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Vorratsdatenspeicherung im Bundestag: Keine Kompromisse bei flächendeckender Überwachung!

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Heute haben die Abgeordneten des Bundestags auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion über die anlasslose Speicherung von IP-Adressen aller Bürger:innen im Zusammenhang mit dem Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch diskutiert. Der EU-Abgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei, Grüne/EFA) kommentiert:

„Die Ampelkoalition muss sich zwischen der im Koalitionsvertrag vereinbarten anlassbezogenen Datenspeicherung (Quick Freeze) und der von Innenministern geforderten flächendeckenden Internet-Vorratsdatenspeicherung entscheiden. SPD, Grüne und FDP müssen zu ihrer Absage an Vorratsdatenspeicherung stehen! In den geplanten Quick Freeze-Gesetzentwurf eine Internet-Vorratsdatenspeicherung aufzunehmen, wäre ein Dammbruch und ein Frontalangriff auf unser Recht auf anonyme Internetnutzung, auf das unzählige Menschen abgewiesen sind.

Ich habe den Eindruck, dass einige die fatalen Folgen einer anlasslosen IP-Vorratsdatenspeicherung für die Freiheiten und Grundrechte der Bürger:innen noch nicht ausreichend vor Augen haben. IP-Vorratsdatenspeicherung ist, wie wenn jede:r Bürger:in ein sichtbares Kennzeichen um den Hals gehängt bekäme und dieses auf Schritt und Tritt notiert würde. Niemand würde sich eine solche Totalerfassung im täglichen Leben gefallen lassen. Ich unterstütze die im Koalitionsvertrag vereinbarte anlassbezogene Quick-Freeze-Lösung und die Login-Falle.

Kinderschutz darf nicht mit Massenüberwachung verwechselt werden. Der Deutsche Kinderschutzbund steht hinter der Quick-Freeze-Lösung von Minister Buschmann, denn konkrete Probleme verlangen nach gezielten Lösungen: Laut einer aktuellen Studie zu sexualisierter Gewalt im Sport wissen Betroffene oft nicht, an wen sie sich mit Bitte um Hilfe wenden können. Laut Prof. Bettina Rulofs erleben Betroffene, die nach Hilfe suchen: »Abwehr, Ablehnung, Bagatellisierung«. Betroffene fordern fordern: »unabhängige Ansprechstellen im Sport«. Hier muss angesetzt werden, um Kinderschutz zu verbessern. Anlasslose Massenüberwachung ist das vollkommen falsche Instrument.“ Im April 2022 kritisierte gegen-missbrauch e.V.: »(…) das Problem ist nicht die [fehlende Vorratsdatenspeicherung], sondern, das[s] die Ermittlungsbehörden vom Personal und der Ausstattung noch im 19. Jahrhundert sind, und Täter:innen tatsächlich im Jahr 2022«.

Hintergrund: Die Verbreitung (kinder-)pornografischer Schriften wird laut Kriminalstatistik zu über 90% aufgeklärt, ohne dass eine Pflicht zur IP-Vorratsdatenspeicherung in Kraft ist. Die Aufklärungsquote war nicht höher und ist nicht angestiegen, als in Deutschland zuletzt eine IP-Vorratsdatenspeicherung verpflichtend war. Auch im Vergleich zum Ausland lässt sich eine höhere Aufklärungsquote in Staaten mit Vorratsdatenspeicherung nicht feststellen. „Die Verfügbarkeit von öffentlichen Hotspots, Anonymisierungsdiensten usw. setzen der Nachverfolgbarkeit von IP-Adressen unabhängig von der Speicherpraxis Grenzen. Auch außerhalb des Internets ist im Rechtsstaat keine 100%ige Aufklärbarkeit von Straftaten gegeben“, so Breyer abschließend.

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