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Müssen Richter dem Justizministerium Bericht erstatten?

Freiheit, Demokratie und Transparenz Juristisches Landtag

Aus Anlass eines zweifelhaften Vorfalls ist eine Praxis des Justizministeriums bekannt geworden, sich aus Anlass von Presseanfragen, parlamentarischen Anfragen oder auch nur möglichen zukünftigen Anfragen über einzelne Gerichtsverfahren und deren Stand berichten zu lassen. Solange kein Anhaltspunkt für eine Dienstpflichtverletzung vorliegt, halte ich diese Praxis für rechtswidrig, weil keine Rechtsvorschrift die Übermittlung der personenbezogenen Daten aus den Gerichtsverfahren abdeckt. Ich habe deshalb das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz um Prüfung gebeten:

bei einer Anhörung im Innenausschuss diese Woche hat sich herausgestellt, dass sich das Justizministerium bei politisch sensiblen Gerichtsverfahren von Gerichten über den Verfahrensstand berichten lässt mit der Begründung, im Fall etwaiger parlamentarischer Anfragen sprechfähig sein zu wollen. Es handele sich dabei nicht um eine Maßnahme der Dienstaufsicht. Vielmehr beruft man sich auf einen Erlass aus dem Jahr 1948.
Zweifellos stellt es eine Übermittlung personenbezogener Daten dar, wenn sich das Justizministerium über den Stand von Gerichtsverfahren durch Gerichte in Kenntnis setzen lässt. Übermittelt werden wohl Daten aus Datenverarbeitungssystemen der Justiz und insbesondere aus der Verfahrensakte des Gerichts. Es liegt auf der Hand, dass Daten über Gerichtsverfahren besonders sensibel sind, beispielsweise wenn sie die Observation eines Sexualstraftäters und die von dessen Gesundheitszustand ausgehende Gefahr betreffen.
Meines Erachtens fehlt es an der verfassungsrechtlich geforderten gesetzlichen Grundlage für die Praxis des Ministeriums, sich über den Stand laufender Gerichtsverfahren unterrichten zu lassen, ohne dass – etwa wegen Anhaltspunkten für eine ordnungswidrige Art der Amtsführung des Gerichts – ein Fall der Dienstaufsicht vorliegt (abgesehen von der Frage der Vereinbarkeit mit der richterlichen Unabhängigkeit).
Soweit sich das Ministerium zuletzt darauf berufen hat, die Beantwortung seiner Anfragen sei freiwillig und die Prüfung der Zulässigkeit obliege dem Gericht, geht eine Freiwilligkeit aus den Anfragen nicht hervor. Die Gerichte können nicht beurteilen, ob eine Anfrage im Zuge der Dienstaufsicht erfolgt (dann verpflichtend und zulässig) oder “informationshalber” (dann angeblich freiwillig, aber unzulässig).
Ich bitte um eine datenschutzrechtliche Prüfung der Verfahrensweise des Justizministeriums durch das ULD. Bitte senden Sie mir etwaigen Schriftverkehr mit dem Ministerium in Abschrift zu, damit ich dazu Stellung nehmen kann.

Nach Prüfung kommt das Landesdatenschutzzentrum in seiner Stellungnahme (pdf) zu dem Schluss, die Praxis sei rechtmäßig. Das Justizministerium sei nach Landespressegesetz und Verfassung zur Auskunft an Presse und Parlament verpflichtet.
Mich überzeugt das nicht: Es gibt keine Vorschrift, wonach für die Beantwortung von Presseanfragen über Gerichtsverfahren das Justizministerium zuständig wäre. Dies ist Aufgabe der Pressestellen der Gerichte. Und zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen ist das Ministerium nur verpflichtet, soweit es über Kenntnisse verfügt. Die Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen stellt keine Rechtsgrundlage für die Erhebung personenbezogener Daten dar. Schließlich kann die Landesregierung auch von Landesverfassungsgericht oder Landesrechnungshof nicht Auskunft verlangen mit der Begründung, es sei eine parlamentarische Anfrage eingegangen. Schon gar nicht zulässig ist die Praxis des Justizministeriums, sich “auf Vorrat” über aktuelle Verfahren informieren zu lassen, um auf etwaige zukünftige Anfragen schneller antworten zu können. Die im Bereich der Staatsanwaltschaften geltenden Grundsätze sind auf die unabhängigen Gerichte nicht übertragbar, weil das Justizministerium Staatsanwälten Weisungen erteilen kann, Richtern aber nicht.
Letztlich wird die Frage von den Gerichten zu klären sein, beispielsweise wenn sich ein Richter weigert, Informationen über ein Verfahren mangels Rechtsgrundlage herauszugeben. Für sachdienliche Hinweise auf entsprechende Fälle bin ich dankbar.

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