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Straßenprostitution an der B206 beschäftigt den Landtag – Interessenausgleich mit Sexarbeitern nötig [ergänzt]

Anträge Landtag Wirtschaft und Verkehr

Der repressive Umgang des Landes mit der Straßenprostitution an der B206, der wegen erkennbarer Wirkungslosigkeit fehlgeschlagen ist, wird nun den Landtag beschäftigen: Auf meinen Antrag wird die Landesregierung im Wirtschaftsausschuss am 29. Oktober öffentlich zu ihrem Vorgehen Stellung zu nehmen haben (die Sitzung wird per Livestream auch ins Internet übertragen).
Als Jurist halte ich das repressive Vorgehen gegen die Straßenprostitution für rechtlich äußerst zweifelhaft, als Piratenabgeordneter politisch für den ganz falschen Weg:

  • Rechtlich steht die Berufsausübung der Sexarbeiter unter dem Schutz des Grundgesetzes und, wenn sie aus dem Ausland kommen, des Europarechts. Ich bezweifle, dass eine landesweite straßenrechtliche Verfolgung von Straßenprostitution rechtlich Stand halten wird. Meines Wissens ist der schleswig-holsteinische Vorstoß einzigartig unter allen Bundesländern.
  • Eine Totalprohibition wäre vor allem der Sache nach nicht sinnvoll und kontraproduktiv. Sie würde Prostitution lediglich an andere Orte verdrängen, wo es sie bisher nicht gab (z.B. in Gaststätten oder auf Spielplätze); zurzeit entfalten die Verfügungen gar überhaupt keine Wirkungen. Dieses Sankt-Florian-Prinzip ist schon im Fall von Neumünster gescheitert. Verbotsversuche setzen Sexarbeiter unter wirtschaftlichen Druck, so dass sie sich eher auf gefährliche Angebote (z.B. ungeschützten Verkehr) einlassen müssen. Eine Vereinzelung ist für Sexarbeiter gefährlich und macht sie für wichtige Beratungsangebote ebenso unerreichbar wie für behördliche Kontrollen. Verbieten und wegschauen ist keine Lösung.

Um allseits akzeptable Lösungen betreffend die Straßenprostitution an der B206 zu erarbeiten, sollte ein landesweiter „Runder Tisch Prostitution“ unter Beteiligung der zuständigen Landesministerien, der kommunalen Spitzenverbände, der Beratungsstellen und der Sexarbeiter eingerichtet werden. Ziel muss es sein, eine Konzept zu entwickeln, das sowohl den berechtigten Anliegen der Anwohner als auch der Sexarbeiter gerecht wird. Aus Sicht der Piraten ist die freie Entscheidung zur Ausübung der Prostitution legitim und von Staat und Gesellschaft zu akzeptieren. Eine Diskriminierung und Kriminalisierung selbstbestimmt tätiger Sexarbeiter und ihrer Kunden lehnt die Piratenpartei ab.
Hintergrund: Die Landesregierung schätzt, dass in Schleswig-Holstein ca. 14.000 Personen als Prostituierte arbeiten. Der Landesverkehrsbetrieb hat Untersagungsverfügungen übergeben, die jedoch nach Medienberichten ohne jede Wirkung bleiben. Eine Bürgerinitiative hat dem Ministerpräsidenten und dem Innenminister geschrieben. RTL berichtet, auf Anfrage keine Stellungnahme bekommen zu haben.
Ergänzung vom 16.10.2014:
Das Ministerium hat mir nun die Ordnungs- bzw. Untersagungsverfügung zur Verfügung gestellt, die den Sexarbeitern übergeben worden ist (pdf). Meine rechtliche Bewertung: Schon die Einordnung der Straßenprostitution als Sondernutzung ist zweifelhaft, weil Straßen in vielen Fällen auch ohne Erlaubnis zu gewerblichen Zwecken genutzt werden (z.B. Fahren oder Abstellen von Lkw). Rechtswidrig wegen Artikel 12 Grundgesetz (Berufsfreiheit) ist es jedenfalls, Sexarbeitern Sondernutzungserlaubnisse generell verweigern und Straßenprostitution so flächendeckend verhindern zu wollen (in diesem Sinne auch Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 21.03.2014, nicht rechtskräftig). Ein Totalverbot ist nicht erforderlich, um Gefahren für den Straßenverkehr abzuwenden.

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