollkommen unverständlich.“

Hintergrund: In Schleswig-Holstein haben CDU, SPD, Grüne, FDP und SSW 2016 nach Eingang eines Informationszugangsantrags Stückelschweigers eigens eine Gesetzesänderung durchgedrückt, um die von ihnen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten der Landtagsjuristen weiter geheim zu halten. Die Piraten halten dies für verfassungswidrig und pochen mit der Klage auf Transparenz. Das Oberverwaltungsgericht hat ihnen heute recht gegeben und die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen.

Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts zum heutigen Urteil

[1] Veröffentlichte Gutachten aller anderer Landesparlamente mit Wissenschaftlichem Dienst:
Berlin
Brandenburg
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Sachsen-Anhalt
Thüringen

Das Urteil im Wortlaut

Ergänzung vom 22.12.2020: Der Landtag hat gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Damit ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Kommentare

4 Kommentare
  • Interessierter

    Und wo findet sich die Übersicht?

    • Patrick Breyer

      Die ist noch nicht veröffentlicht worden, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

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