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Europäischer Menschenrechtsgerichtshof verbietet Schwächung sicherer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung – das Aus für die Chatkontrolle?

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Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat gestern eine generelle Schwächung sicherer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verboten mit der Begründung, dass Verschlüsselung Bürgern und Unternehmen dabei helfe, sich gegen Hacking, Diebstahl von Identitäts- und personenbezogenen Daten, Betrug und die unzulässige Weitergabe vertraulicher Informationen zu schützen. Hintertüren könnten auch von kriminellen Netzen ausgenutzt werden und würden die Sicherheit der elektronischen Kommunikation aller Nutzer ernsthaft gefährden. Es gebe andere Lösungen zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation, ohne generell den Schutz aller Nutzer zu schwächen. Als Beispiel nennt das Urteil den Einsatz von Staatstrojanern bzw. Quellen-TKÜ.

Der EU-Abgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) kommentiert das Urteil:

„Mit diesem grandiosen Grundsatzurteil ist die von der EU-Kommission zur Chatkontrolle geforderte ‚client-side scanning‘-Überwachung auf allen Smartphones eindeutig illegal. Sie würde den Schutz aller zerstören, statt gezielt gegen Tatverdächtige zu ermitteln. Die EU-Regierungen müssen die Zerstörung sicherer Verschlüsselung jetzt endlich aus den Chatkontrolle 2.0-Plänen streichen – genauso wie die flächendeckende Überwachung Unverdächtiger!

Sichere Verschlüsselung rettet Leben. Ohne Verschlüsselung können wir nie sicher sein, ob unsere Nachrichten oder Fotos an Personen weitergeleitet werden, die wir nicht kennen und denen wir nicht vertrauen können. Das so genannte ‚client-side scanning‘ würde entweder unsere Kommunikation grundlegend unsicher machen, oder die europäischen Bürgerinnen und Bürger könnten Whatsapp oder Signal überhaupt nicht mehr nutzen, weil die Anbieter die Einstellung ihrer Dienste in Europa bereits in Aussicht gestellt haben. Es ist unfassbar, dass der letzte Positionsentwurf des EU-Rats weiter die Zerstörung sicherer Verschlüsselung vorsieht. Wir Piraten werden jetzt erst recht für unser digitales Briefgeheimnis kämpfen!“

Hintergrund: Die EU-Kommission und ein überwachungsbehördlich-industriellen Netzwerk fordert unter Verweis auf kursierende Missbrauchsdarstellungen flächendeckende Chatkontrollen auch auf Ende-zu-Ende-verschlüsselten Messengern. Umsetzbar wäre dies nur durch Aushebelung der sicheren Verschlüsselung. Die Mehrheit der EU-Regierungen unterstützt den Vorstoß, eine Sperrminorität blockiert ihn aber. Anfang März wollen die EU-Innenminister erneut beraten. Das EU-Parlament hat auf Druck von Piraten und Zivilgesellschaft einer Zerstörung sicherer Verschlüsselung und einer Chatkontrolle eine Absage erteilt. Dies ist jedoch nur die Ausgangsposition für mögliche Verhandlungen mit dem EU-Rat, falls dieser sich auf eine Position verständigt. Meta hat angekündigt, im Laufe dieses Jahres Nachrichten über Facebook und Instagram Ende-zu-Ende zu verschlüsseln und die bisherige freiwillige Chatkontrolle einzustellen. Dennoch ist die EU dabei, die Erlaubnis zur freiwilligen Chatkontrolle zu verlängern.

Informationsseite Breyers zur Chatkontrolle