„Video-Lügendetektor“ für Reisende: Patrick Breyer verklagt EU-Kommission wegen Geheimhaltung des Projekts
Die EU fördert die Entwicklung eines „Video-Lügendetektors“, der verdächtiges Verhalten von Einreisewilliger anhand von Videoaufnahmen des Gesichts erkennen soll. Weil die EU Informationen zu der wissenschaftlich hoch umstrittenen Technologie geheim hält, hat der Bürgerrechtler und Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl Dr. Patrick Breyer jetzt Klage eingereicht.
Das von der EU mit 4,5 Millionen geförderte Forschungsprojekt iBorderCtrl soll Europa unter Einsatz „künstlicher Intelligenz“ stärker abschotten: Reisewillige sollen künftig zu Hause vor der Webcam einen Lügendetektor-Test absolvieren. Anhand der Mimik und des Verhaltens beim Beantworten von Standardfragen soll eine Spezialsoftware bestimmen, ob die Wahrheit gesagt wird. Auch das Facebook-Profil des Reisenden und seine anderen Aktivitäten in sozialen Netzwerken sollen in die Bewertung mit einfließen.
Ob ein solcher Lügendetektor-Test überhaupt funktioniert, ist höchst umstritten. Wohl aus diesem Grund hat ein ‚Ethik-Berater‘ das Projekt unter die Lupe genommen. Doch zu welchem Ergebnis er gekommen ist, hält die EU-Kommission ebenso unter Verschluss wie die aus Steuergeldern finanzierte ‚Strategie zur Öffentlichkeitsarbeit‘ für das Projekt. Breyers Anfrage nach diesen Unterlagen lehnt die EU-Forschungsagentur mit der Begründung ab, Ethik-Bericht und PR-Strategie seien „kommerzielle Informationen“ der beteiligten Unternehmen und von „kommerziellem Wert“.
Dr. Patrick Breyer hat die EU-Kommission nun beim Europäischen Gericht verklagt und verlangt die Offenlegung der Projektunterlagen (Az. T-158/19).
„Die Begründung der Geheimhaltung zeigt: Es geht selbst hier um Profite der Wirtschaft“,
erklärt Breyer und ergänzt:
„Bei dieser hochgefährlichen Entwicklung muss das Transparenzinteresse von Wissenschaft und Öffentlichkeit aber Vorrang vor privaten Gewinninteressen haben. Systeme zur Erkennung auffälligen Verhaltens erzeugen schrittweise eine gleichförmige Gesellschaft passiver Menschen, die bloß nicht auffallen wollen. Eine solche tote Überwachungsgesellschaft ist nicht lebenswert.“
Breyer weiter:
„Ich bin davon überzeugt, dass man mit diesem pseudowissenschaftlichen Sicherheits-Hokuspokus keine Terroristen findet. Für gestresste, nervöse, auffällig angezogene oder müde Menschen kann eine solche Verdächtigungsmaschine schnell zum Alptraum werden. Lügendetektoren sind hierzulande vor Gericht gerade deshalb nicht als Beweismittel zugelassen, weil sie nicht funktionieren. Mit der Entwicklung von Technologien zur immer stärkeren Überwachung, Erfassung und Kontrolle von Menschen muss Schluss sein!“
Schon einmal ist Breyer erfolgreich gegen die EU-Kommission bis vor den Europäischen Gerichtshof gezogen. Damals verweigerte die Kommission die Herausgabe von Dokumenten zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung.
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