Verdachtslose Jedermannkontrollen in Schleswig-Holstein
Wie das Innenministerium auf Anfrage der PIRATEN mitteilt, hat die Polizei seit 2015 eine Vielzahl von Orten und Events im Norden als “gefährlich” eingestuft, ohne die Bevölkerung zu informieren – darunter die Kieler Woche und Wacken Open Air.
An “gefährlichen Orten” erlaubt das Polizeigesetz die vorsorgliche Durchsuchung beliebiger angetroffener Personen, auch wenn sie unverdächtig sind (“Ortshaftung”). Aktuell wird die Flensburger Innenstadt Freitags und Samstags ab 23.30 Uhr als “gefährlicher Ort” behandelt.
Daneben sollen die Kreise Pinneberg und Segeberg ab Oktober ganz oder teilweise wieder zum Gefahrengebiet erklärt werden. In Gefahrengebieten erlaubt es das Polizeigesetz, beliebige Autofahrer anzuhalten und ihre Fahrzeuge unter die Lupe zu nehmen, auch wenn sie unverdächtig sind.
Der Innenexperte der PIRATEN im Landtag, Dr. Patrick Breyer, kritisiert: “Die Polizei sollte sich auf Gewalttätige und Verdächtige konzentrieren, statt mit Sonderrechtszonen unverdächtige Bürger ins Visier zu nehmen. Polizeiliche Präsenz ist gut, aber bitte nicht zur Kontrolle unbescholtener Bürger! Das Innenministerium kann bezeichnenderweise keinen einzigen Beispielsfall nennen, in dem eine Durchsuchung Unverdächtiger Straftaten verhindert oder aufgedeckt hätte.
Wer im Norden die Straße betritt, sollte nicht jederzeit mit einer Durchsuchung rechnen müssen. Und wenn die Polizei solche Sonderrechte schon in Anspruch nehmen will, dann sollte sie dies auch öffentlich ankündigen und rechtfertigen. Jedermannkontrollen sind Vorzeigebeispiel einer Sicherheitsideologie, die auf Abschreckung durch einen allmächtigen Staat setzt. Sie sind anfällig für die Diskriminierung von Personen, die äußerlich nicht dem Durchschnittsdeutschen entsprechen.”
Zu den Gefahrengebieten im Süden von Schleswig-Holstein zur Aufklärung von Wohnungseinbrüchen erklärt Breyer: “Es ist bezeichnend für dieses hilflose Stochern im Nebel, dass in Lübeck ohne Gefahrengebiet auch nicht mehr Wohnungseinbrüche begangen werden. Verdachtslose Kontrollen vermitteln eine bloße Illusion von Sicherheit und vergeuden polizeiliche Arbeitskapazitäten, die an anderer Stelle besser eingesetzt wären. Wirksamer Schutz gegen Wohnungseinbrüche sieht anders aus: Wohnungen müssen technisch gegen Einbruch gesichert werden, denn in solche Wohnungen wird 30mal seltener eingebrochen.”
Mit einem Gesetzentwurf im Landtag wollen die PIRATEN die Gefahrengebiete im Norden abschaffen und die Möglichkeit zur Ausweisung “gefährlicher Orte” auf schwere Straftaten beschränken. Heute kündigte die Polizei bereits an, die Einstufung des Elmshorner Bahnhofs als “gefährlichen Ort” zum 30.09.2016 auslaufen lassen zu wollen.
Antwort des Innenministeriums auf Anfrage der PIRATEN
Entwicklung der Einbruchszahlen
Kommentare
Ich bin zwar kein Polizist, aber ich glaube, dass es deutlich komplizierter ist Täter zu fassen und sie auch tatsächlich für ihre Taten zur Verantwortung zu ziehen, als es Herr Breyer für möglich hält.
Insofern böte sich vielleicht mal ein Praktikum bei den Strafverfolgungsbehörden an. Natürlich können SIe den Strafverfolgungsbehörden alle Kompetenzen nehmen. Das sehe ich in der aktuellen Zeit als den absolut falschen Weg an.
Die verdachtslosen Jedermannkontrollen sind nicht zur Strafverfolgung gestattet, sondern nur zur Abwehr von Gefahren.
Ich wohne in einem Gefahrengebiet und fühle mich deutlich sicherer, da ich weiß, dass die Polizei nun auch kontrollieren darf. Ich bin im letzten Winter sogar selbst kontrolliert worden und finde das überhaupt nicht schlimm. Ich habe aber auch nichts verbotenes getan und habe Vertrauen.
Sehr geehrter Herr Nilsson,
verdächtige Personen darf die Polizei ohnehin immer kontrollieren. Unsere Kritik richtet sich gegen die Kontrolle Unverdächtiger.
Selbst wenn Sie persönlich die Maßnahme begrüßen, respektieren Sie bitte diejenigen Mitmenschen, die nicht verdachtslos durchsucht werden möchten.
Mit freundlichem Gruß
Patrick Breyer
Sehr geehrter Herr Breyer,
gibt es denn Erkenntnisse, wie viele “Gefährliche
Orte” es seit etwa September2015 MEHR gibt als bis zu diesem Zeitpunkt? Oder war die Anzahl immer schon in etwa die selbe?
Mit freundlichen Grüßen,
Tilman Büning
Sehr geehrter Herr Büning,
leider habe ich zu früher zurückliegenden Zeiträumen keine Erkenntnisse. Diese Frage könnte Ihnen aber das Innenministerium beantworten.
Mit freundlichem Gruß
Patrick Breyer