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Windparks und Bürgerwille: Bürger fordern Transparenz und Mitbestimmungsrecht

Anfragen Landtag Wirtschaft und Verkehr
Veranstaltungsplakat-WindenergieWelche Möglichkeiten haben Gemeindevertretungen und Bürger noch, auf den Bau von Windparks Einfluss zu nehmen? Und was kann die Politik tun, um dem Bürgerwillen wieder zur Geltung zu verhelfen?

Auf Einladung der Piratenpartei fand gestern in Heide ein Info-Abend mit Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Mecklenburg (Referent), Horst Leithoff (Bundesverband WindEnergie) und dem Landtagsabgeordneten Dr. Patrick Breyer (PIRATEN) statt. Die Veranstaltung war mit über 70 Teilnehmern sehr gut besucht. Fast vier Stunden lang haben Referenten und Bürger miteinander diskutiert. Mit Rechtsanwalt Mecklenburg und Bürgerwindparkbetreiber Leithoff war die juristische und fachliche Expertise vorhanden und beide Positionen (Kritiker und Befürworter) vertreten.

Einflussmöglichkeiten

An Einflussmöglichkeiten der Bürger nach aktueller Rechtslage wurden aufgezeigt:

  • Bei geplanten Vorhaben können Gemeinde oder kritische Bürger eine eigene Informationsveranstaltung organisieren, damit nicht nur der Investor mit seiner Sicht zu Wort kommt, sondern z.B. auch andere Experten.
  • Die Bürger können einen örtlichen Umweltverein gründen und nach drei Jahren beantragen, ihr Verbandsklagerecht anzuerkennen.
  • Durch Bürgerentscheid könne ein Aufstellungsbeschluss zur Aufstellung eines Flächennutzungsplans oder zu dessen Änderung erzwungen werden, um die Windenergieflächen zu konzentrieren. Unter Umständen könne ein Flächennutzungsplan Vorgaben zu Abständen und Höhen von Windkraftanlagen machen. Möglich sei auch ein gemeinsamer Flächennutzungsplan mehrerer Gemeinden, so dass u.U. ein gesamtes Gemeindegebiet anlagenfrei gehalten werden kann. Dieser Weg dürfte durch die neueste Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 10.09.2015 aber versperrt sein, derzufolge es “wegen dieser generellen vorübergehenden Unzulässigkeit raumbedeutsamer Windkraftanlagen gemäß § 18 a Abs. 1 Satz 2 LaPlaG auch keine Steuerungsmöglichkeit für die Gemeinden durch F-Planung” gebe.
  • Durch Bürgerentscheid kann erreicht werden, dass die Landesplanungsbehörde die für und gegen die Zulassung einer Ausnahme sprechenden Gründe “zusätzlich vertieft prüft” und die Gemeinde nochmals gesondert beteiligt.
  • Durch Volksentscheid könnten landesweit neue Vorgaben zu Mindestabständen oder zur verbindlichen Öffentlichkeitsbeteiligung (Umweltverträglichkeitsprüfung) verlangt werden. In Mecklenburg-Vorpommern wurde ein solcher Prozess schon angestoßen.

Nächste Schritte

Ich habe zugesagt:

  • Da allseits gewünscht wird, dass Gemeinden und ihre Bürger wieder selbst über die Ausweisung neuer Eignungsflächen zur Windenergienutzung entscheiden können, setzen wir unsere Arbeit an einem Gesetzentwurf zum Schutz der Akzeptanz der Windenergienutzung fort. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes liegt bereits vor.
  • Es wurde vielfach bemängelt, dass die Öffentlichkeit von Planungen erst in einem sehr späten Stadium erfährt, wenn viele Gespräche schon stattgefunden haben. Deshalb habe ich zugesagt, sämtliche vorliegende Genehmigungsanträge in Erfahrung zu bringen. Dies habe ich recherchiert. Die Gemeinden, für die Anträge vorliegen, sind hier aufgeführt.

Als meine Position habe ich ausgeführt, dass wir den Umstieg auf erneuerbare Energien aus Gründen der Nachhaltigkeit und zum Schutz vor Gefahren von Atomkraft, Kohle, Fracking usw. schaffen müssen. Gerade weil die Energiewende so wichtig ist, dürfen wir ihre Akzeptanz aber nicht durch ein rücksichtsloses Vorgehen aufs Spiel setzen. Die Gefahr, dass ein Übergehen der Bürger diese gegen die Energiewende insgesamt aufbringt, wurde bei der Veranstaltung sehr deutlich. Jede Gemeinde muss deshalb dringend wieder das Recht bekommen, sich auch gegen neue Windkraftanlagen entscheiden zu können, solange genügend andere Flächen zur Verfügung stehen. Im Selbstbestimmungsrecht der Bürger liegt nicht nur ein Verhinderungsinstrument, sondern auch ein Gestaltungsinstrument, um Interessenten und Investoren konkrete Bedingungen stellen zu können, unter denen ein Vorhaben gegebenenfalls von den Bürgern mitgetragen werden kann.

Mitmachen: Anfrage geplant

Einstweilen habe ich eine Anfrage an die Landesregierung entworfen, deren Entwurf interessierte Bürger gerne kommentieren und ergänzen können. Der Entwurf lautet:

Kleine Anfrage (Entwurf)
Windkraftanlagen, Transparenz und Bürgerbeteiligung

  1. Laut Internet sollen in halbjährlichen Abständen die aktuellen Winddaten in Schleswig-Holstein veröffentlicht werden. Aus der Karte sind auch Anlagen im Genehmigungsverfahren ersichtlich (http://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/W/windenergie/Downloads/Windeignungsgebiete.pdf?__blob=publicationFile&v=2 ). Stand der Karte ist jedoch der 24.04.2015. Wann wird die Karte aktualisiert?
  2. Ist die Landesregierung bereit, dem Transparenzwunsch der Bürger dadurch besser Rechnung zu tragen, dass im Internet fortlaufend – nicht nur alle sechs Monate oder auf Abgeordnetenanfragen – unverzüglich nach Eingang veröffentlicht wird, welche konkreten Anträge zur Genehmigung der Errichtung von Windkraftanlagen in welchen Gemeinden jeweils vorliegen?
  3. Laut Drucksache 18/3266 habe die Landesplanungsbehörde Karten der Abwägungsbereiche erstellt, um Gemeinden, Planungsbüros und Investoren die Ermittlung potenzieller Standorte zu erleichtern. Es sei geplant, die Karten zeitnah zu veröffentlichen. Wo sind diese Karten abrufbar?
  4. Wird die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, ortsüblich bekannt gemacht, um sie den betroffenen Bürgern besser zur Kenntnis zu bringen als bei einer nur zentralen Bekanntmachung?
  5. Wie hoch ist der prozentuale Anteil der 2015 beschiedenen Anträge auf Errichtung oder Erweiterung von Windkraftanlagen, über die ohne Öffentlichkeitsbeteiligung entschieden worden ist?
  6. Welche Errichtungen oder Erweiterungen von Windkraftanlagen sind im laufenden Jahr 2015 im einzelnen genehmigt worden, ohne dass die Öffentlichkeit am Verfahren beteiligt worden ist? (bitte jeweils auch Standortgemeinde, Kreis, Anzahl und Höhe angeben)
  7. Über welche eingereichten Anträge auf Errichtung oder Erweiterung von Windkraftanlagen soll noch ohne Öffentlichkeitsbeteiligung entschieden werden? (bitte jeweils auch Standortgemeinde, Kreis, Anzahl und Höhe angeben)
  8. Soweit eine Information oder Beteiligung der Öffentlichkeit an Genehmigungsverfahren nicht vorgeschrieben ist, darf das Land die Öffentlichkeit freiwillig und ohne Rechtspflicht informieren und/oder beteiligen?
  9. Sind in diesem Jahr Genehmigungen trotz einer ablehnenden Stellungnahme der betroffenen Gemeinde oder ihrer Bürger (Bürgerentscheid) hinsichtlich des Vorhabens oder weiterer Windkraftanlagen in der Gemeinde allgemein erteilt worden? Wenn ja, welche?
  10. Soweit über Anträge noch nicht entschieden ist:
    a) Welche Anträge beziehen sich auf Gemeinden, die sich durch ihre Vertretung oder ihre Bürger ablehnend gegen das Vorhaben oder weitere Windkraftanlagen allgemein geäußert haben? (bitte auch Standortgemeinde, Kreis, Anzahl und Höhe angeben)
    b) Sollen in diesen Fällen absehbar oder voraussichtlich Ausnahmen nach § 18 a Abs. 2 LaplaG zugelassen werden oder kann dies ausgeschlossen werden?
    c) Eine Ausnahme nach § 18 a Abs. 2 LaplaG wird nicht zugelassen, wenn Abwägungsbelange der Landesplanung zum derzeitigen Planungsstand der Regionalplanung noch nicht abschließend geklärt werden können. Laut Runderlass des Landesplanungsbehörde vom 23. Juni 2015 indizieren befürwortende oder ablehnende Bürgerentscheide, “dass vor Ort Kriterien für bzw. gegen Flächenausweisungen vorhanden sein können”. Ergibt sich aus einer ablehnenden Stellungnahme der betroffenen Gemeinde oder ihrer Bürger (Bürgerentscheid) gegen ein Vorhaben oder weitere Windkraftanlagen in der Gemeinde allgemein, dass eine Abwägung im Rahmen der Regionalplanung vorzunehmen ist und nicht durch eine Ausnahmegenehmigung nach § 18 a Abs. 2 LaplaG vorgegriffen werden darf?
  11. Welche Änderungen am Runderlass vom 23.06.2015 und am Beratungserlass vom 26.08.2015 ergeben sich aus dem Beschluss des VG Schleswig vom 10.09.2015 (Az. 6 A 190/13)?

Fachinformationen zum Weiterlesen

Meine Reden im Landtag zum Thema (Video)

Ergänzung vom 08.11.2015:
Die Präsentation von Rechtsanwalt Mecklenburg ist nun nachlesbar.

Kommentare

1 Kommentar
  • Horst Leithoff

    Am 29.10. habe ich an der Gesprächsrunde über Bürgerbeteiligung in der Windparkplanung teilgenommen.
    Es liegt mir sehr am Herzen, dass Bürger sowohl an der Planung als auch an der Investition beteiligt werden. Die Energiewende ist ein wichtiger Baustein für die zukünftige Energieversorgung. Ich bin davon überzeugt, dass gerade die Windkraft einen wichtigen Beitrag leisten kann. Mit einer breiten Bürgerbeteiligung holen wir nachhaltig Wertschöpfung zurück in unsere Dörfer. Damit die Akzeptanz der Menschen nicht verloren geht, müssen wir die Sorgen und Ängste der Bürger ernst nehmen. Dazu bin ich gerne bereit. Ich bin aber nicht bereit, mir immer wieder die gleichen Argumente anzuhören, die unabhängig von der Glaubwürdigkeit der Quellen, aufgeführt werden. Behauptungen werden als unangefochtene Wahrheiten angeführt, obwohl es längst Wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt.
    Wer Beweise für die Unrichtigkeit der wissenschaftlichen Untersuchungen z.B. beim Infraschall hat, der möge sie bitte dokumentieren.
    Trotzdem sollte ein Bürger das Recht haben, dass er von geplanten Veränderungen in seiner unmittelbaren Umgebung rechtzeitig Kenntnis bekommt. Die Zeit, in der wir Planungen einfach verordnet bekommen, sollte vorbei sein. Es muss eine ordentliche Bürgerbeteiligung geben. Eine ordentliche Info-Veranstaltung mit der sachlichen Darstellung der Planung und ein Bürgerentscheid in der Gemeinde sollte für jeden erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild selbstverständlich sein. Die Politik muss hier die Grenzen sorgfältig deffinieren.
    Der Bürgerentscheid sollte erhebliches
    Gewicht in der weiteren Planung haben. Es gehört allerdings zu meinem Demokratieverständnis dazu, dass ich sowohl das Ja als auch das Nein ggf. akzeptieren muss.
    Für mich entstand der Eindruck, dass in der Gesprächsrunde nicht zuletzt Wege gesucht wurden, wie man trotz positiven Bürgerentscheides Projekte dennoch be- oder verhindern kann. Diese Zielsetzung teile ich selbstverständlich nicht. Wenn Bürgerwille eine Rolle spielen soll, dann muss dieser in geordneten Verfahren ermittelt werden und dann auch respektiert werden.
    Einige Diskussionsteilnehmer waren offensichtlich frustriert, weil der Bürgerentscheid nicht das gewünschte Ergebnis brachte. Dann muss ggf. das demokratische System überprüft werden, nicht aber die Windkraft grundsätzlich in Frage gestellt werden.

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