Politische Werbung: Europaabgeordnete wollen überwachungsbasierte politische Werbung stoppen
Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) des Europäischen Parlaments hat heute dafür gestimmt, die Verwendung personenbezogener Daten zur gezielten Einblendung bestimmter politischer Online-Werbung auf Daten zu beschränken, die von den Bürger:innen mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung für diesen Zweck zur Verfügung gestellt wurden. Die Auswertung der Internetnutzung und das Ableiten von Personendaten für diesen Zweck sollen verboten werden. Die Position des Ausschusses wird Gegenstand von Trilog-Verhandlungen mit den EU-Regierungen sein, bevor die geplante EU-Verordnung zu politischer Werbung in Kraft tritt.
Im Einzelnen fordern die Europaabgeordneten:
- Keine gezielten politischen Botschaften sehen zu wollen soll nicht komplizierter festzulegen sein als sich einverstanden zu erklären. Die “Do not track”-Einstellung soll ohne lästige Nachfragen akzeptiert werden. Nutzer:innen, die ihre Zustimmung verweigern, sollen weiterhin Zugang zu den Online-Plattformen erhalten.
- Internetplattformen soll untersagt werden, anhand persönlicher Daten und Spuren zu entscheiden, wer welche politische Werbung zu sehen bekommt. Diese Algorithmen radikalisieren Debatten bisher.
- In den 60 Tagen vor einer Wahl oder einem Referendum dürfen unterschiedliche politische Botschaften nur abhängig von der Sprache der Wähler:innen und ihres Wahlkreises verbreitet werden, um eine Fragmentierung der öffentlichen Debatte und die unehrliche Verbreitung widersprüchlicher Botschaften zu verhindern.
- Sollte eine Datenschutzbehörde wie z.B. die irische Datenschutzaufsicht die Vorschriften gegenüber großen Online-Plattformen nicht durchsetzen, könnte der Europäische Datenschutzausschuss übernehmen. In Fällen illegaler politischer Werbung soll er nicht nur finanzielle Sanktionen verhängen können, sondern auch gezielte Werbung von Organisationen, die schwerwiegend und systematisch gegen die Vorschriften verstoßen haben, vorübergehend aussetzen können. Damit wird sichergestellt, dass wohlhabendere Sponsoren die Kosten für finanzielle Sanktionen nicht einfach in ihr Budget einkalkulieren können.
- Die gezielte Einblendung politischer Werbung abhängig von Rasse oder ethnischer Herkunft, politischer Ansichten, religiöser Überzeugungen, des Gesundheitszustands oder der sexuellen Ausrichtung soll sowohl online als auch offline verboten werden.
- Je nach Auslegung sollen keine Beschränkungen für die Verwendung personenbezogener Daten (einschließlich verhaltensbezogener und abgeleiteter Informationen sowie sensibler Daten) durch Kampagnen gelten, wenn sie politische Botschaften per Brief, E-Mail oder Textnachrichten verbreiten. Die Targeting-Regeln sollen nur gelten, wenn externe “politische Werbedienste” in Anspruch genommen werden, so dass Briefe, E-Mails und Textnachrichten, die direkt von Kampagnen verschickt werden, ausgenommen wären.
Der EU-Abgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) kommentiert:
“Aus den Kampagnen von Donald Trump und zum Brexit haben wir gelernt, dass man Wähler:innen sehr effektiv manipulieren kann, wenn man weiß, welche Botschaft gerade bei ihnen wirkt. Während viele Parteien personalisiertes Targeting nutzen, profitieren davon vor allem antidemokratische und antieuropäische Kräfte.
Ich bedauere, dass ein großes Schlupfloch für Direktnachrichten bestehen bleibt. Es wird zwangsläufig von antidemokratischen und antieuropäischen Bewegungen ausgenutzt werden, um Wahlen und Volksabstimmungen zu manipulieren. So werden Lügen und Hass verbreitet, die auf die Persönlichkeit und die Schwächen der einzelnen Wähler:innen zugeschnitten sind. Ihr Online-Verhalten und ihre Gewohnheiten bis hin zu ihrer sexuellen Orientierung oder ihren religiösen Überzeugungen könnten ausgenutzt werden, um manipulative und falsche politische Botschaften zu verbreiten. Wir dürfen nicht zulassen, dass die geplante Verordnung umgangen wird, indem einfach von manipulativen Facebook-Anzeigen auf Direktnachrichten umgestiegen wird. Wir müssen dieses Schlupfloch dringend im anstehenden Prozess schließen. Meine Fraktion hat sich in LIBE deshalb bei der Abstimmung vorerst enthalten.”
Die Beschlüsse im Wortlaut (COMP12a wurde nicht beschlossen)