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Verdachtslose Durchsuchung elektronischer Post: Facebook setzt umstrittene “Verdächtigungsmaschine” aus

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Der Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) begrüßt die Entscheidung von Facebook, die fehleranfällige verdachtslose Durchsuchung sämtlicher Privatnachrichten nach verbotenen Darstellungen Minderjähriger mit anschließender automatisierter Strafanzeige auszusetzen:

“Die Aussetzung dieser fehleranfälligen Verdächtigungsmaschine bewahrt Tausende vor unbegründeten Strafanzeigen”, so der Abgeordnete unter Verweis auf Angaben der Schweizer Bundespolizei, wonach 90% der Computeranzeigen unbegründet seien, etwa harmlose Urlaubsfotos am Strand beträfen. “Die Entlastung der Polizei macht Kapazitäten für die verstärkte Verfolgung organisierten Kindesmissbrauchs frei, was Kinder wirklich schützt.”

Hintergrund: Seit dem 21. Dezember erstreckt der “europäische Kodex für die elektronische Kommunikation” das Fernmeldegeheimnis auch auf E-Mail-, Messenger- und Chatdienste. US-Konzerne wie Facebook, Google und Microsoft durchsuchen bisher nicht nur öffentlich abrufbare Webseiten, sondern auch private E-Mails, Messenger-Nachrichten und Chats nach vermeintlich verbotenen Bildern und erstatten vollautomatisiert Strafanzeigen. Gegner kritisieren, wegen der fehleranfälligen Algorithmen (“künstliche Intelligenz”) könnten etwa auch legale aber intime Nacktfotos in die falschen Hände geraten und Personen erpressbar werden.

Anders als Facebook wollen Google (GMail), Microsoft (Outlook.com) und andere Konzerne die illegale verdachtslose und flächendeckende Durchsuchung elektronischer Post fortsetzen. Breyer hat Datenschutzbeschwerde gegen Facebook und Google eingereicht. “Den US-Konzernen fehlt jeder Respekt vor dem digitalen Briefgeheimnis, das in Europa ein Grundrecht ist. Man stelle sich vor, die Post würde verdachtslos unsere Briefe durchschnüffeln – niemand würde sich das bieten lassen!”

Die EU will die “Verdächtigungsmaschine” der US-Konzerne mit zwei Gesetzen zuerst legalisieren und dann alle Anbieter zur verdachtslosen Durchsuchung elektronischer Post zwingen. Ob auch sicher verschlüsselte Messengerdienste betroffen sein und zum Einbau von Hintertüren gezwungen werden, steht noch nicht fest. Zuletzt kritisierte der Bundesdatenschutzbeauftragte die EU-Vorhaben scharf: “Eine flächendeckende und anlasslose Überwachung von digitalen Kommunikationskanälen ist weder zielführend noch erforderlich, um Online-Kindesmissbrauch aufzuspüren. Die Bekämpfung von sexualisierter Gewalt an Kindern muss mit zielgerichteten und konkreteren Maßnahmen angegangen werden. Die Ermittlungsarbeit ist Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden und darf nicht auf private Betreiber von Messenger-Diensten ausgelagert werden.”

Weitere Informationen zu den EU-Gesetzesvorhaben: https://www.patrick-breyer.de/?page_id=594145

10 Argumente gegen Massenüberwachung privater Nachrichten: https://www.patrick-breyer.de/?p=593911

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